B5: Bahr, Hermann_1 Schnitzler an Bahr, Typoskript, Seite 33

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Wien, 10.11.903.
Mein lieber Hermann,
ich danke Dir herzlichst, dass Du die Excentrik zu einem so schönen Er-
folg gebracht hast und gratuliere Dir zu dem ganzen Abend. Ich war mit
Olga auf dem Semmering, darum haben wir Dich nicht um Karten
im Bösendorfer Saal gebeten. Ich selbst wäre übrigens keineswegs dort
gewesen - denn Du verstehst es gewiss, ich kann mir eigene Sachen vor
grossem Publikum nicht vorlesen lassen.
Der xxx ist prachtvoll und ich würde ihn mit Freuden vor die nächste
Recurs
Auflage des Reigen drucken lassen - wenn er nicht so viel Lob über mich
enthielte. Man lässt sich gern an fremden Höfen mit schmetternden Trom-
petenstössen empfangen - aber man kann sich doch nicht im eigenen Hause
feiern lassen.. Doch wäre es zu schade, wenn dieses Meisterstück der
Oeffentlichkeit vorenthalten würde. Dass sich in Wien nichts würden an-
fangen lassen war voraus zu sehen. Die Kerle sind ja nicht mehr feig,
weil ihnen evenentuell was geschehen könnte - sondern aus Liebe zur
Sache. Wie wäre denn mit dem Ausland? Berliner Tageblatt (Toder Vossische
wären vielleicht zu gewinnen? Wenn kein Tagesblatt, eine Wochen-
oder Monatsschrift? - wie immer - ich danke Dir und Burckhardt
vielmals und wärmstens. Was ist das übrigens für eine Stelle
im Lamprecht, die durch die Blätter geht? Ich habe nichts gelesen.
Salten tue ich gewiss nicht Unrecht. Lies nur - wenn es soviel Interesse
für Dich hat, meinen ganzen Brief an Salten. Nicht um Lob und Tadel
handelt es sich. Das Wesentliche für mich bleibt, dass in dem Feuilleton
genau die Sachen zu meinen Ungunsten drinstehen - über deren mangelnde
Berechtigung sich sein Verfasser dutzende Mal mir gegenüber ausgesprochen
Lies den Brief.- Und das Aergerliche - worüber wir auch so oft gesprochen
haben - der Versuch, einem Dichter Gebiete abzustecken - oder zu ver-
wehren. Ich, als einziger Mensch auf der bewohnten Erde, soll nicht mehr
das Recht haben, erotische Beziehungen zu schildern, oder unverehelichte
junge Damen darzustellen? - Es werden nach mir noch etwa kunderttausend
Bücher von Liebe und Liebelei, süssen und sauren Mädeln, und Anatolen
und Mäxen geschrieben werden - wie sie vor mir geschieben worden sind.
Und gerade ich bekomm immer sozusagen einen Krach in den Schädel, wenn
auch nur aus der Ferne ein Hauch von Erotik über meine Gestalten weht?
Und der letzte Krach geht gerade von Salten aus, mit dem gemeinschaftlich
ich mich über diese Kräche so oft belustigt und geärgert habe? - Aber
lassen wir das auf eventuelle mündliche Unterhaltung.- Ich darf Dich wohl
dieser Tage wieder in St.Veit aufsuchen?
Herzlichst Dein getreuer
Arthur