B5: Bahr, Hermann_3 Bahr an Schnitzler, Typoskript, Seite 11

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P.D.
Wien, 19.6.1895
Lieber Arthur!
Ich möchte sehr, sehr ger etwas von Dir für die "Zeit"
haben. Lieber wäre mir eine kurze Geschichte, nicht über 8 Spalten des
Blattes. Faute de mieux, nehme ich auch eine lange,obwohl ich an d'Annun-
zio erfahren habe, dass das Zerreissen in Fortsetzungen auch die stärk-
sten Sachen umbringt.
Deine Novelle könnte im Oktober erscheinen.
Ich fahre heute Abend nach München und dann auf drei
Wochen ins bairische Gebirge.
Herzlichst Dein
Hermann
Wien, 23.7.1895
Lieber Freund!
Ich habe die "Geschichte von einem greisen Dichter" sofort
gelesen und dann, nachdem ich sie einige Tage bei mir erwogen, noch
einmal. Als Redakteur muss ich nun sagen, dass ich eine so lange, dabei
doch dünne Geschichte von schwacher Handlung und nicht sehr deutlichen
Gestalten durch Zerstückelung in etwa acht Partien, mit Pausen von acht
Tagen, schädigen und um jede Wirkung bringen würde. Wenn ich auch als
Kritiker reden darf, so möchte ich nicht verhehlen, dass mir die Novelle
von unmässiger Länge und einer gewissen, nicht in der Sache liegenden
Schwere scheint, indem ein heiterer, aber nur bei Kürze und Leichtigkeit
wirksamer Gedanke allzu gewaltsam hinausgezogen wird. Davon hoffe ich
mit Dir anfangs August in Ischl zu sprechen und dem Redakteur wäre es
lieb, wenn Du Dich entschliessen könntest, es auf ein Drittel zu kürzen,
was der Kritiker auch aus inneren Gründen billigen, ja fordern müsste,
Jedenfalls danke ich Dir für die Sendung des Manuscriptes sehr und
grüsse Dich wie Richard herzlich als
erfolg xxx
Dein treuer
Hermann Bahr