B5: Bahr, Hermann_3 Bahr an Schnitzler, Typoskript, Seite 84

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tung des Burgtheaters berufen wurde - viel zu spät, um noch etwas künst-
lerisch leisten oder doch retten zu können. Um diese Zeit begann auch
die österreichische Währung schon zu kranken. Das bisschen "Vermögen"
das mir mein Vater hinterlassen hatte, begann zu schmelzen; der Rest
ging dannbei der deutschen Inflation xxx vollends auf, Ganz unver-
hofft ging da an meine Frau der Ruf, an der Münchner Akademie eine Pro-
fessur anzunehmen, sie griff mit beiden Händen zu,wir waren die Sorge
los, wovon wir morgen unser Mittagmal bestreiten sollten; nach einer
Reihe von Jahren erhält meine Frau als Pension ihren vollen Gehalt.
An sie kam übrigens auch ein Ruf an die Berliner Musikhochschule, den
sie natürlich ausschlug, weil Berlin nochweiter von ihrem unvergesslichen
Wien ist als München. Mir persönlich ist es im Grunde wurscht,in welcher
Stadt ich lebe, ich würde schliesslich auch auf dem Monde ganz gemütlich
leben können. Es fällt mir nur schwer meine Frau sich so von Sehnsucht
nach Wien verzehren zu sehen. Ich sprach vor einigen Jahren mit dem
Prälaten Seipel, den ich sehr lange kenne, über die Möglichkeit einer
Berufung meiner Frau nach Wien, sei's auch nur in der Form, dass sie
zweimal im Jahre, jedes Mal drei Wochen, Lehrkurse an der "Wiener Hoch-
schule und Akademie für Musik und darstellende Kunst" halten sollte.
Seipel liessmir dann sagen, der betreffende "Akt" liege schon im Unter-
richtsministerium. Dort liegt er offenbar noch heute. "Seegens so heiter
is das Leben in Wien!"
Verzeih die lange Epistel
Deinem getreuen
Hermann
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No copy of 187 = 7 Sept. 1931