B32: Fulda, Ludwig, Seite 48

Frafoi (Tirol) : 13.7.1900
Trafei - Hotel.
Liebe Herr Schnitzler!
Ihr Schreiben vom 7. hab ich erhalten. Wir
bleiben hier jedenfalls bis in die zweite Hälfte
August und würden, uns aufrichtig freun, Sie
hier zu sehen. Es ist ein herrlicher Aufenthalt.
Bisjetzt habe ich in Sachen Ihres Stückes
keine Nachricht. Uebrigens habe ich Grube geschrieben
es sei gleich, ob er mir oder Ihnen direct Be¬
scheid gebe. In der Titelfrage kam ich meinen
Standpunkt nicht ändern. Ich halte Ihr Stück
Für ein regelrechtes Trauerspiel. Beatrice ist
die tragische Heldin, die an der Schuld ihres Charak
ters zu Grunde geht. Beinahe schulmäßig exakt
G.O.F.P
ist die Tragödie aufgebaut. Unmittelbar auf den
Höhepunkt – Batricens Flucht vor der Hochzeit —
folgt ihre tragische Schuld: die Scheu vor dem gemein¬
samen Tod. Vierter Akt: Umkehr. Fünfter: Kate¬
straphe. Das Stück beschäftigt noch vielfach meine
Gedenken, und da ich von Herzen wünsche, diese
dichterische Schöpfung möchte, Ihnen die Freuden
und Ehren bringen, die ihr innerer Ernst und
Werth verdient, so möchte ich Ihnen doch die Frage
unhelegen, ob sie nicht nach hier und da eine
feilende und technisch nachbessernde Hand ent¬
wollen. Ich würde gern mit Ihnen mündlich
darüber sprechen; schriftlich ist dergleichen nicht
14
Berlin-Charlottenburg, den 20. ten 1 1901.
Lieber Herr Schnitzler!
Also beiliegend mein Bild
G.C.F.P.
Ob es rathsam wäre, dem Volkstheater
die Aufführung Ihrer Betrie anzuvertrauen
kann ich nicht beurtheilen, da ich den gegenwärti¬
gen Personalbestand nicht genau genug kenne.
Doch sollte ich meinen, daß die Retty eine sehe
achtbar Vertreterin der Beatrice abgeben
könnte. Warum geben Sie das Stück nun nicht
zunächst als Buch heraus? Als solches wird es
unzweifelhaft einen großen Erfolg haben
Ihren Leutnant Gustl möchte auch ich sehe
gern lesen und hoffe, Sie werden bald eins der
verlaufenen Exemplare für uns einfangen.
In der Princiëre von Wolgogens "Buntem Theater"
wirkte die „Episide“ aus dem Anatel trotz
mittelmäßiger und viel zu gedehnter der¬
stellung sehr frisch
TISTE
Am 9. ist hier die Première meiner Zwil¬
lingsschwester. Ich habe glücklicherweise die dar¬
stellerin, die ich dazu nöthig habe, in der Sorma
ou vivre.
knapp vor Thorschluß erwischt.
reperly.
Mit herzlichsten Grüßen von uns Beiden,
auch für Ihre Frau Mutter
der Thige.
Liding Fulda