15.
A.S. an H.v.H.
(17)
Wien, 14.7.1892.
Lieber Hugo. Von Salten erfahre ich, dass Ihr Vater
krank war, aber bereits wiederhergestellt ist. Hof-
fentlich erholen Sie sich zugleich von Ihrer Ver-
stimmung und Abspannung und verbringen den kommenden
Sommer und Herbst in so reicher Fülle des Innern und
Teussern, wie ichs Ihnen von Herzen wünsche.-
Gestern starb mein Grossvater; in wenigen Tagen rei-
sen meine Eltern ab, und ich übernehme die Praxis
meines Papa.
Seit einiger Zeit bring ich es zuwege, auch nachts
literarisch zu arbeiten, und ich hoffe, meine ange-
fangenen Sachen werden trotz anderweitiger Tätigkeit
wohl fortschreiten können.
- Hebbels Briefe lese ich jetzt, Leesings Leben von
seinem Bruder geschildert, Annalen von Goethe. Hebbel
war wohl nach Goethe der grösste Geist, den die Deut-
schen in dem Jahrhundert gehabt haben; manchmal
kommt mir vor, dass man ihn vor Nutzsche wird nennen
müssen. Ich bin jetzt bei der Periode seines Lebens,
wo er auf der Verlegersuche ist und auf Gutzkow,
(unleserlich), Körner, zuweilen wohl
Laube,
auch auf Schiller schimpft. Er hat aber auch noch
manches andere zu sagen.- Wissen Sie, dass er eine
Jungfrau von Orleans schreiben wollte? -
Von Richard höre ich nichts, Sie?-
Von Ihnen hoffe ich bald schönes und gutes zu er¬
fahren; empfehlen Sie mich bitte den Ihren auf das
wärmete.
Ihr
Arthur
16
A.S.an H.v.H.
181
Wien, 29.7.1892.
Lieber Freund, nachdem Sie Ihr Gedicht nicht im
nhalt haben wollen, möchte ich auch jeden Titel
weglassen, und es nur im selben Druck wie alles
übrige haben, jedoch mit oben weit freigelassenen
Rändern.- Einverstanden?
Vorgestern habe ich meine Novelle beendet.- Ich
hoffe, sie wird, wenn sie erst durchgefeilt ist,
als ehrenwerthe D Studie gelten können. Ich habe
sie plötzlich zu Ende schreiben müssen, nachts
im Café, während schläfrige Kellner bereits die
Sessel aufeinanderthürmten. Ich habe sie sehr
lieb gehabt -ich fühle mich ordentlich einsam
seit ich nicht mehr darüber denken muss. (siehe
Freund Y.) - Nun will ich wieder ans Stück.
Eben hab ich Blumenthal und Reicher geschrieben!
- wie verdreht eigentlich die Welt ist! -
Was macht Ihr Stück?- Ich wundere mich, dass Sie
zugleich zweiten und dünften Akt schreiben können.
So sicher bin ich meiner Gestalten nie! Es kann
ihnen doch im dritten Akt was einfallen oder gar
passieren, wovon ich im zweiten noch nichts rech-
tes weiss. Selbst wenn eine genaue Skizze vorliegt,
wage ich es nicht und habe gewiss keine Lust dazu!
Ich will mit ihnen weiterleben, und erleben Gedanke
für Gedanke und That für That, wie sie selber. Ich
darf manches vorausahnen, aber wissen darf ichs
nicht.
Herzliche
Ihr
Arthur.
A.S. an H.v.H.
(17)
Wien, 14.7.1892.
Lieber Hugo. Von Salten erfahre ich, dass Ihr Vater
krank war, aber bereits wiederhergestellt ist. Hof-
fentlich erholen Sie sich zugleich von Ihrer Ver-
stimmung und Abspannung und verbringen den kommenden
Sommer und Herbst in so reicher Fülle des Innern und
Teussern, wie ichs Ihnen von Herzen wünsche.-
Gestern starb mein Grossvater; in wenigen Tagen rei-
sen meine Eltern ab, und ich übernehme die Praxis
meines Papa.
Seit einiger Zeit bring ich es zuwege, auch nachts
literarisch zu arbeiten, und ich hoffe, meine ange-
fangenen Sachen werden trotz anderweitiger Tätigkeit
wohl fortschreiten können.
- Hebbels Briefe lese ich jetzt, Leesings Leben von
seinem Bruder geschildert, Annalen von Goethe. Hebbel
war wohl nach Goethe der grösste Geist, den die Deut-
schen in dem Jahrhundert gehabt haben; manchmal
kommt mir vor, dass man ihn vor Nutzsche wird nennen
müssen. Ich bin jetzt bei der Periode seines Lebens,
wo er auf der Verlegersuche ist und auf Gutzkow,
(unleserlich), Körner, zuweilen wohl
Laube,
auch auf Schiller schimpft. Er hat aber auch noch
manches andere zu sagen.- Wissen Sie, dass er eine
Jungfrau von Orleans schreiben wollte? -
Von Richard höre ich nichts, Sie?-
Von Ihnen hoffe ich bald schönes und gutes zu er¬
fahren; empfehlen Sie mich bitte den Ihren auf das
wärmete.
Ihr
Arthur
16
A.S.an H.v.H.
181
Wien, 29.7.1892.
Lieber Freund, nachdem Sie Ihr Gedicht nicht im
nhalt haben wollen, möchte ich auch jeden Titel
weglassen, und es nur im selben Druck wie alles
übrige haben, jedoch mit oben weit freigelassenen
Rändern.- Einverstanden?
Vorgestern habe ich meine Novelle beendet.- Ich
hoffe, sie wird, wenn sie erst durchgefeilt ist,
als ehrenwerthe D Studie gelten können. Ich habe
sie plötzlich zu Ende schreiben müssen, nachts
im Café, während schläfrige Kellner bereits die
Sessel aufeinanderthürmten. Ich habe sie sehr
lieb gehabt -ich fühle mich ordentlich einsam
seit ich nicht mehr darüber denken muss. (siehe
Freund Y.) - Nun will ich wieder ans Stück.
Eben hab ich Blumenthal und Reicher geschrieben!
- wie verdreht eigentlich die Welt ist! -
Was macht Ihr Stück?- Ich wundere mich, dass Sie
zugleich zweiten und dünften Akt schreiben können.
So sicher bin ich meiner Gestalten nie! Es kann
ihnen doch im dritten Akt was einfallen oder gar
passieren, wovon ich im zweiten noch nichts rech-
tes weiss. Selbst wenn eine genaue Skizze vorliegt,
wage ich es nicht und habe gewiss keine Lust dazu!
Ich will mit ihnen weiterleben, und erleben Gedanke
für Gedanke und That für That, wie sie selber. Ich
darf manches vorausahnen, aber wissen darf ichs
nicht.
Herzliche
Ihr
Arthur.