B16: Brahm, Otto 2 Arthur Schnitzler an Brahm, Abschrift (Fortsetzung) , Seite 77

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1.°
Wien, 23.9.1912.
Lieber Freund.
Vielen Dank für Ihren Brief. Während mir Ihre andern
Bedenken weniger einleuchten teile ich Ihre Ansicht
über die Besetzungsschwierigkeiten im lessingtheater
durchaus. Aus dieser Ueberlegung ging ja auch meine
zugleich mit Absendung des Stückes an Sie gerichtete
Frage hervor, wie Sie sich die Besetzung des S/tückes
bei Ihnen überhaupt vorstellen. Diese Frage erlaube
ich mir heute zu wiederholen besonders in Hinblick
auf Ihre freundliche Absicht zur eventuellen Premiere
oder einer Wiederholung nach Wien zu kommen, „wenn ich
bis dahin das Stück für Berlin nicht vergeben hätte."
Ob es zweckmässig für mich ist weitere Verhandlungen
mit andern Berliner Bühnen (es kommt wohl ernstlich
nur Barnowsky in Betracht) vorläufig zu unterlassen,
darüber kann ich mir natürlich erst dann eine Meinung
bilden, wenn mir überhaupt eine Möglichkeit vorhanden
scheint, dass das Tessingtheater für die Hauptrollen
entsprechende Vertreter besitzt oder im Ernstfall
23.9.12.
der Bernhardi-Aufführung besitzen würde. Vom Volks-
theater ist die Komödie mit unverkennbarer Freude ak-
zeptiert worden; gestern habe ich mit Glückmann die
Besetzung besprochen, die, wenn allen meinen Wünschen
willfahrt werden sollte, sehr gut sein wird. Als Termin
ist Anfang Dezember in Aussicht genommen, doch halte ich
es aus verschiedenen Gründen für wahrscheinlicher, dass
wie auch im Kontrakt vorgesehen ist, Jänner werden
dürfte. Wie die Zensur sich zu der Angelegenheit stel-
len wird, ist freilich noch nicht abzusehen. Auch eine
Verschleppung könnte von dieser Seite drohen, da es ja
ohne Zensurbeirat diesmal nicht abgehen dürfte. Darf
ich Sie bitten mir die Fahnen des „Bernhardi" gelegent-
lich zurückschicken zu lassen?
Herzlichst, mit Grüssen von uns Allen.
A.S.