A53: Der Geist im Wort und der Geist in der Tat, Seite 24

einer gewissen aristokratischen inneren Lebens¬
haltung, einen spielerisch angelegten Geist, dem
es weniger auf die. Vollendung eines Werkes an¬
kommt als auf die Schaffens- oder Spielfreude
an sich. Manchmal wieder nennt man so irgend¬
ein mäßig begabtes Individuum, das sich an Auf¬
gaben heranwagt, denen es nicht gewachsen ist,
und das durch seine unbegründeten Ambitionen
kläglich oder lächerlich erscheint.
Der Dilettantismus als Seelenzustand hat
mit dem Grad der Begabung nichts zu tun.
Literaten sind dilettantischen Seelenzustän¬
den weniger unterworfen (und müssen sich auch
mehr vor ihnen hüten) als Dichter. Es gibt
eine Art von Dilettantismus, für den als rich-
tigere Bezeichnung das aus der Pychopathologie
geholte, in Laienkreisen wenig populäre Wort
Matoidismus in Frage käme, ein Zustand, der
sich in Kürze als eine Verbindung von Schwach-
sinn mit irgendeiner spezifischen, meist künstle-
rischen Begabung in wechselnden Mischungsver-
hältnissen charakterisieren ließe. Es gibt Matoide,
die gelegentlich wie bizarre Talente, andere
(oder die gleichen bei anderer Gelegenheit), die
wie Flachköpfe oder wie Narren wirken.
Es gibt Dichter von hohem Rang, die zu
manchen Epochen ihrer Existenz oder in Be¬
ziehung auf das eine oder andere Werk dilettan-
tisch eingestellt waren. Und es gibt auch Dich-
ter, nicht nur Literaten von dichterischer Be¬
gabung, — die eine zweifellos matoide Anlage
aufweisen. (Manche der sogenannten „verkann¬
ten Genies“ gehören hierher.)
Der Seelenzustand des Feuilletonismus ge-
hört (im Gegensatz zu dem des Dilettantismus)
zu denjenigen, die eine Affinität wohl nur zu
den Typen des negativen Gebietes zeigen, und
zwar besteht eine besonders starke Affinität des
Seelenzustandes Feuilletonismus zur
Geistesverfassung Journalismus.
Das Charakteristische des feuilletonisti¬
schen Seelenzustandes: Mangel an Verantwor-
tungsgefühl, Gleichgültigkeit gegenüber dem
„Wesentlichen“, Unsachlichkeit, Oberflächlich-
keit; all dies prädisponiert natürlich bei Vorhan¬
densein einer spezifischen schriftstellerischen Be¬
gabung zur Anwendung resp. Beherrschung
jener künstlerischen Form, die wir Feuilleton
nennen. Es gibt Feuilletonisten von Beruf, es
gibt auch Feuilletonisten von Begabung, die
ihrem Seelenzustande nach (manchmal zu ihrem
Schaden) keineswegs Feuilletonisten sind.
Es gibt natürlich keine spezifische dil’et-
tantische Begabung. Es gibt nur spezifische
Begabungen irgendwelcher Art in Verbindung
mit einer dilettantischen Anlage oder einem
dilettantischen Seelenzustand. (Man kann den
Beruf eines Feuilletonisten, aber nicht den Beruf
eines Dilettanten ergreifen.)
Als Stimmungen bezeichnen wir Seelen.