A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 121

70
Franziska. War’s nicht zu schwül?
Agnes (betrachtet Toni wie mit einer geheimen Angst)
Toni. Ja. Sehr schwül. Besonders im Geh'n. Aber
allein kann man sich ja nirgends hinsetzen." Im Stadipark
hab' ich mich auf einer Bank ausruh'n wollen — gleich ist
einer gekommen und hat mit mir zu reden angefangen.
Agnes (schaut Franziska an).
Toni. So ist es immer. Nicht einmal vor dem schwar¬
zen Kleid haben die Leute Respekt. Aber was soll ich denn
thun? Im Zimmer halt ich's nicht mehr aus.
Franziska. Morgen um diese Zeit sind wir in unserem
Garten. Da ist frische Luft und Ruhe.
Toni (vor sich hin). Ruh' ist nur an einem Ort. — (Pause.)
Warum sehen Sie mich so an, Agnes?
Agnes (befangen). Ich? Nein, wirklich nicht!
Toni (nicht laut, zu Agnes, wie erklärend). Ich bin ja nicht
schuld. Auch von anderen Frauen sind schon Kinder ge-
storben.
Franziska. Toni!
Agnes (sehr befangen). Ich muß jetzt gehn. Adieu, Franz
Adieu, Toni!
Franziska. Du willst schon gehn, Agnes
Agnes. Ich will später wiederkommen; die Mama
kommt auch noch herauf, Euch Adieu sagen, ich hol sie ab
— Adieu. (Sie reicht Toni die Hand.)
Toni (sieht sie groß an). Adieu!
Franziska (mit ihr an der Thür). Was hast Du denn?
Agnes. Ich weiß nicht, was das ist. Mir wird so
hang, wenn ich sie sehe.
Toni (sieht ihr nach).
5. Auftritt.
Toni. Franziska.
(Pause.)
Franziska. Ich muß noch in die Stadt gehen, Toni,
einiges einkaufen. Wollen Sie mit?
Toni. Nein.
Franziska. Kann ich Ihnen vielleicht etwas besorgen?
Toni. Wozu?
Franziska. Sie werden sich draußen doch irgendwie
beschäftigen wollen, nicht wahr? Vielleicht kann ich Ihnen
etwas zum Arbeiten bringen. Sie dürfen nicht immerfort
Ihren Gedanken nachhängen.
Toni. Es wird sich schon was finden.
Franziska. Wissen Sie, Toni, vielleicht können wir zu-
sammen was arbeiten.
Toni. Wir — zusammen!
Franziska (etwas befangen). Irgend was sticken — nicht
wahr — oder... Man muß doch wenigstens versuchen, die
traurigen Gedanken auf Augenblicke zu zerstreuen
Toni. Wenn man aber nichts Anderes hat.
Franziska. Wieso?
Toni. Nichts Anderes hat als die Gedanken — wenn
das Alles ist, was einem noch bleibt.
Franziska. Sagen Sie das nicht, Toni.
sind nicht allein.
Was bin ich denn heut noch
Toni. Nicht allein?
für Euch?
6. Auftritt.
Toni. Franziska. Gustav (kommt).
Gustav. Guten Tag, Fräulein Franziska! Grüß Dich
Gott, Toni! (Reicht ihnen beiden die Hand.) Also bleibt’s dabei?
Morgen früh?
Franziska. Ja. Werden Sie uns besuchen?
Gustav. Dazu werd' ich keine Zeit haben, Fräulein
Franziska, ich komme heute, Ihnen auf längere Zeit Adieu
sagen — und Dir auch, Toni —
Franziska. Für einen Sonntag werden Sie sich doch
einmal frei machen können? Wir würden uns Alle so sehr
Gustav (schüttelt den Kopf). Das glaub' ich nicht. Das
freuen.
Beste wäre, ich würd’ ein für alle Mal für Sie alle ver¬
schwinden. Ich kann nur traurige Erinnerungen in Ihnen
Toni (einfach). Mir wird's immer ein Trost sein, wenn
wachrufen.
Du kommst, Gustav!
Als Manuscript gedruckt.