A94: Der junge Medardus, Konvolut Zeitungsausschnitte mit historischem Material, Seite 13

Neue Freie Presse.
von ihm und seinen Briefen und Werken zu den Thermen
im Wienerwald spinnen. Als er das erstemal int Jahre 1818
nach Baden kam, faßte er in einem heute umgebauten und
durch eine darauf hindeutende Gedenktafel kenntlich ge
machten Häuschen in Gutenbrunn den Plan zur Trilogie des
„Goldenen Vließes“. Auch im Jahre 1858 zog der Dichter
wieder nach Baden, und von 1860 an weilte er jahraus
jahrein (mit Ausnahme des Sommers 1863) bis zun
Jahre vor seinem Tode als treuer Kurgast in den Mauern
des alten „Aquae“, das dem Gefeierten auch im Jahre 1874
im Stadtparke ein treffliches Bronzedenkmal setzte. Alle
Wohnungen Grillparzers konnte man genau feststellen und
seine Aufenthalte von Jahr zu Jahr nachweisen. Nun kan
jüngst ein etwas vergilbtes Blatt in meine Hände, das sick
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20. Mai 1909
Erinnerungsblatt der „Neuen Freien Presse“
anläßlich der Jahrhundertfeier von Aspern.
Wien, 19. Mat.
In der Beilage zur vorliegenden Nummer der
Neuen Freien Presse“ veröffentlichen wir eine
Reihe von Artikeln anläßlich der Jahrhundert¬
einer der ruhmreichen Schlacht von Aspern,
die zu den stolzesten Erinnerungen unserer Armee gehört
und der erste Sieg war, der gegen Napoleon in offener
Feldschlacht errungen wurde.
Das Erinnerungsblatt der „Neuen Freien
Presse“ enthält:
Einen Artikel aus der Feder Max Ritter v. Hoens:
Die Bedeutung der Schlacht bei Aspern";
einen Artikel von Hofrat Dr. H. M. v. Richter:
„Aspern“;
eine übersichtliche Karte des Schlacht¬
feldes, welche dem Leser willkommen sein
und die Lektüre dieser beiden Artikel er¬
leichtern dürfte.
1809.
Von Paul Zifferer.
Welch toller Fasching war vorhergegangen! Bälle,
Maskeraden, Schauspiele. Madame Händel spielte die
Phädra. Madame Elise Bürger ließ sich in plastisch¬
mimischen Darstellungen sehen, von denen man wochen-
lang sprach. Die Apollosäle wurden eröffnet. Fünf
Gulden kostete der Einlaß. Und doch drängte sich die
in pietätvoller Verwahrung aus dem Jahre 1864 bis heut
erhalten hat — der eigenhändig geschriebene Meldeschein des
Dichters an die Kurkommission. Der die einzelnen Frage¬
rubriken ausfüllende Text lautet: „Franz Grillparzer
k. k. Hofrat, 73 Jahre alt, katholisch, Geburtsort Wien, an
sässig in Wien, allein, Dauer des Aufenthaltes zwei Monate
ohne Dienstboten. Tag der Ankunft 4. Juli." Grillparzer
blieb in jenem Sommer nachweisbar nur bis 26. August in
Vaden und wohnte bei Frau Minna Amov im Haus
Theresiengasse Nr. 34 (heute nr. 10), in demselben Gebäude
das den Namen „Zum Fürsten von Metternich“ trägt und
dem von Grillparzer jahrelang bewohnten Herzogshause gegen.
über liegt. Wie sonderbar, daß es just das Haus war
welches von 1835 bis in die Vierzigerjahre dem von Grill
parzer so gehaßten Staatskanzler als Eigentum gehörte un
von ihm bewohnt wurde, just das Haus, in welchem zwei
Dezennien später der berühmte Dramatiker friedlich und ferne
vom Großstadttrubel seine Tage verbringen sollte
[Todesfall.] Gestern starb hier im 82. Lebensjahre
Nenge zu. „Wo ist nun wohl die Stadt, wo ist das
Herr David L. Schnabel, Begründer der Firma
Volk in Europa von so allgemein verbreitetem Wohl¬
tande," schrieb der ehemalige Kapellmeister Friedrichs des
D. L. Schnabel Söhne, Wien.
chen
Eine Automobilverbindung zwis
Großen, Reichhardt, der sich gerade damals in Wien auf¬
er Bukowina und Siebenbürgen.]
hielt, in sein Taschenbuch. Und mitten in die allgemeine
Czernowitz, 17. d., wird uns berichtet: Reichsrats¬
Lustbarkeit gellte der Krieg. Maria Ludovika, die jugend-
abgeordneter Graf Bellegarde hat dem Ministerpräsidenten
lich schöne Gemahlin des Kaisers Franz, wollte ihn. Sie
Baron Bienerth ein Memorandum überreicht, in welchem
haßte Napoleon. Und ihr Bruder, der Erzherzog Fer¬
die Forderung nach Errichtung einer Automobillinie von dem
dinand, nährte so eifrig diesen Haß, daß man ihn nicht
Kurorte Dornawatra in der Bukowina nach Bistrit
in Siebenbürgen gestellt wird. dadurch würde eine direkte
anders nannte als die „Kriegstrompete". Noch fliegen au
Verbindung zwischen der Bukowina und Siebenbürgen her
der Straße nach Schönbrunn flinke Läufer vor schau¬
stellt sein. Die Automobilinie soll sowohl für den Güter¬
kelnden Karossen einher. Hell beleuchtet sind alle Fenster
ls den Personenverkehr eingerichtet werden.
des kaiserlichen Schlosses. Aber gar ernste Dinge werden
[Der Schmuck der russischen Prima¬
besprochen. Lächelnde Höflinge begegnen nachdenklichen
allerina Anna Pawlowna.] Aus Berlin wird
tus gemeldet: Anna Pawlowna, die hier zur Zeit so Staatsmännern und finsteren Offizieren. Weiße Wassen¬
röcke, weiße, umständliche Halsbinden. Da ist Graf
iberaus geseierte Primaballerina des russischen Hofballeits
Metternich der junge Vertreter des österreichischen Hofes
hatte gestern nachts ihren herrlichen Brillantschmuck, der einen
zu Paris. Die Stirne von einer übermütigen Locke ge-
Wert von 100.000 Mark haben soll, verloren. Sie war gestern
peitscht, lachend die Augen, spöttisch der Mund. Schlank
abends im neuen königlichen Opernhause nach ihrer Woh
lung in einem hiesigen Hotel gefahren und hatte in einer
und schmiegsam die Gestalt, der man es anmerkt, wie
wohl sie sich im engen Diplomatensrak fühlt. Da ist
Handtasche den Schmuck verwahrt. Beim Aussteigen vergaß
ie die Tasche, und als sie nach einer Weile den Abgang
Graf Stadion, dessen kluge Augen ganz schief gestellt
utdeckte, war der Kutscher nicht mehr zu eruieren. Zu ihrer
sind, darunter tiese Tränensäcke, die dünnen, glatten Lippen
großen Freude erhielt sie heute die Nachricht, daß der
von strengen Falten gedrosselt. Und hinter den Diplo-
Kutscher die Tasche auf dem Polizeipräsidium abgegeben habe.
maten die Generale. Das gutmütige Prälatengesicht des
Er erhielt als Belohnung von der Künstlerin 800 Mark.
Freiherrn v. Hiller, die wild gesträubte, buschige Mähne
Tilin.! Ana!
Selbstmord einer Dame in d
des Grafen Bellegarde, die verknissenen Lippen und an¬
erlin wird uns berichtet: Frau Dr. W
kind, die
dächtigen Augen des Fürsten, Orsini-Rosenberg, der
vor einigen Tagen einen Selbstmordversuch beging, weil sie
Νaboleon-Kopf des Baron Wimpfsen, das feine, liebens-
ich von ihrem Gatten hintergangen glaubte, ist heute ihren
würdige Aristokratengesicht des Fürsten Liechtenstein, das
Verletzungen erlegen.
[Bad Vöslau.] Aus Vößlau wird uns geschrieben:
junge, rundliche Antlitz des Gräsen Radetzky, die massig
Sonntag den 15. d. wurde hier die Saison durch Eröffnung d
vorstürmende Gestalt des Fürsten Schwarzenberg. Ganz
großen Schwimmteiches eingeleitet. Das herrliche Sonntagswet
im Vordergrunde Kaiser Franz selber mit seinen weichen,
hatte denn auch viele Gäste zum Baden veranlaßt, und dieselben
sanften Zügen. Die Nase in einer Linie mit der geraden,
waren voll des Lobes über die große Erquirkung, die ihnen das
steilen Stirne, vorgewölbt die Lippen. Sehr ähnlich
Bad in dem so herrlich schönen, jetzt, wo alles blüht und grünt,
seinen Brüdern: dem klugen, besonnenen Erzherzog
doppelt schötten Teiche bot. Unser Kurort wird in der heurigen
Saison auch noch verschiedene Neuerungen bieten, so wurden und
Rainer, dem freimütig-offenen Erzherzog Johann, dem
werden neu eingeführt: Familienbäder im großen Teiche jeder
Palatin Josef, dessen hageres Antlitz harte, strenge Falten
Samstag von 2 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends, für Sonnen¬
durchfurchen. Und dann ihm, dem Generalissimus: Erz¬
bäder werden Strecksauteuils gegen die geringe Leihgebühr von
20 Hellern per Stunde bereit stehen, Heißluft, Sauerstoff, Ozet¬
herzog Karl. Wir kennen sein Jugendbildnis, wie er mit
Bäder, mit allen existierenden medizinischen Zusätzen verbunde
halbgeschlossenen Augen dasteht, trotzig den Mund, taten-
Wannenbäder werden nun ebenfalls abaegeben. Endlich wurde d
durstig. Dann hoch zu Rosse, wie er tollkühn, die Fahne
maschinelle Betrieb durch elektrische Anlagen verbessert, so daß die
in der Faust, mitten in den Ruhm sprengt. Und aber-
östers beklagte Rauch- und Ruszplage wegsällt, und anderes mehr.
mals einige Jahre später, wieder in der Generalsuniform
[Tobelbad.] Dieser alte steiermärkische Kurort ist unte
das Goldene Vließ um den Hals, die Arme lässig über
einer neuen Verwaltung auf das vornehmste adoptiert und modernst
ausgestattet worden. Die seit attersher bekannten Akratothermen
dem Degen gekreuzt. Das Haar bäumt sich zu einer
(Ferdinandsbad 26 Grad, Ludwigsbad 30 Grad), welche ungemein
hohen Welle, jeder Muskel des Antlitzes ist gestrafft. Die
ergiebig sind und deren Radioaktivität durch die kürzlich erfolgt
Lippen fest zusammengepreßt, aber, ach, so müde, ent¬
Untersuchung des Professors Dr. Stephan Mayer (k. k. Physikali-
sches Universitätsinstitut Wien) nach Gastein an dritter Stelle von
täuscht der Blick.
stark radioaktiven Quellen rangieren, wurden neu gefaßt und haben
Er war gegen den Krieg, der Erzherzog Karl. Er
lgende Indikationen: Rheumatismus, Gicht, Ischias, Frauen
wollte für seine Reformen Zeit gewinnen: er wußte,