B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 7

1 13
1F1
P.S.
Kopenhagen, 22.1.1899
Lieber Herr Doctor!
Es war ein Fehler von mir, dass ich nicht für die Novvellensamm-
lung dankte, ich habe sie mit grosser Aufmerksamkeit gelesen. Für mich
ist die Novelle, die zuerst in Cosmonolis stand - ich erinnere mich
nicht des Titels - ein Meisterwerk erstaunlich wahr und packend; nur
ein (sehr kleiner) Fehler gegen den Schluss, dass die Frau zuletzt
alles gesteht. Als ob Frauen je geständen, wenn keine Beweise vor-
liegen, und wenn sie keinem absolut überlegenen Mann gegenüberstehen!
Ein wahres Meisterwerk ist es dennoch.
Meine Gedichte! Was soll ich darüber sagen. Lesen Sie Dänisch,
so werden Sie einräumen, dass zwei oder drei sehr gut sind "Reconva¬
lesent-Besuch" und "HaraldHaarhager in Finmarken". Es ist eine Art
Jugend-Tagebuch.- Ich liege noch immer zu Bett, schon 5 Wochen, Sie
wissen ja, was Venenentzündung ist. Doch ist es diesmal anscheinend nicht
schlimm.
Beste Grüsse
Sie haben wohl meinen Protest gegen die Ausweisung der Dänen gelesen
oder auch nicht. 100 Zeitungen aller Länder haben ihn abgedruckt, aber
die Neue Freie ist ja preussisch.
Kopenhagen, 10. März 99.
Liebster Dr. Schnitzler, xxx
Ich bin leider noch im Bett; bald sind jetzt drei Monate ver-
gangen. Ich schreibe Ihnen heute, weil ich Jemandem gestern eine Karte
für Sie gab und nicht will, dass Sie sich dadurch im Geringsten ver-
pflichtet glauben sollen. Es war mir nicht möglich Nein zu sagen. Es
ist der dänische Schriftsteller Karl Larsen, ein talentvoller Men-
gewissenhafter Psycholog, sehr feinhörig in allem Sprachlichen ein
für von sich spricht
wahrer Phonograph, aber langweilig, weil er i
immer nur an seinen literarischen Vortheil denkt und Kritiken und
öffentliches Lob haben will. Sie kennen den Typus, Aber er kann Ihnen
jedenfalls einen Gruss aus Kopenhagen bringen.
Georg Brandes
So entzückt ich war über Ihr letztes grössere
sten Akt stirbt -
entsinne mich des Titels nicht - wo der junge Mann im er
so fremd ist mir der kl. Einakter, den Sie mir kürzlich schickten. Ich
weiss ja nicht, ob irgend eine historische Notiz zu Grunde liegt, sonst
aber kommt die Idee mir sonderbar vor, dass vornehme Leute -seien sie
auch noch so abgespannt — eine Kneipe besuchen sollten um sich von Schau¬
spielern resolutionäre Soenen vorspielen zu lassen. Es ist so verdammt
künstlich, so "ausklamüstirt" wie die Norddeutschen sagen.
Sonst wissen Sie, dass ich in Sie verliebt bin und alles was Sie
machen gut finde und jede Gelegenheit ergreife Sie mündlich und schrift-
lich zu preisen.
Ist es nicht sonderbar? Mein so ruhiges und würdiges Manifest an
die Deutschen haben sowohl die Neue freie Presse wie die Frankfurter Zei-
tung abgewiesen. Nun versuche ich mein Glück bei Berth's Die Nation. Ich
lasse es in allen Sprachen sonst erscheinen. Es ist ein Bögen gross über
die schleswigsche Sache.