(6.10.11)
genügende Adresse)
Kope
er 1911.
Verehrter und lieber Freund.
sir der eigentliche Vertreter dieses Geistes.-3 Ihr
Graf Prozor, russischer Diplomat, vieljähriger Uebersetzer Ibsens
ins Französische - er hat zur Frau eine schwedische Gräfin und kennt
unsere Sprachen - hat eine Tochter, die durch die Wirksamkeit des Va-
ters Ibsen-Enthusiastin und Ibsen-Darstellerin geworden ist.
Fräulein Prozor soll am12.ten in Wien Hedda spielen.
Der Vater hat mich wiederholt gebeten, ihr die Bahn zu ebenen durch
einen Artikel in der N.fr.Presse. Ich antwortete ihm 1) dass ich in
keinerlei Verbindung mit der N.fr.Presse stehe 2) dass ich seine
Tochter xxx nie gesehen habe. Er gibt nicht nach, fleht immer als al-
ter Freund, ich möge jemand in Wien seinethalber plagen.
Ich kenne Niemand, der mit Theatersachen irgendwie in Berührung steht,
als Sie allein.
Meine Bitte ist also: fordern Sie, lieber Freund und in Wien gewiss nicht
ohnmächtiger Meister, irgend einen Journalisten auf, das Frl. Prozor
(in der Truppe von Susanne Depfës) zu interviewen und für sie ein
wenig Stimmung zu machen.
Dies ma corvée.
Aber ich mag nicht dieslangweilige Zeug abschicken ohne Ihnen aufs Neue
zu sagen, wie lieb ich Sie trotz der Entfernung und meines Alters habe,
und wie gerne ich Sie wiedersähe.
Ich habe in Italien, Frankreich und Dänemark in diesem Frühjahr 3 Mona-
te durch Venenentzündung verloren. Ich war jetzt in Schottland, weil die
Universität St. Andreas mich à l'occasion seines 500 jährigen Bestehens
zum Ehrendoktor ernannt hatte. So sah ich allerlei Malerisches in Schott
land,
- 2 -
(6.10.11)
Kopen Fürch, in Wien u. Wien in den Härzern
avoegade
19. Oktober 1911.
Ich weiss gedoch, dass andrer Geist in Wien als in Edinburgh ist,
und Sie sind mir der eigentliche Vertreter dieses Geistes.-Ö Ihr
in alter Freundschaft ergebner xxx sehr empfänglich
Georg Brandes.
Ich habe leider Ihre Adresse vergessen, was den Brief verspäten wird.
Disse Menschen, die Sie dort darstellen, stehen vor Augen als
wirkliche individualitäten, voll und rund und originell, mit Eigen-
schaften und Eigenheiten, die ein Ensemble ausmachen. Die Nebenfi-
guren wie Nauter, oder die amüsant Karikierten, wie Rhon und Serknitz,
sind nicht weniger unvergesslich, als die tiefeinnig studierten und
rätselvollen wie Friedrich, Genia und die eine ganze Seele, Erna.
Ich würde nichts darüber schreiben können, das etwas hinzufügte an
die Wirkung, und nichts, das irgend etwas erklärte, denn alles er-
klärt sich von selbst.
Sie lieben es, die Nebentriebe und Nebenpassionen zu verfolgen,
die Sprüge und Seitensprünge des Gefehlsiebens, alles Getheilte,
das von dem Hauptstamm sich ablöst, auszubreiten. Die Welt, so gese-
hen, ist auf eine spezielle Weize traurig. Meiner Gefühlert nach ware,
um das Bild zu supplieren, auch das Erhebende, das ab und zu, wenn
auch sehr selten uns begegnet, ich meine: das, was das Leben ertrag-
lich machte, mit in Rechenschaft zu ziehen. Ich bin, glaub ich, im
Canzen peseimistischer als Sie, aber dennoch empfinde ich einige
Ruhepunkte, und man muss das, soll man sich nicht töten. Man muss z.B.
jemand vertrauen können; in der hier vorgeführten sehr reichen und
schillernden Welt, ist aber jedes Vertrauen unmöglich; alle arbeiten
sich von ihren Neigungen und Bänden los.
genügende Adresse)
Kope
er 1911.
Verehrter und lieber Freund.
sir der eigentliche Vertreter dieses Geistes.-3 Ihr
Graf Prozor, russischer Diplomat, vieljähriger Uebersetzer Ibsens
ins Französische - er hat zur Frau eine schwedische Gräfin und kennt
unsere Sprachen - hat eine Tochter, die durch die Wirksamkeit des Va-
ters Ibsen-Enthusiastin und Ibsen-Darstellerin geworden ist.
Fräulein Prozor soll am12.ten in Wien Hedda spielen.
Der Vater hat mich wiederholt gebeten, ihr die Bahn zu ebenen durch
einen Artikel in der N.fr.Presse. Ich antwortete ihm 1) dass ich in
keinerlei Verbindung mit der N.fr.Presse stehe 2) dass ich seine
Tochter xxx nie gesehen habe. Er gibt nicht nach, fleht immer als al-
ter Freund, ich möge jemand in Wien seinethalber plagen.
Ich kenne Niemand, der mit Theatersachen irgendwie in Berührung steht,
als Sie allein.
Meine Bitte ist also: fordern Sie, lieber Freund und in Wien gewiss nicht
ohnmächtiger Meister, irgend einen Journalisten auf, das Frl. Prozor
(in der Truppe von Susanne Depfës) zu interviewen und für sie ein
wenig Stimmung zu machen.
Dies ma corvée.
Aber ich mag nicht dieslangweilige Zeug abschicken ohne Ihnen aufs Neue
zu sagen, wie lieb ich Sie trotz der Entfernung und meines Alters habe,
und wie gerne ich Sie wiedersähe.
Ich habe in Italien, Frankreich und Dänemark in diesem Frühjahr 3 Mona-
te durch Venenentzündung verloren. Ich war jetzt in Schottland, weil die
Universität St. Andreas mich à l'occasion seines 500 jährigen Bestehens
zum Ehrendoktor ernannt hatte. So sah ich allerlei Malerisches in Schott
land,
- 2 -
(6.10.11)
Kopen Fürch, in Wien u. Wien in den Härzern
avoegade
19. Oktober 1911.
Ich weiss gedoch, dass andrer Geist in Wien als in Edinburgh ist,
und Sie sind mir der eigentliche Vertreter dieses Geistes.-Ö Ihr
in alter Freundschaft ergebner xxx sehr empfänglich
Georg Brandes.
Ich habe leider Ihre Adresse vergessen, was den Brief verspäten wird.
Disse Menschen, die Sie dort darstellen, stehen vor Augen als
wirkliche individualitäten, voll und rund und originell, mit Eigen-
schaften und Eigenheiten, die ein Ensemble ausmachen. Die Nebenfi-
guren wie Nauter, oder die amüsant Karikierten, wie Rhon und Serknitz,
sind nicht weniger unvergesslich, als die tiefeinnig studierten und
rätselvollen wie Friedrich, Genia und die eine ganze Seele, Erna.
Ich würde nichts darüber schreiben können, das etwas hinzufügte an
die Wirkung, und nichts, das irgend etwas erklärte, denn alles er-
klärt sich von selbst.
Sie lieben es, die Nebentriebe und Nebenpassionen zu verfolgen,
die Sprüge und Seitensprünge des Gefehlsiebens, alles Getheilte,
das von dem Hauptstamm sich ablöst, auszubreiten. Die Welt, so gese-
hen, ist auf eine spezielle Weize traurig. Meiner Gefühlert nach ware,
um das Bild zu supplieren, auch das Erhebende, das ab und zu, wenn
auch sehr selten uns begegnet, ich meine: das, was das Leben ertrag-
lich machte, mit in Rechenschaft zu ziehen. Ich bin, glaub ich, im
Canzen peseimistischer als Sie, aber dennoch empfinde ich einige
Ruhepunkte, und man muss das, soll man sich nicht töten. Man muss z.B.
jemand vertrauen können; in der hier vorgeführten sehr reichen und
schillernden Welt, ist aber jedes Vertrauen unmöglich; alle arbeiten
sich von ihren Neigungen und Bänden los.