igen, 16. Jan. 1897
V. v. M.
Liebster Herr Schaitzler.
Kopenjagen, 6.Oktober 1896.
Lieber Herr Schnitzler!
ertungen nicht
Könnten Sie mir nicht ein Bischen zu Hülfe kommen. Mir wird ein
Numero der Zeit geschickt, worin als von mir eingesandt ein Bruch-
stück meines alten Buches über Polen sich findet. Es ist vor 10
Jahren herausgegeben, und die Zeitangaben passen darauf; nun steht es
da als von heute stammend. Wenn ich doch wenigstens eine Korrektur dieser
Sachen sähe! Es wimmelt von Missverständnissen. Die Fehler sind der¬
art, dass das dänische Wort Roedsel (horror, horreur, Schrecken) über-
setzt ist Räthsel. Ich erfahre, dass kürzlich in Berlin ein Buch mit
meinem Namen versehen erschienen ist. Aus dem Reiche des Absolutismus (!)
Welcher Titel. Es sind wohl meine „Eindrücke aus Russland“. Es ist mir
nicht geschickt worden. Es ist der 9te nicht autorisierte Band von mir
in einem Jahre.
Ihr ergebener
Georg Brandes
gewisser-
vielen so schön und lebendig gezeichneten
massen ein Fehler, das
Nebenpersonen - meisterhaft sind sie, und mit so viel Kenntnis und Er¬
fahrung hervorgebracht - dass diese also ganz und gar nicht in die Hand-
lung eingreifen. Das ist mangelhafte Technik, nicht mehr?
Alle diese Einwendungen mache ich um mein Renommée als Kritiker nicht
ganz preissagaben, denn mein Vergnügen ist nur Sie zu leben. Wir werden
alle dümmer, wenn man uns lobt, aber wir werden es ohnehin, und es gibt
keine angenehmere Weise, dümmer zu werden. Deshalb liebe ich selbst so
sehr gelobt zu werden. Als ich noch meine beiden kleinen Mädchen hatte -
Kopenhagen, 16. Jän. 1897
1 „ „ 4 „ — „ =
Liebster Herr Schnitzler.
auf die Frage:
ich habe eine
den Markt und die Nummer,
En sûtre
Sie wissen: Alles was Sie schreiben interessiert mich, deshalb war
ich auf Ihr Stück gespannt und natürlich es hat meine Erwartungen nicht
getäuscht. Es interessiert lebhaft, es spannt und hält in Atem bis zum
letzten Wort.
en, glaat
leichtlebig
Es mag sein wie Sie sagen, dass es etwas trocken wirkt, d.h.etwas
knapp, thesenartig, wenn es auch nicht so gefühlt ist. Ich verstehe Sie
recht wohl wenn Sie sagen, dass die weibliche Hauptfigur einen "Sprung"
bekam. Der Ausdruck war mir neu, aber die Sache ist mir bekannt. Das ist
sogar auch mir einmal geschehen und es macht immerhin einen unangenehmen
Eindruck, kann auch der Produktion schädlich sein. Ibsen sagte mir
einmal: Ich kenne zuletzt die Personen, die ich darstellen werden, so ge-
nau, dass ich bei meinem Mann sogar die zwei Knöpfe sehe hinten an sei-
nem Rock, die er selbst nicht sieht... So lange haben Sie sich mit
diesen Personen nicht beschäftigt, dass Sie diese zwei Knöpfe gesehen
haben. Deshalb sind die Gestalten vielleicht nicht rund, nicht stereos-
kopisch genug. Die Liebe zwischen Paul und Anna ist zu knapp behandelt,
nicht indivieuell genug, nur indiciert. Auch scheint es mir gewisser-
massen ein Fehler, dass die vielen so schön und lebendig gezeichneten
Nebenpersonen - meisterhaft sind sie, und mit so viel Kenntnis und Er-
fahrung hervorgebracht - dass diese also ganz und gar nicht in die Hand-
lung eingreifen. Das ist mangelhafte Technik, nicht wahr?
Alle diese Einwendungen mache ich um mein Renommée als Kritiker nicht
ganz preiszugeben, denn mein Vergnügen ist nur Sie zu loben. Wir werden
alle dümmer, wenn man uns lobt, aber wir werden es ohnehin, und es gibt
keine angenehmere Weise, dümmer zu werden. Deshalb liebe ich selbst so
sehr gelobt zu werden. Als ich noch meine beiden kleinen Mädchen hatte -
V. v. M.
Liebster Herr Schaitzler.
Kopenjagen, 6.Oktober 1896.
Lieber Herr Schnitzler!
ertungen nicht
Könnten Sie mir nicht ein Bischen zu Hülfe kommen. Mir wird ein
Numero der Zeit geschickt, worin als von mir eingesandt ein Bruch-
stück meines alten Buches über Polen sich findet. Es ist vor 10
Jahren herausgegeben, und die Zeitangaben passen darauf; nun steht es
da als von heute stammend. Wenn ich doch wenigstens eine Korrektur dieser
Sachen sähe! Es wimmelt von Missverständnissen. Die Fehler sind der¬
art, dass das dänische Wort Roedsel (horror, horreur, Schrecken) über-
setzt ist Räthsel. Ich erfahre, dass kürzlich in Berlin ein Buch mit
meinem Namen versehen erschienen ist. Aus dem Reiche des Absolutismus (!)
Welcher Titel. Es sind wohl meine „Eindrücke aus Russland“. Es ist mir
nicht geschickt worden. Es ist der 9te nicht autorisierte Band von mir
in einem Jahre.
Ihr ergebener
Georg Brandes
gewisser-
vielen so schön und lebendig gezeichneten
massen ein Fehler, das
Nebenpersonen - meisterhaft sind sie, und mit so viel Kenntnis und Er¬
fahrung hervorgebracht - dass diese also ganz und gar nicht in die Hand-
lung eingreifen. Das ist mangelhafte Technik, nicht mehr?
Alle diese Einwendungen mache ich um mein Renommée als Kritiker nicht
ganz preissagaben, denn mein Vergnügen ist nur Sie zu leben. Wir werden
alle dümmer, wenn man uns lobt, aber wir werden es ohnehin, und es gibt
keine angenehmere Weise, dümmer zu werden. Deshalb liebe ich selbst so
sehr gelobt zu werden. Als ich noch meine beiden kleinen Mädchen hatte -
Kopenhagen, 16. Jän. 1897
1 „ „ 4 „ — „ =
Liebster Herr Schnitzler.
auf die Frage:
ich habe eine
den Markt und die Nummer,
En sûtre
Sie wissen: Alles was Sie schreiben interessiert mich, deshalb war
ich auf Ihr Stück gespannt und natürlich es hat meine Erwartungen nicht
getäuscht. Es interessiert lebhaft, es spannt und hält in Atem bis zum
letzten Wort.
en, glaat
leichtlebig
Es mag sein wie Sie sagen, dass es etwas trocken wirkt, d.h.etwas
knapp, thesenartig, wenn es auch nicht so gefühlt ist. Ich verstehe Sie
recht wohl wenn Sie sagen, dass die weibliche Hauptfigur einen "Sprung"
bekam. Der Ausdruck war mir neu, aber die Sache ist mir bekannt. Das ist
sogar auch mir einmal geschehen und es macht immerhin einen unangenehmen
Eindruck, kann auch der Produktion schädlich sein. Ibsen sagte mir
einmal: Ich kenne zuletzt die Personen, die ich darstellen werden, so ge-
nau, dass ich bei meinem Mann sogar die zwei Knöpfe sehe hinten an sei-
nem Rock, die er selbst nicht sieht... So lange haben Sie sich mit
diesen Personen nicht beschäftigt, dass Sie diese zwei Knöpfe gesehen
haben. Deshalb sind die Gestalten vielleicht nicht rund, nicht stereos-
kopisch genug. Die Liebe zwischen Paul und Anna ist zu knapp behandelt,
nicht indivieuell genug, nur indiciert. Auch scheint es mir gewisser-
massen ein Fehler, dass die vielen so schön und lebendig gezeichneten
Nebenpersonen - meisterhaft sind sie, und mit so viel Kenntnis und Er-
fahrung hervorgebracht - dass diese also ganz und gar nicht in die Hand-
lung eingreifen. Das ist mangelhafte Technik, nicht wahr?
Alle diese Einwendungen mache ich um mein Renommée als Kritiker nicht
ganz preiszugeben, denn mein Vergnügen ist nur Sie zu loben. Wir werden
alle dümmer, wenn man uns lobt, aber wir werden es ohnehin, und es gibt
keine angenehmere Weise, dümmer zu werden. Deshalb liebe ich selbst so
sehr gelobt zu werden. Als ich noch meine beiden kleinen Mädchen hatte -