B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 13

V. P. I. S.
Wien, 31.12.97.
IX, Frankgasse 1.
Verehrtester Herr Brandes,
Was für eine erfreuliche Nachricht, als erste nach
so langer Zeit! Sowohl Beer-Hofmann als ich sind in Wien und freuen
uns sehr, Sie sobald wiederzusehen. Als Hotel wird mir in der letzten
Zeit das "Residenz-Hotel" in der Einfaltstrasse, sehr gut gelegen,
empfohlen; es ist nicht absolut ersten Ranges, scheint mir aber an-
genehmer als die grossen Hotels, Imperial, Grand Hotel, Bristol. Viel-
leicht schreiben Sie mir noch näheres über Ihre Wünsche; Auf eine
weitere Nachricht vor Ihrem Kommen dürfen wir ja hoffen?
Mit herzlichen Grüssen Ihr ergebenster
Arthur Schnitzler
1,1,45
„ „
Wien, 27.3.98.
Verehrtester Herr Brandes,
es war wirklich nicht nowendig, uns für etwas zu danken,
was uns selbst so viel Freude gemacht hat wie die Möglichkeit, während
Ihres Wiener Aufenthalts einige Stunden mit Ihnen zu verbringen;
Jedenfalls aber freut mich Ihre liebe Nachricht aus Sicilien, die
mir von Ihrem Wohlbefinden so angenehme Kunde gibt. Über Ihre Aufnahme
in Rom hatte ich schon irgendwo gelesen; der ungestörte Fortgang Ihrer
Reise liess mich auch vermuthen, dass Sie von Hause günstige Mittei-
lungen erhielten, was mir nun durch Ihren Brief erfreulich bestätigt
wird. Wir haben auch aus Kopenhagen Ihre Bücher geschickt bekommen;
herzlichen Dank dafür. Den Band aus den Hauptströmungen hab ich schon
gekannt, in der früheren Ausgabe; dagegen habe ich Ihre Rede über das
Nationalgefühl zum ersten Mal gelesen. Ich glaube, dass sie als ein
wahres Muster ihrer Gattung gelten kann, da sie schwungvoll und sach-
lich zugleich ist.
Die Aufnahme des "Freiwild", nach der Sie sich erkundigen,
war hier am ersten Abend eine sehr gute; die Kritik war im ganzen wenig
wohlwollend. Sie wissen, dass ich selbst eine geringe Meinung von dem
künstlerischen Werth dieses Stücks habe; aber davon war wenig die Rede.
Dagegen ist bei der Besprechung der angeblichen Tendenz xxx viel
Bernirtheit und Verlogenheit aufgeflogen - wie Staubwolken, wenn ein
galoppirendes Ross über die Landstrasse jagt. Insbesondere die anti-
semitischen Blätter leisteten unglaubliches in Denunziationen. Es ist
schliesslich so weit gekommen, dass die Direktion des Theaters nach
sieben Vorstellungen "auf einen Vink von oben" (über den man mir selbst
nur unter 4 Augen Aufschluss geben wollte, was ich nicht annahm) das
Stück absetzte.-