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Reichen und Schiebern mangelt es in den neutralen Ländern, wie man weiss,
so wenig wie bei uns; - sie machen sich vielfach unangenehm bemerkbar, - und
viele Leute, Moralisten und Vergnügungsreisende beklagen sich und finden
es furchtbar, dass in derselben Stadt das schrecklichste Elend neben dem
lächerlichsten Lukus und fabelhafter Verschwendungssucht bestehen kann; -
aber neulich sagte einer unserer Staatsmänner (aus der nächsten Nähe
Renners) zu mir, dass es vielleicht die Schieber und Verschwender seien,
die uns retten oder wenigstens über Wasser halten-was nationalökonomisch
vielleicht seine Richtigkeit hat. Das entwertete Geld, das in Fluss kommt,
ist nie so gefährlich als das aus dem Verkehr gezogene;- und ein grosser
Theil unseres Unglücks liegt meiner Ueberzeugung nach in den Truhen der
Bauern, in Gestalt von Banknoten begraben. Hier liesse sich auch von dem
unglückseligen Verhältnis zwischen Stadt und Land reden, das für den Zu-
stand Oesterreichs so charakteristisch ist-aber das führte ins unendliche.
Man glaubt vielfach, dass schon die Neuwahlen im Herbst bei uns eine Nie-
derlage der Sozialdemokraten oder mindestens erhebliche Stimmenzunahme der
Christlichsozialen bringen werden;- zu ganz russischen- oder zu aanz un-
garischen Zuständen wird^es bei uns nie kommen, denn bei uns bringt man es
nie zum Fanstismus, sondern nur bis zur Lausbüberei (was aber in solchen
Zeitläuften immerhin für kleinen rothen und weissen Terror ausreichen mag.)
Die schlimmsten Rollen spielen, wie jederzeit, die Renegaten,- es hat seine
geschichtlichen und psychologischen Gründe, dass sich diese unerfreuliche und
gefährliche Spielart unter den Deutschen, den Juden und den Literaten am
häufigsten findet.- Aber ich will Ihnen doch um Gottesweillen keinen poli-
tischen Brief schreiben – schon darum weil es dann kein Brief sondern ein
Buch würde, - mit Parenthesen, Commentaren, kleingedruckten Anmerkungen;- denn
welcher Satz, welche Charakteristik dürfte ohne Einschränkung gelten?-Umso
lebhafter hätt ich das Bedürfnis wieder einmal mit Ihnen zu reden;- aber wann
Monsieur le ? „
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komme ich nach Dänemark, oder Sie nach Oesterreich?- Übrigens ist diese ver-
dammte Valuta, die ich daher doch nicht so ganz verdammen kann, Schuld daran,
dass ich mich in den letzten zwei Jahren trotz der fürchterlichen Geldent-
wertung mit den Meinigen ohne eigentliche "Sorgen" weitergebracht habe: in
Holland, Schweden, und auch bei Ihnen wurde einiges von mir gespielt; auch
Amerika fängt an sich zu melden,- und Beträge in nordischen Kronen, oder holl
Gulden, die früher gar nicht in Betracht kamenx gekommen wären, bedeuten für
uns heruntergekommene Oesterreicher schon etwas. Dass keiner von uns auf dem
gleichen Fuss wie vor dem Krieg oder auch noch 1916, 17 leben kann, ist selbst-
verständlich; ich habe neulich berechnet, dass ich, wenn ich z.B. meine Exis-
tenz nach der von 1914 einrichten wollte,- 1 1/2 - 2 Millionen Kronen als
(Jahresausgabe) brauchte- und wie ich es anstellen sollte, zu Schiff von Flo-
renz nach Amsterdam zu gelangen, (wie ich es im Mai 1914 getan) - das wird
mir auch wenn ich noch eine halbe Million zu lege, keiner sagen können. - Wir
wohnen in unserer alten kleinen Villa, die Sie kennen,- (für notwendige Re-
paraturen habe ich in diesem Jahr annähernd so viel bezahlt, als das Haus
1910 gekostet hat); in solches Heim in dieser Zeit zu haben, empfinden wir
als besondere Schicksalsgunst; - freilich war man nicht jederzeit sicher, dass
man es sich ungeschmälert erhalten würde;- aber bisher sind wir von Zwangs-
einquartierungen, Anforderungen,- ja sogar (wir wollen nichts verschreien)
von Einbrüchen verschont geblieben;- und auch die gelegentlich angedrohten
Plünderungen haben in Wien im allgemeinen nicht stattgefunden. Bisher. Da die
Weltgeschichte ja leider ungehindert weitergeht, ist nicht abzusehen, was wir
noch erleben werden. Im übrigen lebt man ja doch weiter - als könnte nichts
passieren. Meine Frau gebraucht eine Cur xxx Gastein, meine kleine Tochter
ist bei meinem Schwager und meiner Schwester in Altaussee, mein Sohn, achtzehn,
(hat die Matura gemacht, muss aber Mathematik wiederholen) - ist nach München
Reichen und Schiebern mangelt es in den neutralen Ländern, wie man weiss,
so wenig wie bei uns; - sie machen sich vielfach unangenehm bemerkbar, - und
viele Leute, Moralisten und Vergnügungsreisende beklagen sich und finden
es furchtbar, dass in derselben Stadt das schrecklichste Elend neben dem
lächerlichsten Lukus und fabelhafter Verschwendungssucht bestehen kann; -
aber neulich sagte einer unserer Staatsmänner (aus der nächsten Nähe
Renners) zu mir, dass es vielleicht die Schieber und Verschwender seien,
die uns retten oder wenigstens über Wasser halten-was nationalökonomisch
vielleicht seine Richtigkeit hat. Das entwertete Geld, das in Fluss kommt,
ist nie so gefährlich als das aus dem Verkehr gezogene;- und ein grosser
Theil unseres Unglücks liegt meiner Ueberzeugung nach in den Truhen der
Bauern, in Gestalt von Banknoten begraben. Hier liesse sich auch von dem
unglückseligen Verhältnis zwischen Stadt und Land reden, das für den Zu-
stand Oesterreichs so charakteristisch ist-aber das führte ins unendliche.
Man glaubt vielfach, dass schon die Neuwahlen im Herbst bei uns eine Nie-
derlage der Sozialdemokraten oder mindestens erhebliche Stimmenzunahme der
Christlichsozialen bringen werden;- zu ganz russischen- oder zu aanz un-
garischen Zuständen wird^es bei uns nie kommen, denn bei uns bringt man es
nie zum Fanstismus, sondern nur bis zur Lausbüberei (was aber in solchen
Zeitläuften immerhin für kleinen rothen und weissen Terror ausreichen mag.)
Die schlimmsten Rollen spielen, wie jederzeit, die Renegaten,- es hat seine
geschichtlichen und psychologischen Gründe, dass sich diese unerfreuliche und
gefährliche Spielart unter den Deutschen, den Juden und den Literaten am
häufigsten findet.- Aber ich will Ihnen doch um Gottesweillen keinen poli-
tischen Brief schreiben – schon darum weil es dann kein Brief sondern ein
Buch würde, - mit Parenthesen, Commentaren, kleingedruckten Anmerkungen;- denn
welcher Satz, welche Charakteristik dürfte ohne Einschränkung gelten?-Umso
lebhafter hätt ich das Bedürfnis wieder einmal mit Ihnen zu reden;- aber wann
Monsieur le ? „
- 3 -
komme ich nach Dänemark, oder Sie nach Oesterreich?- Übrigens ist diese ver-
dammte Valuta, die ich daher doch nicht so ganz verdammen kann, Schuld daran,
dass ich mich in den letzten zwei Jahren trotz der fürchterlichen Geldent-
wertung mit den Meinigen ohne eigentliche "Sorgen" weitergebracht habe: in
Holland, Schweden, und auch bei Ihnen wurde einiges von mir gespielt; auch
Amerika fängt an sich zu melden,- und Beträge in nordischen Kronen, oder holl
Gulden, die früher gar nicht in Betracht kamenx gekommen wären, bedeuten für
uns heruntergekommene Oesterreicher schon etwas. Dass keiner von uns auf dem
gleichen Fuss wie vor dem Krieg oder auch noch 1916, 17 leben kann, ist selbst-
verständlich; ich habe neulich berechnet, dass ich, wenn ich z.B. meine Exis-
tenz nach der von 1914 einrichten wollte,- 1 1/2 - 2 Millionen Kronen als
(Jahresausgabe) brauchte- und wie ich es anstellen sollte, zu Schiff von Flo-
renz nach Amsterdam zu gelangen, (wie ich es im Mai 1914 getan) - das wird
mir auch wenn ich noch eine halbe Million zu lege, keiner sagen können. - Wir
wohnen in unserer alten kleinen Villa, die Sie kennen,- (für notwendige Re-
paraturen habe ich in diesem Jahr annähernd so viel bezahlt, als das Haus
1910 gekostet hat); in solches Heim in dieser Zeit zu haben, empfinden wir
als besondere Schicksalsgunst; - freilich war man nicht jederzeit sicher, dass
man es sich ungeschmälert erhalten würde;- aber bisher sind wir von Zwangs-
einquartierungen, Anforderungen,- ja sogar (wir wollen nichts verschreien)
von Einbrüchen verschont geblieben;- und auch die gelegentlich angedrohten
Plünderungen haben in Wien im allgemeinen nicht stattgefunden. Bisher. Da die
Weltgeschichte ja leider ungehindert weitergeht, ist nicht abzusehen, was wir
noch erleben werden. Im übrigen lebt man ja doch weiter - als könnte nichts
passieren. Meine Frau gebraucht eine Cur xxx Gastein, meine kleine Tochter
ist bei meinem Schwager und meiner Schwester in Altaussee, mein Sohn, achtzehn,
(hat die Matura gemacht, muss aber Mathematik wiederholen) - ist nach München