Arthur Schnitzler
Des Abenteuers Lust und Rausch verweht,
Das Kinder sich am sichern Herde träumten,
So kehren Sie, wie gern, zurück, wo längst
In milder Heimat wohlumschlossnem Kreis
Mit offnen Armen die Verzeihung wartet.
Anina: Mich dünkt die Luft hier eben lind genug,
Die Gegend lieblich, heiter die Gesellschaft,
Und wir behagen beid' uns hier aufs beste.
Gudar: Doch ahnt' es Ihnen kaum vor wenig Wochen,
Daß Sie an einem Tisch mit solchem Volk
Anina: Mit solchem Volk?
Gudar:
Wie ich und meinesgleichen,
Zu Abend essen, Tür an Türe wohnen,
Zu Lustpartien sich gesellen würden!
Anina: Ich bin so kostbar nicht. Und niemand hat
Mir gegenüber Höflichkeit und Anstand
Nicht Mann noch Frau — mit einem Wort verletzt.
Baron von Santis, wenn auch laut beim Trunk,
Bleibt stets galant. Flaminia losen Munds,
Das merkt' ich wohl, ist dennoch herzensgut.
(etwas stockend): Und Casanova — ist ein Edelmann -
Gudar: Wie Santis ein Baron, wie ich ein Fürst,
Und wie Flaminia etwa Nonne wäre
Anina: And Casanova?
Gudar:
Nun, was den betrifft,
Wo man ihn findet, dort gehört er hin.
Und träf' ich übers Jahr als Exzellenz
In Spanien ihn; — in einer Diebsspelunke
Am Strand zu London — unter andern Strolchen;
Als Handelsmann mit Spitzen in Paris;
Als Dichter eines Schäferspiels in einem
Bretonschen Schloß; — als Polizeiagenten,
Als Millionär, als Bettler, selbst als Bürger,
Ich staunte nicht, so wenig als er selbst.
Und wenn er auch heut' nacht verlor, — es kann
Doch sein, daß er mit falschen Karten spielte,
So wie er oft mit wahren Worten lügt.
Dies ist Herr Casanova. Niemals war
Ein Gauner ehrlicher als er, und nie
Vertraut' ich einem Ehrenmann so wenig.
Und füg’ ich noch hinzu, daß nie ein Weib,
Das er begehrt, ihm seine Huld versagt,
So wissen Sie soviel wie alle Welt.
Die Schwestern
Anina: Wahrlich, ich hätte gern Sie jung gekannt.
Gudar: Mich —?
Anina: Denn von keinem andern sprachen Sie.
Gudar: Von Casanova nur. Der freilich so
Ins Leben sprang wie andre junge Leute
Und einstmals, denk' ich, enden wird wie sie
Anina (lächelnd): So weise, meinen Sie —?
Nein, so geschwätzig!
Gudar:
(Er grüßt und geht.)
Anina (eine Weile in Gedanken, nimmt ihren Brief wieder hervor, schreibt weiter, faltet den
Brief zusammen, tut ihn in einen Umschlag, schreibt die Adresse, ergreift die kleine Glocke, die auf dem
Tisch steht, klingelt nicht. überlegt, öffnet die Tür rechts, späht vorsichtig rechtes und links auf den Gang,
winkt; ein Kellner, jung, fast noch Knabe, 15 Jahre, Tito, sehr hübsch, tritt ein).
Tito: Gnädige Frau? Befehlen?
Anina: Sag mir — der Herr, der gestern mittag ankam (noch)
Tito: Welcher Herr? Es kamen einige Herren an
Anina (rasch): Herr Casanova wohnt nicht hier — bei euch?
Tito: Herr Casanova ist im Goldnen Löwen abgestiegen. Wir hatten
kein Zimmer mehr frei. Davon lebt der Goldne Löwe. Was soll ich Herrn
Casanova bestellen, gnädige Frau?
Anina (gibt ihm ein Goldstüc): Bestellen. nichts. Bring diesen Brief zu ihm.
Tito: Sofort. (Will gehen.)
Anina: Noch einen Augenblick.'s ist eine Wette,
Verstehst du? Also kommt's drauf an vor allem,
Daß es geheim bleibt. Drum verbirg den Brief.
Tito: O, die gnädige Frau können völlig unbesorgt sein. Und soll ich
die Antwort hierher bringen?
Anina: Nein, keine Antwort. Du entfernst dich gleich.
Tito: Und wenn Herr Casanova nicht zu Hause sein sollte, darf ich den
Brief in den Händen seines Dieners lassen?
Anina: Du läßt den Brief in jedem Falle dort.
Tito: Nur gebe ich der gnädigen Frau zu bedenken, daß der Diener viel¬
leicht ein verkleidetes Mädchen ist.
Anina: Du denkst?
Tito: Ich denke gar nichts. Ich weiß nicht einmal, ob Herr Casanova
mit einem Diener angekommen ist.
Anina: Nun also?
Tito: Aber es könnte auch irgendwer bei ihm versteckt sein. Im Schrank
im Bett
Anina: And warum vermutest du das?
Tito: Ich vermute gar nichts. Ich gebe der gnädigen Frau nur alle
Möglichkeiten zu bedenken.
Anina: Du bist sehr klug.. so kann man dir vertrau’n.
(Gibt ihm noch ein Goldstück.)
Des Abenteuers Lust und Rausch verweht,
Das Kinder sich am sichern Herde träumten,
So kehren Sie, wie gern, zurück, wo längst
In milder Heimat wohlumschlossnem Kreis
Mit offnen Armen die Verzeihung wartet.
Anina: Mich dünkt die Luft hier eben lind genug,
Die Gegend lieblich, heiter die Gesellschaft,
Und wir behagen beid' uns hier aufs beste.
Gudar: Doch ahnt' es Ihnen kaum vor wenig Wochen,
Daß Sie an einem Tisch mit solchem Volk
Anina: Mit solchem Volk?
Gudar:
Wie ich und meinesgleichen,
Zu Abend essen, Tür an Türe wohnen,
Zu Lustpartien sich gesellen würden!
Anina: Ich bin so kostbar nicht. Und niemand hat
Mir gegenüber Höflichkeit und Anstand
Nicht Mann noch Frau — mit einem Wort verletzt.
Baron von Santis, wenn auch laut beim Trunk,
Bleibt stets galant. Flaminia losen Munds,
Das merkt' ich wohl, ist dennoch herzensgut.
(etwas stockend): Und Casanova — ist ein Edelmann -
Gudar: Wie Santis ein Baron, wie ich ein Fürst,
Und wie Flaminia etwa Nonne wäre
Anina: And Casanova?
Gudar:
Nun, was den betrifft,
Wo man ihn findet, dort gehört er hin.
Und träf' ich übers Jahr als Exzellenz
In Spanien ihn; — in einer Diebsspelunke
Am Strand zu London — unter andern Strolchen;
Als Handelsmann mit Spitzen in Paris;
Als Dichter eines Schäferspiels in einem
Bretonschen Schloß; — als Polizeiagenten,
Als Millionär, als Bettler, selbst als Bürger,
Ich staunte nicht, so wenig als er selbst.
Und wenn er auch heut' nacht verlor, — es kann
Doch sein, daß er mit falschen Karten spielte,
So wie er oft mit wahren Worten lügt.
Dies ist Herr Casanova. Niemals war
Ein Gauner ehrlicher als er, und nie
Vertraut' ich einem Ehrenmann so wenig.
Und füg’ ich noch hinzu, daß nie ein Weib,
Das er begehrt, ihm seine Huld versagt,
So wissen Sie soviel wie alle Welt.
Die Schwestern
Anina: Wahrlich, ich hätte gern Sie jung gekannt.
Gudar: Mich —?
Anina: Denn von keinem andern sprachen Sie.
Gudar: Von Casanova nur. Der freilich so
Ins Leben sprang wie andre junge Leute
Und einstmals, denk' ich, enden wird wie sie
Anina (lächelnd): So weise, meinen Sie —?
Nein, so geschwätzig!
Gudar:
(Er grüßt und geht.)
Anina (eine Weile in Gedanken, nimmt ihren Brief wieder hervor, schreibt weiter, faltet den
Brief zusammen, tut ihn in einen Umschlag, schreibt die Adresse, ergreift die kleine Glocke, die auf dem
Tisch steht, klingelt nicht. überlegt, öffnet die Tür rechts, späht vorsichtig rechtes und links auf den Gang,
winkt; ein Kellner, jung, fast noch Knabe, 15 Jahre, Tito, sehr hübsch, tritt ein).
Tito: Gnädige Frau? Befehlen?
Anina: Sag mir — der Herr, der gestern mittag ankam (noch)
Tito: Welcher Herr? Es kamen einige Herren an
Anina (rasch): Herr Casanova wohnt nicht hier — bei euch?
Tito: Herr Casanova ist im Goldnen Löwen abgestiegen. Wir hatten
kein Zimmer mehr frei. Davon lebt der Goldne Löwe. Was soll ich Herrn
Casanova bestellen, gnädige Frau?
Anina (gibt ihm ein Goldstüc): Bestellen. nichts. Bring diesen Brief zu ihm.
Tito: Sofort. (Will gehen.)
Anina: Noch einen Augenblick.'s ist eine Wette,
Verstehst du? Also kommt's drauf an vor allem,
Daß es geheim bleibt. Drum verbirg den Brief.
Tito: O, die gnädige Frau können völlig unbesorgt sein. Und soll ich
die Antwort hierher bringen?
Anina: Nein, keine Antwort. Du entfernst dich gleich.
Tito: Und wenn Herr Casanova nicht zu Hause sein sollte, darf ich den
Brief in den Händen seines Dieners lassen?
Anina: Du läßt den Brief in jedem Falle dort.
Tito: Nur gebe ich der gnädigen Frau zu bedenken, daß der Diener viel¬
leicht ein verkleidetes Mädchen ist.
Anina: Du denkst?
Tito: Ich denke gar nichts. Ich weiß nicht einmal, ob Herr Casanova
mit einem Diener angekommen ist.
Anina: Nun also?
Tito: Aber es könnte auch irgendwer bei ihm versteckt sein. Im Schrank
im Bett
Anina: And warum vermutest du das?
Tito: Ich vermute gar nichts. Ich gebe der gnädigen Frau nur alle
Möglichkeiten zu bedenken.
Anina: Du bist sehr klug.. so kann man dir vertrau’n.
(Gibt ihm noch ein Goldstück.)