A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 45

Arthur Schnitzler
Sie werden gleich verstehn.
Casanova:
Nur bitte, schließen Sie das Fenster erst.
Andrea (schließt das Fenster).
Casanova (verneigt sich dankend, tritt nach vorn):
Nun mein Ersuchen, das — ich leugn’ es nicht —
Nach vierundzwanzigstündiger Bekanntschaft
Verwegen schiene — ständ' ich Ihnen nicht
Nach eigenem Gefühl als Freund genüber
Und wie gebotne Hand den Gegendruck,
So fordert Freundschaft Freundsthaft zum Entgelt.
(Er streckt ihm die Hand hin.)
Andrea (ergreift sie zögernd und läßt sie gleich wieder los).
Casanova: Auch daß ich Sie Kollegen heißen darf
Andrea: Sie sind Student?
Casanova: Ich war's. Ich bin's. Und glaube
In höherm Sinne werd' ich's immer sein.
Andrea: Student der Rechte —?
Und Philosophie.
Casanova:
Zwar nach den Regeln nicht, jedoch mit Eifer.
Andrea: Sie weilten an der Schule von Bologna?
Casanova: Von Padua. Doch war's mir nicht gegönnt,
Vom Born der Weisheit recht nach Lust zu trinken.
Denn halb aus Laune, halb zum Unterhalt
Spielt' ich des Abends im Orchester mit.
Andrea: Die Geige?
Casanova:
Ja. Und Sie sind Flötenbläser?
Andrea (etwas befremdet): Wie kommen Sie darauf
Der Lippen leicht
Casanova:
Geschwungne Form verrät's dem Kenner gleich.
Sie lieben die Musik?
Andrea (ablebnend): Wer liebt sie nicht?
Casanova: Sehr wahr. (Beginnt zu deklamieren.)
O, Himmelstochter, die von Sternen
Zu Sternen schwebt
Andrea:
Wie meinen Sie?
Casanova (lächelnd):
's ist nur
Der Anfang einer Ode.
Von —
Andrea:
Von mir.
Casanova:
Andrea: Sie machen Verse?
Nicht der Rede wert.
Casanova:
Da plaudr' ich nun, dieweil mir unterm Fuß
Der Boden brennt. Zur Sache denn, Herr Bassi.
Die Schwestern
(Rasch.)
Ich reise ab. Ich muß. Aus trift'gen Gründen.
Und zwar sofort. Und mir liegt viel daran,
Herrn von Gudar, was ich ihm schuldig bin,
Eh' ich den Ort verlasse, rückzustatten.
Er ist nicht reich. Sie sind's und hatten gestern
Viel Glück im Spiel. Und also bitt' ich Sie
Ein Edelmann den andern —, mir zu leihn,
Was ich an ihn, was er an Sie verlor —
Und was ihm viel, was Ihnen nichts bedeutet.
Andrea (böhnisch): Ihr Ernst, Herr Casanova?
Meine Späße
Casanova:
Sind witz'ger.
Andrea (wie oben): And Sie könnten glauben
Tausend
Casanova (sachlich):
Dukaten rund. Es bleibt ein überschuß,
So wenig Sie auf solchen Bettel anstehn,
Von fünfzig, den ich Ihnen bar bezahlte.
Den Wechsel, fällig binnen dreißig Tagen,
Hab' ich schon ausgestellt. Hier (auf die Unterschrift deutend): „Casanova“,
Mein Namenszug. Ich schwöre, daß er echt.
Andrea: Doch ausgestellt auf wen?
Auf mich natürlich.
Casanova:
Lausin in Brüssel,
Wem trau' ich sonst? Obzwar
Auch Herr Raspetti, der Bankier in Mailand
Von andern zu geschweigen — löst ihn ein.
Doch wünscht' ich's nicht; mir wär' es eine Ehre,
Mit Zinseszins nach abgelaufner Frist
Persönlich Ihnen meine Schuld zu zahlen.
Andrea (den Wechsel betrachtend):
In dreißig Tagen..
Ja, hier steht's geschrieben.
Casanova:
Doch schließ' ich zeitigern Termin nicht aus.
Andrea: Und wie — verzeihn Sie, ich bin nicht vertraut
Mit Geldgeschäften
Unter Ehrenmännern
Casanova:
Genügte wohl das Wort.
Gewiß. Jedoch
Andrea:
Casanova: Sie wollen Sicherheit. Das muß ich loben.
Ich gebe sie und zehnfach für einmal.
Der Wechsel wäre eins. Zum zweiten trag' ich
Den Namen Casanova. Doch Sie fragen,
Wo nimmt so rasch er die Dukaten her?