A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 47

zur Schnitzler
im werten Publiko was zu erzählen,
Es gäbe mancherlei. So bietet mir
Dreitausend Gulden Herr Jan Groth im Haag
Für eine Schild'rung meiner Kerkerhaft
Und wunderbaren Flucht und Rettung an.
G.H.F.P.
Andrea: Dreitausend? Und Sie schlugen aus! Warum?
Casanova: Nur ungern bin ich meiner Taten Herold.
Andrea: Davon war gestern abend nichts zu merken.
Casanova: Ein Spötter gar? So raten Sie mir selbst,
Wie widersteht man schöner Frau'n Bestürmung?
Sie hörten's. Man entriß mir den Bericht —
Wie stets. Bequemer wahrlich wär's, man hätte
Ein Büchlein gleich bereit, statt jeder Antwort,
Zu angemeßnem Preise zu verkaufen.
Und wär' der Einfall früher mir gekommen,
So wüßt' ich doch — blieb ich Gudar auch schuldig —
Zumindest, wie ich meine Zeche zahle
Und Angeld meinem Kutscher.
Andrea:
Wie —? Auch das —?
So steht's mit Ihnen?
Casanova:
Für den Augenblick.
Es wär' nicht schlimm, wenn man nicht reisen müßte.
Andrea (nach kurzer Pause wie mit einem Entschluß):
Nun denn, Sie sollen die Dukaten haben.
Die tausend für Gudar und auch die fünfzig
Auf die großmütig Sie verzichten wollten,
Den „Überschuß“ — für Wirt und Reisewagen
Casanova: So und nicht anders hab' ich mir's erwartet.
Von heut' ab — nehmen Sie's statt jedes Danks -
Lebt Ihnen auf der Welt kein treu'rer Freund
Als Casanova.
Andrea: Nicht so rasch, mein Herr.
Sie werden dieses Gold nicht früher haben,
Eh' mir auf eine Frage Antwort wird.
Casanova: So fragen Sie.
Andrea:
Und Antwort ohne Umschweif.
Wahr bis ins letzte unter heil'gem Eid.
Casanova: Was hätt' ich einem Freunde zu verschweigen?
Andrea (langsam, aber nicht zu ernst): Was zwingt Sie, Spa so eilig zu verlassen?
Casanova (nach einem unmerklichen Zögern):
ich des Lebens hier nicht sicher bin.
Andrea: Wie das? — Warum? Sie schwuren, Casanova!
Die Schwestern
Casanova: Und trotzdem zweifeln Sie? Was könnte sonst
Als dringende Gefahr
Sind Sie der Mann
Andrea:
Der vor Gefahren flieht?
Vor offnen, nein.
Casanova:
Doch lauert tückisch im Verborgnen sie,
Als Mörderdolch an dunkler Straßenecke,
Als Tropfen Gift im weingefüllten Kelch,
Beim Fest als des betrunknen Würgers Hand
So wär' es tölpisch, sie herauszufordern.
Sie finden nicht?
Andrea: Gibt’s hierzuland — vielmehr,
Gibt's einen Ort, wo Männer Ihres Wandels,
Wo Casanova vor betrognen Gatten,
Verführten Mädchen und verratnen Frau'n
Für alle Zeit gefeit sich wähnen dürfte?
Casanova: O, was für Worte! Keines gilt für mich!
Verführt' ich jemals —? Nein, ich war zur Stelle,
Wenn just mit holder Zauberei Natur
Ihr Werk begonnen. Auch verriet ich keine,
Denn ewig dankbar jeder blieb mein Herz.
Und gar die Fabel vom betrognen Mann!
Nur Bosheit schuf so sinnlos schnödes Wort.
Ist der betrogen, der sein Schicksal kennt?
Der zu beklagen, dem's Geheimnis blieb?
Andrea: Sophisterei!
Philosophie, mein Herr.
Casanova:
Andrea: Doch Ihre nur, nicht des betrognen Gatten;
(in anderm Ton):
Wie — wenn ich Ihre Flucht verstehen soll
Sich eben neu an einem Beispiel weist.
Casanova: So ahnen Sie?
Andrea (In höchster Spannung, aber beherrscht):
Vielleicht. Doch muß ich wissen,
Eh' ich mein Gold für Ihren Wechsel tausche.
Casanova (nach einem kurzen Zögern):
Da Ihre Jugend solche Vorsicht hegt,
So will ich — wie mit Zinsen im voraus
Mit gutem Ratschlag meinen Schuldschein fristen.
Andrea: Der wäre?
Casanova:
Daß Sie sich vor Santis hüten.
Andrea: Was kümmert Santis mich
Wir wollen hoffen,
Casanova:
Es bleibt dabei.