A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 85

Arthur Schnitzler
Anina: Du denkst, daß seine Täuschung dauern wird?
Andrea: Sie könnte wohl. Sie wird. — Er geht nach Holland...
Nach fernerm Land vielleicht.
Anina (blickt auf den Sekretär, mit bitterem Spott): Du hast das Deine
Dazu getan.
Andrea: Nicht viel. Erspieltes Gold!
Hätt' ich's verweigern sollen —? Nicht viel eher,
Daß mir so leicht gemacht war zu gewähren,
Als Fügung nehmen —
Fügung? —
Anina:
Fühlst denn nicht
Andrea (dringender):
Auch du, daß diese wunderbare Wendung,
Schicksal-gesandt, ein Zeichen uns bedeutet,
Das zu mißkennen — zu verwerfen gar —
Verblendung, Trotz — beinahe Läst'rung wäre?
Anina: Du schwärmst. Was wandte sich —? Ist, was geschehn,
Mit einmal nicht geschehn? Und was erlebt ward,
Nun plötzlich nicht erlebt? Ist meine Schuld
Geringre? Oder keine gar? Dein Schmerz
Gemildert — oder aufgelöst in nichts?
Die Stunde, da dem andern ich gehörte,
Aus ihrer Schwester Reihen ausgelöscht?
Und schlepp' ich ihren trüben Dunst nicht mehr,
Wie übler Herberg Rauch, drin ich genächtigt,
In meinen Haaren unverwelklich mit —?
Andrea: Währt auch die Qual und bleibt die Schuld bestehen,
Noch einmal, dünkt mich, gibt das Schicksal uns
Frei zu erwägen, ob wir beide nicht —
Du schlimmes Wort — ich schlimmres Tun verzeihn —
Anina: Verzeihn —!
Andrea: Verstehn denn und vergessen wollen.
Anina: Vergessen —? Wie? Ist ungesprochen jetzt
Der Worte Schmähschwall, der mich übergoß?
Sind sie nun ungedacht, die Haßgedanken,
Drin wie in dumpf geballter Nebel Treiben
Mein Wesen deinem Blicke sich verlor?
Andrea: Doch wenn ich's wiederfände — wie du mein's
Anina: Wie kann ich's jemals und wie könntest du's?
Nimmt er nicht die Erinn'rung jener Stunde,
Den Duft von meinem Leib, von meinen Küssen
Den Nachgeschmack, der Seufzer Wonnehauch
Für ewig mit
Die Schwestern
Andrea: Doch nicht dein Bild, Anina...
So bleibt Geheimnis zwischen dir und mir,
Was heute nacht geschah; und schwören wir
Von dieser Stund' ab Schweigen und Vergessen
Einander zu — so ist es nie geschehn.
Anina: Genest, weil Eitelkeit des Stachels ledig,
Ein Herz so rasch, das todverwundet schien?
Nun erst verlor ich dich! — Fahr hin!
(Sie nimmt ihren Mantel um, will gehen.)
Anina!
Andrea:
Dies deine Antwort? Meiner Liebe die17
Anina: Ich habe keine andre. Laß mich fort.
Andrea: Wo willst du hin
Dorthin, wo du nicht bist.
Anina:
G.C.H.F.P.P
Andrea: Doch er!
Was geht's dich an? Laß mich vorbei!
Anina:
Andrea: So weiß ich, daß du logst.
Niemals.
Anina:
Du liebst ihn.
Andrea:
Anina: Jetzt lieb' ich ihn... und nun erst wird es Glück.
Andrea: Wär's nicht enteilt!
Ich hol' es mir zurück.
Anina:
Andrea: Wenn ich nicht schneller wäre, dem Entflohnen
Als Bote deiner Liebe, doch zugleich
Ein Künder ernstrer Botschaft zu erscheinen.
Anina: Empfing er sie, wo wäre dein Gewinn?
Wenn du ihn auch erschlügst, vor aller Welt
Bekennt' ich mich als seiner Lust Gefährtin:
Und schlüg' er dich — die blut'ge Hand, Andrea,
Die mich von dir erlöste, wollt' ich küssen!
Andrea: Renn’ in dein Anheil denn, der Weg ist freil
(Er öffnet selbst die Tür rechts, in diesem Augenblick tritt Flaminia ein.)
Andrea — Anina — Flaminia.
Flaminia: Ei, schönen Dank! Das ist mir ein Empfang!
grad wie bei Hof, wenn's auch nicht so gemeint war.
Zum Ausgehn schon bereit —? Das trifft sich gut.
Die andern lassen allzu lange warten.
Drum wollt' ich fragen, ob wir nicht indes
Selbdritt uns an die Tafel setzen wollen —?
Anina: Verzeihen Sie —! (wil an ihr vordet).
Flaminia (barmlos): Was —?
Sie sehn —
Auina:
Im Reisemantel?
Flaminia:
Jetzt merk' ich's erst! Sie wollten —? Ohne ihn? —