A115: Konvolut Zeitungsausschnitte, Seite 16

Haus der Abgeordneten. — 502. Sitzung der XI. Session am 27. Mai 1896.
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gefunden? Die Verordnung des Ministeriums des Zusammenkunften, um nicht das Wort Zusamenrottun¬
Innern, der Justiz und der Finanzen vom Jahre gen zu gebrauchen, vorhanden sind und sich bemerkbar
1853, durch welche die bisherigen Bezirksämter machen, daß also eine Verwaltung, welche nach dem
organisirt und ihnen ein Wirkungskreis zugeschrieben Grundsatze der Präventionhandelt, gerüstet sein musste,
mit einem größeren Aufgebote von Macht derartigen,
wird. (Hört! Hört!)
Sie sehen, das Ganze erregt Lachen. Die Gesetze sagen wir Störungen der öffentlichen Ruhe vorzu¬
über die staatsbürgerlichen Freiheiten, über das beugen, respective vorbereitet dazustehen. Eine Garni¬
Vereins= und Versammlungsrecht, jene staatsgrund¬
gesetzlichen Verfügungen, auf Grund deren allein das bloße Erscheinen einer Compagnie Infanterie
diese Suspension der bürgerlichen Freiheiten zulässig oder einer Escadron Cavallerie das weitere Eingreifen
erscheinen würde, liegen dazwischen, aber manchmal der Verwaltung ganz überflüssig gemacht hätte. Ich
sieht es wirklich so aus, als ob unsere politischen glaube auch, die Organe der Verwaltung sind dafür
Behörden einen langen Winterschlaf gehalten hätten. verantwortlich, dass sie nicht frühzeitig dafür gesorgt
Sie kommen da mit einer Verordnung vom Jahre haben, daß ihnen ein Detachement der bewaffneten
1853, welche längst überholt ist, und ich frage die Macht zur Verfügung stehe, dann wäre es, wenn man
Herren von der Regierung, auf Grund welches sich auf den Standpunkt der Execution, welche dann
Paragraphen dieser Verordnung sie eigentlich diese erfolgte, stellt, nicht nothwendig gewesen, drei Gen¬
Maßnahme der Bezirkshauptmannschaft rechtfertigen darmen in einen dichtgedrängten Knäuel von Men¬
schen hineinschießen zu lassen, sondern man hätte mit
wollen.
Da heißt es zum Beispiel in einem §. 26 dieser vollständiger Ruhe und ohne Blutvergießen Ordnung
Verordnung: Bei gewaltsamen oder in böser Absicht schaffen können.
Dann möchte ich noch eines hervorheben. Als
vorgenommenen Besitzstörungen hat das Bezirksamt
alles vorzukehren, damit die öffentliche Ordnung wir im Mai 1894 über bewaffnete und blutige
erhalten und wieder hergestellt werde, weitere Angriffe Zusammenstöße, welche in Falkenau und Ostrau sich
hintangehalten werden mit Vorbehalt des gerichtlichen ereigneten, hier sprachen, hörten wir seitens der
Einschreitens und der vollkommenen Besitzstörungs=Regierung zur Motivirung des gewaltthätigen Vor-
gehens der Gendarmerie immer die Auskunft: Ja, es
Ist das vielleicht der Parograph, auf den man war wirklich ein Angriff auf das Eigenthum dieses
sich beruft? Übrigens, wenn man eine Verordnung und jenes, einer Zeche oder eines Schachtes geplant,
citirt, die eine große Summe von Paragraphen hat, es waren sogar die betreffenden Wachorgane in
so möge man freundlichst den Paragraphen citiren, zur Lebensgefahr und man musste daher, zum Äußersten
Orientirung. Sie können aber keinen Paragraphen gedrängt, von der Schusswaffe Gebrauch machen.
Ich frage nun die Regierung: War in diesem
citiren, weil die gantze Verordnung, die ganze Organi
sation, die ganze Zutheilung der Gewalten an die Falle eine derartige Gefahr vorhanden? Ist sie in
politischen Behörden und die ganze Zutheilung der diesem Falle nachzuweisen? Meine Informationen —
Rechte an die Staatsbürger einfach seitdem von ich gestehe allerdings zu, ich habe vielleicht auch ein
Grund aus verändert und verschoben wurde und weil seitige Informationen — aber diese Informatio¬
diese ganze Verordnung überlebt und Überflüssig ist, nen stellen es entschieden in Abrede, dass irgend
daher es auch nicht zulässig ist, dass man sich auf eine welche Absicht vorhanden war, Eigenthum zu zer¬
derartige Ministerialverordnung beruft, um auf stören oder gegen Menschen, seien es Unternehmer
Grund derselben ein derartiges Gewaltberret recht¬ seien es vielleicht bewaffnete Organe, irgend
eine Gewaltthätigkeit auszuüben, sondern dass sich die
fertigen zu wollen.
Also diese Verordnung wurde am 21. Mai, Leute einfach versammelten, weil ein Theil derjenigen,
das heißt an demselben Tage, an welchem sich das die sich versammelten, an dem Strike direct betheiligt
Unglück ereignete, kundgemacht. Da lassen Sie mich war, ein anderer Theil, wie es sich zu eregnen pflegt,
zu einem Punkte kommen, von welchem ich glaube, von Neugierde herbeigezogen wurde, der dritte Theil
dass der wirklich ruhig und objectiv Urtheilende die wirkich nur aus Passanten bestand, welche wie üblich
Organe der Verwaltung von einer schweren Verant¬ an schönen Sommerabenden, die Straße frequentirten
und wie es heißt, auch ein Theil, welcher von den
wortlichkeit nicht loszählen kann.
Man möge über die Dinge, die sich ereignet verschiedenen Maiandachten nach Hause zurückkehrte
haben, urtheilen, wie man will; allein so viel ist sicher, I (So ist es!)
War also ein derartiger Angriff auf das Eigen¬
dass die Organe der Verwaltung nicht erst am 21. Ma¬
abends, sondern zum mindesten schon am 21. Mai thum oder das Leben in diesem Falle beabsichtigt?
vormittags, ja, ich bin dessen sicher, schon am 20. oder Ich bin der Ansicht, dass ein Angriff nicht beabsich
19. Mai davon Kenntnis hatten, dass eine gewisse tigt war.
Und des weiteren, meine Herren: wenn erwogen
Gährung in der Bevölkerung bestehe, dass fortwähr
rend Anläufe zu Zusammenkünften, ich will sagen zu wird, daß die Ansammlung eine hübsche Weile
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dauerte, dass es der Gendarmerie — und es waren nur | darmerie geschmäht und angegriffen worden ist, immer¬
sechs Mann vorhanden — gelang, diese ganze Ansamm- noch kein Grund gelegen war, mit der Schufswaffe
lung etwa tausend Schritte weit vorwärts zu drängen, gegen die Menge vorzugehen, und das Resultat war
so entnehme ich, meine Herren, daraus denn doch ja auch, wie die Berichte zeigen, leider ein derartiges
soviel, dass es da wohl auch dieser schwachen Macht dass gewiss Leute, welche unschuldig an den Stein
gelungen wäre, ohne zum Äußersten zu schreiten, diese würfen und an der Attakirung der bewaffneten Mach¬
Ansammlung zum Auseinandergehen, respective Vor= gewesen sind, um Leben und Gesundheit kamen. Ich
glaube, es ist Grund genug, daran zu zweifeln, dass
wärtsbewegen zu bringen.
Ich sehe also auch von diesem Standpunkte aus das Vorgehen der Verwaltungsorgane ein derartiges
immer noch keinen Grund, gleich vom äußersten Mittel war, wie es der von mir zu Anfang betonte Respect
Gebrauch zu machen und in den Menschenknäuel einfach vor dem Menschenleben erfordert.
Ich habe mich selbstverständlich wohl gehütet
hineinzuschießen.
Ich habe deshalb die Aufforderung an die hier irgend welches decidirte Urtheil über die Schuld
Regierung gestellt, sie möge aufklären, wieso es oder Unschuld der einen oder der anderen Partei
gekommen ist, dass man in den Menschenknäuel hinein= auszusprechen, weil wie ich ja gar keinen Anstand
schießen ließ, und wieso es zu erklären und zu recht¬ nehme, zuzugestehen, dass auch meine Informationen
fertigen ist, daß man, wiewohl man wusste, dass eine vielleicht von einer gewissen Einseitigkeit nicht frei sind
Gährung vorhanden ist, wiewohl man dieses berüch¬ Das ist es aber nicht, um was es sich mir handelt
tigte Decret vom 21. Mai des Morgens erlassen hatte, diese oder jene Person direct zu beschuldigen, sondern
nicht früher Vorsorge getroffen hat, daß ein größeres ich verlange zunächst nur soviel, dass durch die öffent
Detachement von bewaffneter Macht zur Verfügung liche Discussion hier im Parlamente und durch ein
stehe, damit auf eine ganz unblutige Weise die öffent¬ Rede des dem Ressort als verantwortlicher Minister
vorstehenden Vertreters der Regierung in diese Sach
liche Ordnung hergestellt werde.
Ich möchte auch noch eines hervorheben, nämlich, Klarheit gebracht werde, damit die öffentliche
dass in den Berichten, die mir zur Verfügung gestellt Meinung das Bewustsein hat, dass im Parlament
worden sind, wenig von dem Eingreifen der Organe sich immerdar Vertreter finden, welche jedesmal, so oft sich
der politischen Verwaltung zu bemerken ist. Ich gestehe, derartige traurige Katastrophen ereignen und Menschen
auf mich macht es den Eindruck, als ob von einem leben vernichtet werden, das Parlament dazu bewegen
gewissen Zeitpunkte an die Organe der politischen seine controlirende Wirksamkeit auszuüben und damit
Verwaltung sich jeglicher Ingerenz entschlagen hätten / die Verantwortlichkeit der Organe der Verwalttung
und dem Gendarmeriedetachement einfach quasi wie nicht etwa bloß in geheimen Schriften, Acten und
Correspondenzen der Behörden, sondern vor der
einem Scharfrichter das Weitere überlassen hätten
Ich stelle die Frage: hat man sich bemüht, die großen Öffentlichkeit, vor dem Parlamente und vor
versammelte Menge über die möglichen Folgen eines der Presse zur Geltung komme
Darum bitte ich Sie, meine Herren, mögen Sie
weiteren passiven Widerstandes zu belehren? Hat man
sie aufgefordert, auseinanderzugehen? Hat man ihr der Regierung vis-à vie welche Stellung immer ein
den Gebrauch der Waffe, wenn ich so sagen darf, in nahmen, meinen Dringlichkeitsantrag anzunehmen, un
Aussicht gestellt? Ja oder nein! Ich frage weiter: Wie dadurch auch Ihrerseits zu beweisen, dass wirklich de
kommt es, dass der Commandant der Gendarmerie Respect vor dem Menschenleben als Charakteristicum
einem Arbeiter, der Vertrauen bei der Menge genießt, einer gesitteten Gesellschaft auch in diesem Hause An
es verweigerte, eine beruhigende Ansprache an die erkennung findet. (Beifall.)
Versammelten zu halten, und dass erst hinterher nich
Präsident: Das Wort hat Seine Excellenz der
der commandirende Rittmeister, sondern ein Gendar
merieführer diese Erlaubnis dem betreffenden Manne Herr Ministerpräsident.
ertheilte, der allerdings versuchte, von derselben
Ministerpräsident und Leiter des Ministeriums
Gebrauch zu machen, jedoch weil er deutsch sprach, von
der böhmisch redenden Menge nicht verstanden wurde. des Innern Graf Badeni: Hohes Haus! Mag das
Ich bin auch darauf aufmerksam gemacht worden, Ereignis noch so bedauerlich und peinlich sein,
dass allerdings, nachdem die Gendarmerie zunächst welches die geehrten Herren Abgeordneten Dr.
durch einen Bajonnettangriff versuchte, die Menge zum Kaizl und Genossen und Pernerstorfer und Ge
Zurückweichen zu bewegen, was ihr ja zum Theile nossen zum Gegenstande ihrer Dringlichkeitsanträge
auch gelungen ist, Steinwürfe vorgefallen sind. Allein gemacht haben, so glaube ich doch der Hoffnung Aus
ich bin darüber informirt, daß die Steinwürfe nicht druck geben zu können, dass auf Grund meiner amt
aus dem Menschenknäuel, der sich auf der Straße lichen und objectiven Auseinandersetzungen das hoh¬
befand, gekommen sind, sondern seitwärts von den an Haus sich vielleicht nicht veranlasst sehen dürfte,
der Straße liegenden Wiesen, und dass daher auch irgend welche Beschlüsse auf dem Wege der Dringlich
darin, dass, was ja nicht zu leugnen ist, die Gen¬