Wien, Donnerstag
Neue Freie Presse.
Nr. 16415
Seite 4
5. Mai 1910
Von der Einsicht der Volksvertreter deutscher und politischen Vorlagen, weniger aber der Taktik, welche be¬
Der internationale Friede als politisches und
ischer Nation, & in camera caritatis miteinander züglich der ersten Lesung und der Ausschußberatung
wirtschaftliches Bedürfnis.
vorsichtig und behutsam verhandeln, ist zu erwarten, daß
dieser Vorlagen einzuhalten wäre, als vielmehr ihrem
ihnen nur die großen Ziele der Verständigung vor
Inhalt. Bekanntlich haben sowohl Deutsche wie Czechen
Vom Reichsratsabgeordneten Dr. Stephan Licht.
schweben und daß sie weder durch Formfragen noch durch
erklärt, die von der Regierung im Reichsrate eingebrachten
Wien, 4. Mai.
Fragen des Parteinteresses sich ablenken lassen. Am Gesetzentwürfe über die Regelung der Sprachenfrage bei
Wer in die Wählerkreise hineinhorcht, hört mehr oder
wenigsten darf von der Rekonstruktion der Regierung, den landesfürstlichen Behörden und über die Kreis¬
minder deutlich den Wunsch, daß Deutsche und Czechen in
weder von der großen noch von der kleinen Rekonstruk¬
einteilung und Errichtung von Kreisregierungen seien für
Böhmen einen gangbaren Weg zur Verständigung finden
tion, die Rede sein. Wenn als Ergebnis der Beratungen
sie unannehmbar, nur waren die Deutschen bereit, diese
mögen. An vielen Orten, insbesondere dort, wo der
dies zu Tage treten würde, die Wähler würden es nicht
Vorlagen als Grundlagen der parlamentarischen Beratung
Nationalitätenkampf nicht unmittelbar wirkt, versteht man
verstehen. Eine verhängnisvolle weitere Diskreditierung der anzuerkennen. Von den deutschen Parteien des Ab¬
überhaupt nicht, warum die beiden Volksstämme in einen
bürgerlichen Politiker wäre es, wenn ruchbar würde, daß
geordnetenhauses wurde die erste Lesung und die Zu¬
Zwist geraten sind, der immer mehr sich verschärft. Aber
die Besetzung leerer oder Veränderungen bei besetzten weisung der nationalpolitischen Verlagen an den
auch dort, wo volles Verständnis besteht, um welch
Ministerstühlen in Frage ständen.
Nationalitätenausschuß wiederholt verlangt, um nur
großes und schwieriges Problem es sich handelt, will man
Eine Rekonstrukton vor der Verständigung oder endlich überhaupt die gesetzliche Regelung der nationalen
zum Frieden gelangen, um Zeit und Raum zu gewinnen
wenigstens vor der Festlegung der Grundsätze für die Frage in Böhmen in Angriff nehmen zu können. Die
für die Lösung jener großen Fragen, die drängender als
Verständigung, die von den nationalen Parteien
Czechen remonstrierten gegen dieses deutsche Verlangen auf
je im Staats= und Volksleben Oesterreichs auftreten.
ratihabiert wären, würde den Kampf nur verschärfen und das heftigste, das auch bei allen automomistischen
Das Friedensbedürfnis der Bevölkerung ist selbst¬
wieder jene Erscheinungen zeitigen, die wir in der Kouli=| Elementen des Hauses Widerstand fand. Ueber den Streit
verständlich niemals größer als zu Zeiten, wo die Wirt¬
tionsära gekannt haben.
um die erste Lesung und Zuweisung hatte man so ziemlich
schaftslage ungünstig ist und man von der Volksver
Niemand muß vorsichtiger sein als die deutschfreiheit¬
auf den Inhalt der Vorlagen vergessen und es schien
tretung werktätige Hilfe erwartet. Tatsächlich bestehen
lichen Abgeordneten, deren Stellung ohnehin die daher notwendig, durch die berufenen Vertreter der beiden
gegenwärtig in Oesterreich recht unerfreuliche Verhältnisse
schwierigste, deren Verhalten Mißverständnissen und Miß= Volksstämme in Böhmen festzustellen, worin die sachlichen
auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens, die durch die
deutungen am meisten ausgesetzt ist.
Differenzen bestünden. Diesem Zwecke vor allem haben
finanzielle Not des Staates, der Länder und aller
Wer wie ich in den letzten Tagen in zwei deutschen die jetzigen Besprechungen gegolten, was es begreiflich er¬
anderen Selbstverwaltungskörper noch härter empfunden
Städten an der Sprachgrenze, hart bedrängt von der
scheinen läßt, wenn sie in voller Vertraulichkeit geführt
werden. Die geschäftliche Konjunktur wird eher schlechter
slavischen Hochflut wie wenige andere — Mistek und
wurden. Die Regierung wollte darüber informiert sein,
als besser; viele industrielle und gewerbliche Betriebe
Oderfurt — die Stimmung der Wählerschaft in bewegten
welche Bestimmungen der nationalpolitischen Gesetzentwürse
werden nur mit Mühe und Not aufrecht erhalten, um
Versammlungen erprobt hat, weiß diese zu deuten und von den Deutschen, welche von den Czechen verworfen
der Arbeiterschaft nicht die Gelegenheit zu Beschäftigung
muß zur vollen Vorsicht, jedoch auch zu mutigem Ent
werden, aus welchen Gründen die Vorlagen in ihren
und Erwerb zu nehmen. Und kaum ist etwas be
schlusse und bereiter Tat mahnen, wenn die Zeit ge
einzelnen Bestimmungen abgelehnt würden und ob es
zeichnender für unsere wirtschaftliche Lage als die Tat¬
kommen scheint. Seinem Volkstum wahrt man die Treue nicht möglich wäre, eine mittlere Linie zu finden, welche
sache, daß die Handelsbilanz des Jahres 1909 für die
am besten, wenn man es wirtschaftlich kräftigt, kllturell den beiderseitigen begründeten Bedenken entspräche und
österreichisch=ungarische Monarchie mit einem Passivsaldo
und sozial hebt und davor bewahrt, seine Kräfte zu zer
schließlich auf den Weg des Friedens führe. Daß derartige
von rund 467 Millionen Kronen abgeschlossen hat. In
splittern und in Kämpfen zu verausgaben, die ein ehrlich Besprechungen sehr langwierig sein müssen, wird durch die
welchem Maße diese Erscheinung auch auf unsere
vereinbarter und local gehaltener Friedensschluß wenig- Schwierigkeit der Materie und die zahlreichen Meinungs¬
Zahlungsbilanz einwirkt, läßt sich ungefähr ermessen.
stens in großem Maße zu ersparen vermag. Unser
gegensätze erklärlich. Die Rekonstruktion des Kabinetts
Dazu die allgemeine Teuerung, die auf den breiten
Deutschböhmen haben ihre Bedingungen, mäßig und be¬
kam gar nicht in Frage und es sind die darüber ver
Massen der Bevölkerung bis in die höheren Schichten des
sonnen, längst verlautbart und ihren Friedenswillen breiteten Gerüchte wohl nur darauf zurückzuführen, daß
Mittelstandes hinauf lastet, kein Absehen hat und gewiß
kundgetan. Möge man ihnen auf ihrer geraden und man hinter jeder vertraulichen Besprechung gerne eine ge¬
am wenigsten durch die Beratungen und Beschlüsse des
offenen Bahn folgen.
heimnisvolle Rekonstruktionsverschwörung vermutet.
Teuerungsausschusses wird beseitigt werden können.
In so harter und schwerer Zeit, in der der Staats¬
Die Wiederaufnahme der parlamentarischen
bürger verarmt und der Lebensnot immer weniger ge¬
Die Reform der parlamentarischen Geschäfts¬
Tätigkeit.
wachsen ist, die Schuldenlast des Staates sich häuft, der
ordnung.
Wien, 4. Mai.
unmittelbare Lebensbedarf durch Zölle von unerschwing¬
Wien, 4. Mai.
Nach vierzehntägiger Pause nimmt das Abgeord¬
licher Höhe, die auf den Lebensmitteln lasten, für die
Als erster Punkt auf der Tagesordnung der Freitag¬
Bevölkerung der Städte und des flachen Landes gleicher=| netenhaus seine Tätigkeit am Freitag wieder auf. Als
sitzung des Abgeordnetenhauses, welche den sommerlichen
maßen verteuert wird und neue Steuern zu ungelegenster
erster Punkt steht die Regierungsvorlage bezüglich eine
Sessionsabschnitt eröffnet, ist die Regierungsvorlage über
Zeit den ohnehin ungemessen hohen Druck der Lasten
definitiven Geschäftsordnung auf der Tagesordnunq. Di
die Geschäftsordnung gestellt. Der Entwurf ist einer der
die der Staat und die Selbstverwaltungskörper auf
czechischradikale Partei wird aber die Absetzung diese
Gegenstandes von der Tagesordnung beantragen, und ältesten der laufenden Legislaturperiode. Die Regierung
erlegen, zu erhöhen drohen, versagt die Volksvertretung
legte ihn in der achtzehnten Session am 27. Juni 1907,
in Reich und Land, weil der Ansturm der Slaven ge¬ die großen Parteien haben alle ihre Mitglieder nach Wien
berufen, um nicht wieder einer Ueberraschung bei einer wenige Tage nach der Einberufung des neugewählten
deihliche positive Arbeit verhindert.
Abstimmung ausgesetzt zu sein. Die deutschfreiheitlichen Hauses, vor und brachte ihn am Beginn der neun¬
Die Bewilligung neuer Rekruten, Erhöhungen der
staatlichen Schuldenlast und die Einführung neuer
Parteien, die Christlichsozialen, die Rolen und die Suzial¬ zehnten und der gegenwärtigen zwanzigsten Session un¬
demokraten sind für eine definitive Reform der Geschäfts¬
Steuern vermögen das Volkshaus nicht populär zu machen
verändert wieder ein.
Der Entwurf stellt sich als eine Novelle zum Geschäfts¬
Die Unregelmäßigkeit und Unberechenbarkeit seiner ordnung, wenn sie auch gegen diese oder jene Bestim
mungen der Regierungsvorlage ernstliche Einwendungen ordnungsgesetz vom 12. Mai 1873, R. G. Bl. Nr. 94,
Arbeitsleistung, die großen Aufgaben gegenüber voll¬
dar. Die Abänderungen, welche die Regierung vorschlägt,
ständig zu versagen scheint und alles der Versumpfung
haben. Insbesonders werden die deutschfreiheitlichen Par¬
entgegenführt, mindert den Rest von Vertrauen, den der
teien gegen gewisse Beschränkungen der parlamentarischen berühren drei Materien: Die Behandlung der Regierungs¬
Reichsrat noch da und dort genießt, macht verdrossen
vorlagen im Abgeordnetenhause, die Disziplinargewalt
Bewegungsfreiheit entschieden austreten, aber sie wünschen
des Präsidenten und des Hauses und das Interpellations¬
und unwillig und erzeugt jene Stimmungen, die in
deshalb durchaus nicht, der Beratung der Vorlage Hinder
Oesterreich schon wiederholt der verfassungsmäßigen Fort¬
nisse zu bereiten. Die Parteien werden Freitag vor der
Die Vorschläge des Entwurfes über die Regie¬
entwicklung des Staatslebens gefährlich geworden sind.
Sitzung zusammentreten, um ihre Haltung in der Ge
rungsvorlagen sind sehr weitgehend. Sie laufen
Es ist daher sehr verständlich, daß in der letzten
schäftsordnungsfrage zu bestimmen, und an demselben
Zeit da und dort im Parlament und außerhalb desselben Tage dürfte auch der Deutsche Nationalverband von be¬
darauf hinaus, Verhandlungen der Regierungsentwürfe
von Abgeordneten dem Bedürfnisse nach einem Friedens
gegen Obstruktionsversuche zu schützen und ihre Er¬
rufener Seite über die während der Reichsratspause ge¬
schlusse, bei aller Vorsicht der Ausdrucksweise, doch in
führten deutsch=czechischen Behandlungen Kenntnis er¬ ledigung unter allen Umständen zu sichern. Diesem
sehr bemerkenswerter Art Ausdruck geliehen wird.
Zwecke dient zunächst die Einrichtung, daß gewisse Tage
halten. An diesen Konferenzen waren die aus
Böhmen gewählten Mitglieder des zur Beratung natio¬ der Woche, und zwar Dienstag und Mittwoch, aus¬
Aus dieser Stimmung heraus sind die mit gutem
Bedachte dem Augenmerk der Tagespolitik entrückten un¬
schließlich für Regierungsvorlagen reserviert sind. Nur auf
naler Angelegenheiten eingesetzten Ausschusses, Deutsche
verbindlichen Besprechungen deutscher und czechischer Poli¬
Vorschlag des Präsidenten und mit Zweidrittelmehrheit
und Czechen, beteiligt. Diese Konferenzen haben bisher
tiker eingeleitet und fortgeführt worden. Schon die Tat¬
kann das Haus beschließen, an diesen Tagen andere
zu einer Annäherung der beiden Parteien nicht geführt
sache, daß derartige Besprechungen möglich sind, erweckt
dringende Gegenstände zu verhandeln. Auch kann nur
was ja auch in so kurzer Zeit nicht erwartet werden
Hoffnungen. Die Verantwortung, die auf den Politikern
eine Zweidrittelmehrheit den Beschluß fassen, daß an
konnte. Nach wie vor opponieren die Czechen der erster
lastet, ist zu groß, als daß sie auch um den Preis per¬
Lesung der nationalen Vorlagen, und das Organ der
diesen beiden Tagen die Sitzungen zu entfallen haben.
sönlicher Popularität nicht den Versuch wagen sollten,
Um diese Tage voll für die Verhandlung von Regierungs¬
Czechischradikalen spricht sogar davon, daß diese erste
Mittel und Wege zu finden, die aus dem Wirrsale all
Lesung unbedingt vereitelt werden müsse und daß ein
vorlagen auszunützen und die Obstruktion vermittelst
mählich herausführen. Schließlich sind es doch gescheite
gemeinsame Beratung der czechischen Reichsrats= und des Einlaufes zu beseitigen, bestimmt der Entwurf, daß
erfahrene, von wahrem Volksgefühl erfüllte Männer, die
spätestens um halb 12 Uhr die Verhandlung der
Landtagsabgeordneten demnächst diesbezüglich Beschluß
hier zusammenkommen, die ein autes Ohr für die Unter¬
Regierungsvorlagen beginnen muß. Für die Intiativ¬
fassen werde. Auf deutscher Seite erwägt man, ob dies
strömungen im Volksleben haben und wissen, wann die
Frage nicht durch eine Abstimmung im Hause zur anträge aus der Mitte des Hauses ist der Freitag auf¬
Stunde geschlagen hat, in der man aus der Kampfes¬
gespart. Eine Verhandlung über die erste Lesung
Entscheidung gebracht werden könnte. Für einen Antrag
stellung zum Waffenstillstand schreiten kann. Sie sehen
die erwähnten Vorlagen auf die Tagesordnung zu stellen, Regierungsvorlagen hat in der Regel zu entfallen. Sie
würden alle deutschen Abgeordneten unbedingt stimmen, wird nur vorgenommen, wenn ein schriftlicher Antrag ge¬
die Not im Volke. Es gibt kaum ein deutlicheres Bild
der Verwüstungen, die der nationale Kampf mit sich ge¬
stellt wird, der von hundert Mitgliedern unterstützt
und wenn sich ihnen eine der anderen großen Parteien
bracht hat, als die Berichte über die Sitzungen des
Auf jeden Fall muß eine Regierungsvorlage an den
anschlösse, so würde dies die Majorität ergeben. Auf die
böhmischen Landesausschusses über Ersparungsmaßregeln
Polen ist nicht zu rechnen aus automomistischen Ausschuß gewiesen werden, und dieser erhält eine Frist
die hilfsbedürftige und mühselige Existenzen mit dürren
zur Berichterstattung. Liegt am Ende dieser Frist kein
Gründen und weil sie in dieser Frage den Czechen
Worten und harter Gebärde auf das Pflaster werfen
zu Gefallen sein wollen. Stimmen aber die Sozialdemo=Bericht vor, so wird auf jeden Fall mit der zweiten
kraten dafür, so würden die Parteien, welche auf dem iesung begonnen. Mit Zweidrittelmehrheit kann das
Wer wollte untersuchen, ob besondere oder allgemeine,
autonomistischen Standpunkte stehen, sich in der Minder¬ Haus übrigens beschließen, daß das Studium der Aus¬
dauernde und regelmäßige Ursachen daran Schuld tragen
heit befinden. Es ist aber fraglich, ob die Regierung ihre schußberatungen entfällt und die Vorlage sofort in zweite
daß die Regierungsaktionen, die zur Herbeiführung des
nationalen Friedens in verschiedenen Zeitläuften unter
Vorlagen auf dem Wege einer solchen Kampfabstimmung Lesung genommen wird. An die zweite Lesung hat sich
in den Ausschuß wird bringen wollen und ob sie ihren unmittelbar die dritte anzuschließen. Doch liegt es im
nommen wurden, bisher versagten? Wohl scheint die
Tatsache, daß alle Regierungen Schiffbruch erlitten haben
Ermessen des Präsidenten, die dritte Lesung auf die
Einfluß nicht aufwenden wird, um es eben auf
wenn sie diesem Ziel zusteuerten, weniger für individuelle
solche Absimmung nicht ankommen zu lassen. Von tüchste oder zweitnächste Sitzung zu verschieben.
Schuld als für eine generelle, durch die Verhältnisse des
Um den Gang der Verhandlung zu beschleunigen,
czechischer Seite wird ein Ausweg vorgeschlagen, au
welchen sich die Deutschen aber nicht führen lassen wollen, wird alles, was Zett raubt, möglichst eingeschränkt und
Staatslebens bedingte Erscheinung zu sprechen.
weil es eben kein Ausweg ist. Es wird nämlich an¬ erschwert. So sollen namentliche oder geheime Abstim¬
Hilfe kann nur kommen, wenn das Volkshaus, dessen
geregt, daß der nationalpolitische Ausschuß auch ohne mungen nur auf Wunsch von hundert Mitgliedern vor¬
Werden vor allem der laut ausgesprochenen Erwartung
genommen werden. Ueber Anträge zur formellen Ge¬
zu danken war, daß es ihm gelingen werde, was das
irgend ein Substrat eine Generaldebatte über die natio¬
schäftsbehandlung finden namentliche oder geheime Ab¬
Kurienparlament dauernd nicht leisten konnte — die
nalen Streitfragen eröffne. Das wäre eine Auseinander
timmungen überhaupt nicht statt. Die Debatten äber die
nationale Verständigung — sich zu rettender Tat entschließt.
setzung ins Uferlose, und wenn diese Debatte schließlich
doch ein Ende nehmen würde, so Würde dem Ausschusse, formelle Geschäftsbehandlung werden verkürzt, indem
Der Nationalitätenkampf stört heute nicht nur die Gesetz¬
falls es nicht vorher zur ersten Lesung gekommen sein | der Präsident das Wort versagen und Anträge zur Ge¬
gebung, sondern in überaus bedenklichem Maße bereits die
schäftsbehandlung ganz abweisen kann. Tatsächliche Be¬
Verwaltung. Wird nicht bald ein Friedenszustand
sollte, das Verhandlungsmaterial fehlen.
Die Deutschnationale Korrespondenz“ berichtet über richtigungen sind in strenge Formen gebannt. Sie müssen
schaffen, der die Grenzlinien aussteckt, in denen die Inter¬
essen der Volksstämme sich frei entfalten können und dem
sich darauf beschränken, in der Debatte angeführte Tat¬
Es ist richtig, daß in den letzten Tagen Besprechungen. sachen als unrichtig zu bezeichnen und die richtigen ent¬
die deutsch=czechischen Besprechungen:
Staatsinteresse die notwendige Sicherung und Autorität
zwischen dem Ministerpräsidenten und deutschen und gegenzustellen. Polemiken sind ausgeschlossen. Um Ver¬
zu teil wird, dann bricht unsere Verwaltung vollständig
czechischen Politikern aus Böhmen stattgefunden haben. Zögerungen durch das Begehren nach Auszählung des
zusammen und tritt eine klägliche und kostspielige Zer¬
rüttung des Staats= und Volksvermögens ein, deren
Diese Besprechungen gatten ausschließlich den national= | Hauses hintanzuhalten, ist bestimmt, daß die beschlu߬
Sumptome schon höchst bedenklich sichtbar werden.
Neue Freie Presse.
Nr. 16415
Seite 4
5. Mai 1910
Von der Einsicht der Volksvertreter deutscher und politischen Vorlagen, weniger aber der Taktik, welche be¬
Der internationale Friede als politisches und
ischer Nation, & in camera caritatis miteinander züglich der ersten Lesung und der Ausschußberatung
wirtschaftliches Bedürfnis.
vorsichtig und behutsam verhandeln, ist zu erwarten, daß
dieser Vorlagen einzuhalten wäre, als vielmehr ihrem
ihnen nur die großen Ziele der Verständigung vor
Inhalt. Bekanntlich haben sowohl Deutsche wie Czechen
Vom Reichsratsabgeordneten Dr. Stephan Licht.
schweben und daß sie weder durch Formfragen noch durch
erklärt, die von der Regierung im Reichsrate eingebrachten
Wien, 4. Mai.
Fragen des Parteinteresses sich ablenken lassen. Am Gesetzentwürfe über die Regelung der Sprachenfrage bei
Wer in die Wählerkreise hineinhorcht, hört mehr oder
wenigsten darf von der Rekonstruktion der Regierung, den landesfürstlichen Behörden und über die Kreis¬
minder deutlich den Wunsch, daß Deutsche und Czechen in
weder von der großen noch von der kleinen Rekonstruk¬
einteilung und Errichtung von Kreisregierungen seien für
Böhmen einen gangbaren Weg zur Verständigung finden
tion, die Rede sein. Wenn als Ergebnis der Beratungen
sie unannehmbar, nur waren die Deutschen bereit, diese
mögen. An vielen Orten, insbesondere dort, wo der
dies zu Tage treten würde, die Wähler würden es nicht
Vorlagen als Grundlagen der parlamentarischen Beratung
Nationalitätenkampf nicht unmittelbar wirkt, versteht man
verstehen. Eine verhängnisvolle weitere Diskreditierung der anzuerkennen. Von den deutschen Parteien des Ab¬
überhaupt nicht, warum die beiden Volksstämme in einen
bürgerlichen Politiker wäre es, wenn ruchbar würde, daß
geordnetenhauses wurde die erste Lesung und die Zu¬
Zwist geraten sind, der immer mehr sich verschärft. Aber
die Besetzung leerer oder Veränderungen bei besetzten weisung der nationalpolitischen Verlagen an den
auch dort, wo volles Verständnis besteht, um welch
Ministerstühlen in Frage ständen.
Nationalitätenausschuß wiederholt verlangt, um nur
großes und schwieriges Problem es sich handelt, will man
Eine Rekonstrukton vor der Verständigung oder endlich überhaupt die gesetzliche Regelung der nationalen
zum Frieden gelangen, um Zeit und Raum zu gewinnen
wenigstens vor der Festlegung der Grundsätze für die Frage in Böhmen in Angriff nehmen zu können. Die
für die Lösung jener großen Fragen, die drängender als
Verständigung, die von den nationalen Parteien
Czechen remonstrierten gegen dieses deutsche Verlangen auf
je im Staats= und Volksleben Oesterreichs auftreten.
ratihabiert wären, würde den Kampf nur verschärfen und das heftigste, das auch bei allen automomistischen
Das Friedensbedürfnis der Bevölkerung ist selbst¬
wieder jene Erscheinungen zeitigen, die wir in der Kouli=| Elementen des Hauses Widerstand fand. Ueber den Streit
verständlich niemals größer als zu Zeiten, wo die Wirt¬
tionsära gekannt haben.
um die erste Lesung und Zuweisung hatte man so ziemlich
schaftslage ungünstig ist und man von der Volksver
Niemand muß vorsichtiger sein als die deutschfreiheit¬
auf den Inhalt der Vorlagen vergessen und es schien
tretung werktätige Hilfe erwartet. Tatsächlich bestehen
lichen Abgeordneten, deren Stellung ohnehin die daher notwendig, durch die berufenen Vertreter der beiden
gegenwärtig in Oesterreich recht unerfreuliche Verhältnisse
schwierigste, deren Verhalten Mißverständnissen und Miß= Volksstämme in Böhmen festzustellen, worin die sachlichen
auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens, die durch die
deutungen am meisten ausgesetzt ist.
Differenzen bestünden. Diesem Zwecke vor allem haben
finanzielle Not des Staates, der Länder und aller
Wer wie ich in den letzten Tagen in zwei deutschen die jetzigen Besprechungen gegolten, was es begreiflich er¬
anderen Selbstverwaltungskörper noch härter empfunden
Städten an der Sprachgrenze, hart bedrängt von der
scheinen läßt, wenn sie in voller Vertraulichkeit geführt
werden. Die geschäftliche Konjunktur wird eher schlechter
slavischen Hochflut wie wenige andere — Mistek und
wurden. Die Regierung wollte darüber informiert sein,
als besser; viele industrielle und gewerbliche Betriebe
Oderfurt — die Stimmung der Wählerschaft in bewegten
welche Bestimmungen der nationalpolitischen Gesetzentwürse
werden nur mit Mühe und Not aufrecht erhalten, um
Versammlungen erprobt hat, weiß diese zu deuten und von den Deutschen, welche von den Czechen verworfen
der Arbeiterschaft nicht die Gelegenheit zu Beschäftigung
muß zur vollen Vorsicht, jedoch auch zu mutigem Ent
werden, aus welchen Gründen die Vorlagen in ihren
und Erwerb zu nehmen. Und kaum ist etwas be
schlusse und bereiter Tat mahnen, wenn die Zeit ge
einzelnen Bestimmungen abgelehnt würden und ob es
zeichnender für unsere wirtschaftliche Lage als die Tat¬
kommen scheint. Seinem Volkstum wahrt man die Treue nicht möglich wäre, eine mittlere Linie zu finden, welche
sache, daß die Handelsbilanz des Jahres 1909 für die
am besten, wenn man es wirtschaftlich kräftigt, kllturell den beiderseitigen begründeten Bedenken entspräche und
österreichisch=ungarische Monarchie mit einem Passivsaldo
und sozial hebt und davor bewahrt, seine Kräfte zu zer
schließlich auf den Weg des Friedens führe. Daß derartige
von rund 467 Millionen Kronen abgeschlossen hat. In
splittern und in Kämpfen zu verausgaben, die ein ehrlich Besprechungen sehr langwierig sein müssen, wird durch die
welchem Maße diese Erscheinung auch auf unsere
vereinbarter und local gehaltener Friedensschluß wenig- Schwierigkeit der Materie und die zahlreichen Meinungs¬
Zahlungsbilanz einwirkt, läßt sich ungefähr ermessen.
stens in großem Maße zu ersparen vermag. Unser
gegensätze erklärlich. Die Rekonstruktion des Kabinetts
Dazu die allgemeine Teuerung, die auf den breiten
Deutschböhmen haben ihre Bedingungen, mäßig und be¬
kam gar nicht in Frage und es sind die darüber ver
Massen der Bevölkerung bis in die höheren Schichten des
sonnen, längst verlautbart und ihren Friedenswillen breiteten Gerüchte wohl nur darauf zurückzuführen, daß
Mittelstandes hinauf lastet, kein Absehen hat und gewiß
kundgetan. Möge man ihnen auf ihrer geraden und man hinter jeder vertraulichen Besprechung gerne eine ge¬
am wenigsten durch die Beratungen und Beschlüsse des
offenen Bahn folgen.
heimnisvolle Rekonstruktionsverschwörung vermutet.
Teuerungsausschusses wird beseitigt werden können.
In so harter und schwerer Zeit, in der der Staats¬
Die Wiederaufnahme der parlamentarischen
bürger verarmt und der Lebensnot immer weniger ge¬
Die Reform der parlamentarischen Geschäfts¬
Tätigkeit.
wachsen ist, die Schuldenlast des Staates sich häuft, der
ordnung.
Wien, 4. Mai.
unmittelbare Lebensbedarf durch Zölle von unerschwing¬
Wien, 4. Mai.
Nach vierzehntägiger Pause nimmt das Abgeord¬
licher Höhe, die auf den Lebensmitteln lasten, für die
Als erster Punkt auf der Tagesordnung der Freitag¬
Bevölkerung der Städte und des flachen Landes gleicher=| netenhaus seine Tätigkeit am Freitag wieder auf. Als
sitzung des Abgeordnetenhauses, welche den sommerlichen
maßen verteuert wird und neue Steuern zu ungelegenster
erster Punkt steht die Regierungsvorlage bezüglich eine
Sessionsabschnitt eröffnet, ist die Regierungsvorlage über
Zeit den ohnehin ungemessen hohen Druck der Lasten
definitiven Geschäftsordnung auf der Tagesordnunq. Di
die Geschäftsordnung gestellt. Der Entwurf ist einer der
die der Staat und die Selbstverwaltungskörper auf
czechischradikale Partei wird aber die Absetzung diese
Gegenstandes von der Tagesordnung beantragen, und ältesten der laufenden Legislaturperiode. Die Regierung
erlegen, zu erhöhen drohen, versagt die Volksvertretung
legte ihn in der achtzehnten Session am 27. Juni 1907,
in Reich und Land, weil der Ansturm der Slaven ge¬ die großen Parteien haben alle ihre Mitglieder nach Wien
berufen, um nicht wieder einer Ueberraschung bei einer wenige Tage nach der Einberufung des neugewählten
deihliche positive Arbeit verhindert.
Abstimmung ausgesetzt zu sein. Die deutschfreiheitlichen Hauses, vor und brachte ihn am Beginn der neun¬
Die Bewilligung neuer Rekruten, Erhöhungen der
staatlichen Schuldenlast und die Einführung neuer
Parteien, die Christlichsozialen, die Rolen und die Suzial¬ zehnten und der gegenwärtigen zwanzigsten Session un¬
demokraten sind für eine definitive Reform der Geschäfts¬
Steuern vermögen das Volkshaus nicht populär zu machen
verändert wieder ein.
Der Entwurf stellt sich als eine Novelle zum Geschäfts¬
Die Unregelmäßigkeit und Unberechenbarkeit seiner ordnung, wenn sie auch gegen diese oder jene Bestim
mungen der Regierungsvorlage ernstliche Einwendungen ordnungsgesetz vom 12. Mai 1873, R. G. Bl. Nr. 94,
Arbeitsleistung, die großen Aufgaben gegenüber voll¬
dar. Die Abänderungen, welche die Regierung vorschlägt,
ständig zu versagen scheint und alles der Versumpfung
haben. Insbesonders werden die deutschfreiheitlichen Par¬
entgegenführt, mindert den Rest von Vertrauen, den der
teien gegen gewisse Beschränkungen der parlamentarischen berühren drei Materien: Die Behandlung der Regierungs¬
Reichsrat noch da und dort genießt, macht verdrossen
vorlagen im Abgeordnetenhause, die Disziplinargewalt
Bewegungsfreiheit entschieden austreten, aber sie wünschen
des Präsidenten und des Hauses und das Interpellations¬
und unwillig und erzeugt jene Stimmungen, die in
deshalb durchaus nicht, der Beratung der Vorlage Hinder
Oesterreich schon wiederholt der verfassungsmäßigen Fort¬
nisse zu bereiten. Die Parteien werden Freitag vor der
Die Vorschläge des Entwurfes über die Regie¬
entwicklung des Staatslebens gefährlich geworden sind.
Sitzung zusammentreten, um ihre Haltung in der Ge
rungsvorlagen sind sehr weitgehend. Sie laufen
Es ist daher sehr verständlich, daß in der letzten
schäftsordnungsfrage zu bestimmen, und an demselben
Zeit da und dort im Parlament und außerhalb desselben Tage dürfte auch der Deutsche Nationalverband von be¬
darauf hinaus, Verhandlungen der Regierungsentwürfe
von Abgeordneten dem Bedürfnisse nach einem Friedens
gegen Obstruktionsversuche zu schützen und ihre Er¬
rufener Seite über die während der Reichsratspause ge¬
schlusse, bei aller Vorsicht der Ausdrucksweise, doch in
führten deutsch=czechischen Behandlungen Kenntnis er¬ ledigung unter allen Umständen zu sichern. Diesem
sehr bemerkenswerter Art Ausdruck geliehen wird.
Zwecke dient zunächst die Einrichtung, daß gewisse Tage
halten. An diesen Konferenzen waren die aus
Böhmen gewählten Mitglieder des zur Beratung natio¬ der Woche, und zwar Dienstag und Mittwoch, aus¬
Aus dieser Stimmung heraus sind die mit gutem
Bedachte dem Augenmerk der Tagespolitik entrückten un¬
schließlich für Regierungsvorlagen reserviert sind. Nur auf
naler Angelegenheiten eingesetzten Ausschusses, Deutsche
verbindlichen Besprechungen deutscher und czechischer Poli¬
Vorschlag des Präsidenten und mit Zweidrittelmehrheit
und Czechen, beteiligt. Diese Konferenzen haben bisher
tiker eingeleitet und fortgeführt worden. Schon die Tat¬
kann das Haus beschließen, an diesen Tagen andere
zu einer Annäherung der beiden Parteien nicht geführt
sache, daß derartige Besprechungen möglich sind, erweckt
dringende Gegenstände zu verhandeln. Auch kann nur
was ja auch in so kurzer Zeit nicht erwartet werden
Hoffnungen. Die Verantwortung, die auf den Politikern
eine Zweidrittelmehrheit den Beschluß fassen, daß an
konnte. Nach wie vor opponieren die Czechen der erster
lastet, ist zu groß, als daß sie auch um den Preis per¬
Lesung der nationalen Vorlagen, und das Organ der
diesen beiden Tagen die Sitzungen zu entfallen haben.
sönlicher Popularität nicht den Versuch wagen sollten,
Um diese Tage voll für die Verhandlung von Regierungs¬
Czechischradikalen spricht sogar davon, daß diese erste
Mittel und Wege zu finden, die aus dem Wirrsale all
Lesung unbedingt vereitelt werden müsse und daß ein
vorlagen auszunützen und die Obstruktion vermittelst
mählich herausführen. Schließlich sind es doch gescheite
gemeinsame Beratung der czechischen Reichsrats= und des Einlaufes zu beseitigen, bestimmt der Entwurf, daß
erfahrene, von wahrem Volksgefühl erfüllte Männer, die
spätestens um halb 12 Uhr die Verhandlung der
Landtagsabgeordneten demnächst diesbezüglich Beschluß
hier zusammenkommen, die ein autes Ohr für die Unter¬
Regierungsvorlagen beginnen muß. Für die Intiativ¬
fassen werde. Auf deutscher Seite erwägt man, ob dies
strömungen im Volksleben haben und wissen, wann die
Frage nicht durch eine Abstimmung im Hause zur anträge aus der Mitte des Hauses ist der Freitag auf¬
Stunde geschlagen hat, in der man aus der Kampfes¬
gespart. Eine Verhandlung über die erste Lesung
Entscheidung gebracht werden könnte. Für einen Antrag
stellung zum Waffenstillstand schreiten kann. Sie sehen
die erwähnten Vorlagen auf die Tagesordnung zu stellen, Regierungsvorlagen hat in der Regel zu entfallen. Sie
würden alle deutschen Abgeordneten unbedingt stimmen, wird nur vorgenommen, wenn ein schriftlicher Antrag ge¬
die Not im Volke. Es gibt kaum ein deutlicheres Bild
der Verwüstungen, die der nationale Kampf mit sich ge¬
stellt wird, der von hundert Mitgliedern unterstützt
und wenn sich ihnen eine der anderen großen Parteien
bracht hat, als die Berichte über die Sitzungen des
Auf jeden Fall muß eine Regierungsvorlage an den
anschlösse, so würde dies die Majorität ergeben. Auf die
böhmischen Landesausschusses über Ersparungsmaßregeln
Polen ist nicht zu rechnen aus automomistischen Ausschuß gewiesen werden, und dieser erhält eine Frist
die hilfsbedürftige und mühselige Existenzen mit dürren
zur Berichterstattung. Liegt am Ende dieser Frist kein
Gründen und weil sie in dieser Frage den Czechen
Worten und harter Gebärde auf das Pflaster werfen
zu Gefallen sein wollen. Stimmen aber die Sozialdemo=Bericht vor, so wird auf jeden Fall mit der zweiten
kraten dafür, so würden die Parteien, welche auf dem iesung begonnen. Mit Zweidrittelmehrheit kann das
Wer wollte untersuchen, ob besondere oder allgemeine,
autonomistischen Standpunkte stehen, sich in der Minder¬ Haus übrigens beschließen, daß das Studium der Aus¬
dauernde und regelmäßige Ursachen daran Schuld tragen
heit befinden. Es ist aber fraglich, ob die Regierung ihre schußberatungen entfällt und die Vorlage sofort in zweite
daß die Regierungsaktionen, die zur Herbeiführung des
nationalen Friedens in verschiedenen Zeitläuften unter
Vorlagen auf dem Wege einer solchen Kampfabstimmung Lesung genommen wird. An die zweite Lesung hat sich
in den Ausschuß wird bringen wollen und ob sie ihren unmittelbar die dritte anzuschließen. Doch liegt es im
nommen wurden, bisher versagten? Wohl scheint die
Tatsache, daß alle Regierungen Schiffbruch erlitten haben
Ermessen des Präsidenten, die dritte Lesung auf die
Einfluß nicht aufwenden wird, um es eben auf
wenn sie diesem Ziel zusteuerten, weniger für individuelle
solche Absimmung nicht ankommen zu lassen. Von tüchste oder zweitnächste Sitzung zu verschieben.
Schuld als für eine generelle, durch die Verhältnisse des
Um den Gang der Verhandlung zu beschleunigen,
czechischer Seite wird ein Ausweg vorgeschlagen, au
welchen sich die Deutschen aber nicht führen lassen wollen, wird alles, was Zett raubt, möglichst eingeschränkt und
Staatslebens bedingte Erscheinung zu sprechen.
weil es eben kein Ausweg ist. Es wird nämlich an¬ erschwert. So sollen namentliche oder geheime Abstim¬
Hilfe kann nur kommen, wenn das Volkshaus, dessen
geregt, daß der nationalpolitische Ausschuß auch ohne mungen nur auf Wunsch von hundert Mitgliedern vor¬
Werden vor allem der laut ausgesprochenen Erwartung
genommen werden. Ueber Anträge zur formellen Ge¬
zu danken war, daß es ihm gelingen werde, was das
irgend ein Substrat eine Generaldebatte über die natio¬
schäftsbehandlung finden namentliche oder geheime Ab¬
Kurienparlament dauernd nicht leisten konnte — die
nalen Streitfragen eröffne. Das wäre eine Auseinander
timmungen überhaupt nicht statt. Die Debatten äber die
nationale Verständigung — sich zu rettender Tat entschließt.
setzung ins Uferlose, und wenn diese Debatte schließlich
doch ein Ende nehmen würde, so Würde dem Ausschusse, formelle Geschäftsbehandlung werden verkürzt, indem
Der Nationalitätenkampf stört heute nicht nur die Gesetz¬
falls es nicht vorher zur ersten Lesung gekommen sein | der Präsident das Wort versagen und Anträge zur Ge¬
gebung, sondern in überaus bedenklichem Maße bereits die
schäftsbehandlung ganz abweisen kann. Tatsächliche Be¬
Verwaltung. Wird nicht bald ein Friedenszustand
sollte, das Verhandlungsmaterial fehlen.
Die Deutschnationale Korrespondenz“ berichtet über richtigungen sind in strenge Formen gebannt. Sie müssen
schaffen, der die Grenzlinien aussteckt, in denen die Inter¬
essen der Volksstämme sich frei entfalten können und dem
sich darauf beschränken, in der Debatte angeführte Tat¬
Es ist richtig, daß in den letzten Tagen Besprechungen. sachen als unrichtig zu bezeichnen und die richtigen ent¬
die deutsch=czechischen Besprechungen:
Staatsinteresse die notwendige Sicherung und Autorität
zwischen dem Ministerpräsidenten und deutschen und gegenzustellen. Polemiken sind ausgeschlossen. Um Ver¬
zu teil wird, dann bricht unsere Verwaltung vollständig
czechischen Politikern aus Böhmen stattgefunden haben. Zögerungen durch das Begehren nach Auszählung des
zusammen und tritt eine klägliche und kostspielige Zer¬
rüttung des Staats= und Volksvermögens ein, deren
Diese Besprechungen gatten ausschließlich den national= | Hauses hintanzuhalten, ist bestimmt, daß die beschlu߬
Sumptome schon höchst bedenklich sichtbar werden.