A117: Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 7

Innsbruck" im Verordnungswe
wurde allerdings auch der italienische Hauwersvertrag ichtsinntertum noch immer recht
perfekt und die politische Phantasie, die zwischen diesen 1 es sogar wagt, reichsdeutschen Gelehrten eine Berufung
man eine Komödie, die erst
aber nicht daran, so spielt
schleunigten Verlauf. Unverlöschlich fürs ganze Leben
Zeit notgehorchend, wenn auch nicht dem eigenen Drang,
recht das Heilige entweiht.
— „Und Sie glauben
aber war die Nachwirkung der gräßlichen Szene auf den
in Gottes, des Friedensgottes, Namen fünfe grad sein
nicht daran?" — „Nein, Herr Professor.“ Hierauf
anderen, jüngeren Bruder geblieben — sie hatte ihn zum
und frug nicht unzeitgemäß lange nach Kirchenpräsenz
ein Moment beiderseitigen Schweigens. Dann nimmt der
„Ketzer“ gemacht. Auch hier im Gymnasium nun, bekun¬
und Beichtzettel, der sonst immer am Tage nach der
Professor, der ernstlich ergriffen scheint, das Wort mit
dete sich dies; knirschend nur hatte er, dem Zwange des
Beichte hätte dem Herrn Professor abgeliefert werden
väterlichen Gebots sich fügend, die sonntäglichen Kirchen= einem, seinem sonstigen Wesen und den Äußerungen des
müssen. Doch es kam ein anderer Pharao ins Land —
selben ungewohnten väterlich liebevollen Klang: „Das ist
gänge mitgemacht — kaum aber hatte das Märzereignis
möge der heidnische Ausdruck in so unplacierter Anwen¬
traurig, sehr traurig. Aber ich kenne das, auch ich habe
von 1848 die erste Bresche dareingelegt, als er sich auch
dung verziehen sein. Pater Ernest trat in der nun¬
diese Zweifel, diese Seelenkämpfe durchgemacht, durch
für alle fernere Zeit davon lossagtes Und auch das Auf¬
mehrigen neuen „Siebenten“ in seine Stelle und Kirchen¬
schädliche Lektüre sind sie in mir angefacht worden —
treten des Paters Ernest beirrte ihn darin nicht und
gang und Beichte wurden sofort wieder mit aller Rigo¬
durch eigenes gesammeltes Nachdenken aber bin ich zu der
brachte ihn nicht zum Wanken.
rosität reaktiviert. Mein Sitznachbar in der vorderen
inneren Ruhe gelangt, worin allein der Mensch seine
Wäre der kompromißgeneigte Pater Leander
Bank war als „zweiter Prämiant“ Franz Nissel
irdische Zufriedenheit findet." Darauf ihm Nissel,
noch auf dem Kathedersitze gewesen, so hätte er vermut¬
der Sohn eines Hofschauspielers, der in seinen späteren
nicht ungezogen spöttisch, sondern mit der gleichen Artig
lich mit gewohnter Zudruckung eines und, wenn es ihm
Dichterjahren dann den Berliner Schillerpreis für seine
keit, mit zutraulicher Einfachheit antwortete: „Verzeihen
zweckmäßig erschien, auch beider Augen jeden Eklat ver¬
„Agnes von Meran“ bekam, eine Tragödie des Kampfes
Sie wieder, Herr Professor, Lektüre ist daran nicht
mieden — der Nachfolger aber war eben nicht von dieser
gegen die Übergewalt der Kirche. Im Geiste des Gym¬
schuld, nur durch eigenes Nachdenken bin ich zu meinen
Art. Und so war der Eklat unvermeidlich und wurde von
nasiasten aber regten sich bereits die Keime solcher Ge¬
jetzigen Ansichten gekommen.“ Wieder eine Pause, dann
der gesamten Schülerschaft tagtäglich mit lebhaftester
sinnungsentwicklung. Ein Trauerspiel in der eigenen
setzte wieder Pater Ernest ein, mit einem halben
Spannung erwartet. Endlich brach er los. Als eines
Familie hatte seinen nie mehr erlöschenden Eindruck in
Lächeln sogar: „So wollen wir es bei Ihnen mit der um¬
Tages wiederum die Beichtzettel abgegeben werden sollten
dem Gemüte des Knaben zurückgelassen. Er hatte einen
gekehrten Kur versuchen. Ich werden Ihnen heilsam
und Nissel sich dabei nicht meldete, rief ihn der Pro¬
Bruder gehabt, an dem er mit zärtlicher Liebe gehangen
Bücher zum Lesen geben — wollen Sie?" — „Mit Ver
Beichtzettel fehlt!" — „Ich
fessor an: „Nissel, Ihr
war. Dieser war in Linz, wo der Vater früher Engage¬
gnügen und Dank, Herr Professor, ich lasse mich gern
zerr Professor.“ — „Waren Sie denn nicht
habe keinen, H
ment gehabt hatte, auf den Tod erkrankt, hatte sich aber
belehren.“ Und nun begann ein eigentümlicher, private
bei der Beichte?" — „Nein, Herr Professor.“ —„Warum
mit kindlicher Daseinsfreudigkeit an die Hoffnung der
separatkursus zur Bekehrung des jugendlichen Ungläu¬
nicht?“ Darauf Nissel mit der überlegenen Ruhe eines
Wiedergenesung geklammert. Doch es kam der Tag, der
bigen und Woche für Woche erschien Nissel in der Kloster¬
natürlichen Schicklichkeitsgefühles, das den überhitzten
keinen Zweifel mehr an dem traurigen Ausgang beließ
Eifer des Katecheten einigermaßen dämpfte und sogar in zelle des Religionslehrers, die absolvierten Bücher gegen
und nun gab der Vater die Weisung, es solle um den
andere auszutauschen. Von einem Beichtzwang war in
Priester geschickt werden. Die jammernde Mutter tat
einige Verlegenheit brachte: „Ich glaube, Herr Professor,
dieser ganzen Zeit nicht weiter die Rede. Als aber Woche
Einsprache dagegen, weil sie die Wirkung des Erschei
daß sich über so etwas nicht hier, vor allen, ausführlich
um Woche verging, ohne daß sich das mindeste Besserungs¬
und deutlich reden läßt.“ Pater Ernest biß in die
nens des Geistlichen auf den armen Kranken fürchtete.
resultat bei dem Widerspenstigen zeigten wollte, überkam
Lippen und zwang sich zu gleicher Ruhe: „Gut, kommen
Der Vater aber, eine pedantisch=ängstliche Natur, besorgt
dem geduldvollen Bekehrer denn doch endlich die Ahnung
Sie nach dem Unterricht zu mir in mein Zimmer.
die Unterlassung eines solchen Gebots pflichtgemäßer
daß hier des Bekehrens Mühe eine verlorene fein dürfte
Wenige Stunden darauf stand Nissel dort vor dem
Gläubigkeit könne seiner Stellung in der Stadt schaden
und er trachtete, auf gute Weise davon loszukommen
Erzürnten. „Sagen Sie mir also jetzt, warum Sie nicht
bestand darauf und der Geistliche wurde herbeigerufen.
„Die Zeit der Prüfung rückt immer näher — sagte er
zur Beichte gehen." — „Verzeihung, Herr Professor, ich
Bei seinem Eintritt mit dem geweihten Apporate de
zu dem starrsinnigen Schüler einmal, als sich dieser
denke, da gibt es nur zwei Fälle: entweder man glaubt
vorzunehmenden heiligen Handlung bäumte sich der
wieder zur Bücherauswechslung meldete — da werden Sie
daran, oder man glaubt nicht daran. Glaubl man
kranke Knabe in wildem Entsetzen im Bette auf, stieß den
sich doch fleißiger vorbereiten müssen und keine Zeit zum
Schreckensruf aus: „Sterben muß ich?
und sank
daran, so geht man, wenn der innere Drang treibt, läßt
Lesen haben. Lassen wir also das mit den Büchern einst¬
sich aber nicht herdenweise dazu führen — glaubt man
ohnmächtig zurück. Die Krise nahm darauf ihren be-