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alten Dummkopf Bragadino, einen Brief voll geheuchelter Demut
und verlogenen Entzückens: er nehme die Gnade des hohen Rats
mit freudiger Dankbarkeit an und erwarte den Wechsel mit wenden-
der Post, um sich seinen Gönnern, vor allem seinem hochverehrten
väterlichen Freunde Bragadino sobald als möglich zu Füssen um
legen zu dürfen. Während er eben daran war, den Brief zu versie-
geln, klopfte es leise an die Tür; Olivos ältestes Töchterlein,
die preizehnjährige trat ein und bestellte, dass die ganze Gesell-
schaft bereits versammelt sei und den Chævalier mit Ungeduld
zum spiel erwarte. In ihren Augen glimmte es sonderbar, ihre Wan-
gen waren gerötet, das frauenhaft dichte Haar spielte bläulich-
schwarz um ihre Schläfen; der kindliche Mund war halb geöffnet;
„Hast du Wein getrunken, Teresina?“ fragte Casanova und machte
einen langen Schritt auf sie zu. -.Wahrhaftig - und der Herr
Chevalier merken das gleich? Sie wurde noch röter, und wie in
Verlegenheit strich sie sich mit der Zunge über die Unterlippe.
Casanova packte sie bei den Schultern, hauchte ihr seinen Atem
ins Gesicht, sog sie mit sich, warf sie aufs Bett; sie sah ihn mit
grossen hilflosen Augen an, in denen das Glimmen erloschen war;
doch als sie ihren Mund wie zum Schreien öffnete, zeigte ihr Ca-
sanova eine so drohende Miene, dass sie fast erstarrte und alles mit
sich geschehen liess, was ihm beliebte. Er küsste sie zärtlich
wild und flüsterte: Du musst es dem Abbate nicht sagen, Toresina,
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alten Dummkopf Bragadino, einen Brief voll geheuchelter Demut
und verlogenen Entzückens: er nehme die Gnade des hohen Rats
mit freudiger Dankbarkeit an und erwarte den Wechsel mit wenden-
der Post, um sich seinen Gönnern, vor allem seinem hochverehrten
väterlichen Freunde Bragadino sobald als möglich zu Füssen um
legen zu dürfen. Während er eben daran war, den Brief zu versie-
geln, klopfte es leise an die Tür; Olivos ältestes Töchterlein,
die preizehnjährige trat ein und bestellte, dass die ganze Gesell-
schaft bereits versammelt sei und den Chævalier mit Ungeduld
zum spiel erwarte. In ihren Augen glimmte es sonderbar, ihre Wan-
gen waren gerötet, das frauenhaft dichte Haar spielte bläulich-
schwarz um ihre Schläfen; der kindliche Mund war halb geöffnet;
„Hast du Wein getrunken, Teresina?“ fragte Casanova und machte
einen langen Schritt auf sie zu. -.Wahrhaftig - und der Herr
Chevalier merken das gleich? Sie wurde noch röter, und wie in
Verlegenheit strich sie sich mit der Zunge über die Unterlippe.
Casanova packte sie bei den Schultern, hauchte ihr seinen Atem
ins Gesicht, sog sie mit sich, warf sie aufs Bett; sie sah ihn mit
grossen hilflosen Augen an, in denen das Glimmen erloschen war;
doch als sie ihren Mund wie zum Schreien öffnete, zeigte ihr Ca-
sanova eine so drohende Miene, dass sie fast erstarrte und alles mit
sich geschehen liess, was ihm beliebte. Er küsste sie zärtlich
wild und flüsterte: Du musst es dem Abbate nicht sagen, Toresina,