P.
Abschrift Februar 1837
G.F.P.
Freund Apsison.
Mein
rijn dt
Aus den Papieren eines Arztes.
Monsieur
Von Artur Schnitzler. (1889.)
G.C.F.P.
Kenn auf irgend
ein Menschenschicksal das Wort „Tragikomödie“ passen mag
so ist es sicherlich das Schicksal meines nun verstorbenen Freundes Ypfilon
auf dessen Grab ich gestern wieder einen Kranz gelegt habe, einen Franz
aus Immortellen, in den ich auch etwelchen Lorbeer einflechten ließ. Denn
meiner Ansicht nach hat kaum jemals ein Dichter ihn so sehr verdient, als mein Freund
Ypsillon — nicht wegen seines Genies, das kaum gegen alle Anfechtungen der Kritik sich
hätte gefeit erweisen können, sondern wegen der großartigen Weise, in der ihm seine
Kunst zu Herzen ging. Nimmer habe ich seinesgleichen gesehen, und mancher von den
großen Poeten, die von der Mitwelt hoch gepriesen werden, könnte wohl hinausgehen
auf den Währinger Friedhof und ein stilles Gebet verrichten an dem kleinen Kreuze, so
die Inschrift trägt:
Hier ruhet in Gott
Martin Brand.
Martin Brand, so hieß er mit seinem wahren Namen. Möge man sich nur nicht
wundern, daß dieser Name, dessen Andenken ich so sehr verehre, keine besonderen Erfolge
aufzuweisen hatte. Seine Gedichte, deren einige allerdings, mit „y“ unterzeichnet, in
einem kleinen Salzburger oder Grazer Blättchen veröffentlicht wurden, ragten nicht
sonderlich hervor, und auch bei mir, an den sich der studiosus philologiae — das war
Herr Martin Brand im bürgerlichen Leben — zuweilen mit seinen geschriebenen Phan¬
tasien wandte, vermochte er selten eine wahrhaftige Aufmunterung oder Anerkennung
zu finden.
Aber wie die meisten jungen Dichter gab er wenig auf das Urteil derjenigen
denen seine Schreibereien nicht gefielen, und fühlte sich bei seiner Muse, die unsichtbar
ihm stets zur Seite wandelte, so unendlich wohl, daß er bis zu einer gewissen Zeit zu
den glücklichsten Menschen gehörte, die mir jemals begegnet sind. Allerdings war er
manchmal trübselig; doch sicherlich nie wegen irgend eines mißlichen Zufalles, der ihm
in dem verächtlichen Alltagsleben zugestoßen war, sondern nur, wenn sein Sinn sich
mit einem recht traurigen Thema befaßte: wenn er an einem Drama arbeitete, in dem
Königinnen an gebrochenen Herzen und Prinzen an einem gespaltenen Schädel starben,
oder wenn er ein Märchen schrieb, in dem eine böse Fee aus angeborener Bosheit das
Glück zweier braver Menschenkinder zu vernichten drohte. Dagegen war er wieder un¬
bändig heiter, wenn er den Frühling besang, oder eine Ballnacht, in welcher eine schöne
Maske einen als reichen Nubier verkleideten Kunstakademiker auf den Mund küßt um
nachher sagt: „Ja, du bist's, und Keiner soll dich mir rauben!
Abschrift Februar 1837
G.F.P.
Freund Apsison.
Mein
rijn dt
Aus den Papieren eines Arztes.
Monsieur
Von Artur Schnitzler. (1889.)
G.C.F.P.
Kenn auf irgend
ein Menschenschicksal das Wort „Tragikomödie“ passen mag
so ist es sicherlich das Schicksal meines nun verstorbenen Freundes Ypfilon
auf dessen Grab ich gestern wieder einen Kranz gelegt habe, einen Franz
aus Immortellen, in den ich auch etwelchen Lorbeer einflechten ließ. Denn
meiner Ansicht nach hat kaum jemals ein Dichter ihn so sehr verdient, als mein Freund
Ypsillon — nicht wegen seines Genies, das kaum gegen alle Anfechtungen der Kritik sich
hätte gefeit erweisen können, sondern wegen der großartigen Weise, in der ihm seine
Kunst zu Herzen ging. Nimmer habe ich seinesgleichen gesehen, und mancher von den
großen Poeten, die von der Mitwelt hoch gepriesen werden, könnte wohl hinausgehen
auf den Währinger Friedhof und ein stilles Gebet verrichten an dem kleinen Kreuze, so
die Inschrift trägt:
Hier ruhet in Gott
Martin Brand.
Martin Brand, so hieß er mit seinem wahren Namen. Möge man sich nur nicht
wundern, daß dieser Name, dessen Andenken ich so sehr verehre, keine besonderen Erfolge
aufzuweisen hatte. Seine Gedichte, deren einige allerdings, mit „y“ unterzeichnet, in
einem kleinen Salzburger oder Grazer Blättchen veröffentlicht wurden, ragten nicht
sonderlich hervor, und auch bei mir, an den sich der studiosus philologiae — das war
Herr Martin Brand im bürgerlichen Leben — zuweilen mit seinen geschriebenen Phan¬
tasien wandte, vermochte er selten eine wahrhaftige Aufmunterung oder Anerkennung
zu finden.
Aber wie die meisten jungen Dichter gab er wenig auf das Urteil derjenigen
denen seine Schreibereien nicht gefielen, und fühlte sich bei seiner Muse, die unsichtbar
ihm stets zur Seite wandelte, so unendlich wohl, daß er bis zu einer gewissen Zeit zu
den glücklichsten Menschen gehörte, die mir jemals begegnet sind. Allerdings war er
manchmal trübselig; doch sicherlich nie wegen irgend eines mißlichen Zufalles, der ihm
in dem verächtlichen Alltagsleben zugestoßen war, sondern nur, wenn sein Sinn sich
mit einem recht traurigen Thema befaßte: wenn er an einem Drama arbeitete, in dem
Königinnen an gebrochenen Herzen und Prinzen an einem gespaltenen Schädel starben,
oder wenn er ein Märchen schrieb, in dem eine böse Fee aus angeborener Bosheit das
Glück zweier braver Menschenkinder zu vernichten drohte. Dagegen war er wieder un¬
bändig heiter, wenn er den Frühling besang, oder eine Ballnacht, in welcher eine schöne
Maske einen als reichen Nubier verkleideten Kunstakademiker auf den Mund küßt um
nachher sagt: „Ja, du bist's, und Keiner soll dich mir rauben!