A220: Der Sekundant, Seite 2

auf dem Reichstag zu Speyer vom Römischen König
drescherei als Mittel einspringen. Das Pflichtgefühl triumphiert
In der Galerie Weber beginnt Sonntag, 3. Januar, eine Aus¬
schließlich über Seele und Verstand. Das Milieu dieser Flieger¬
Ferdinand und andern Fürsten als ein Wunder beschauet,
stellung von Arbeiten des Berliner Malers Rudolf Riester.
staffel ist scharf beobachtet, die Soldatentypen sind gut gesehen
und von Henrich Vogther eigentlich abgemahlet.
Der Berein Berliner Künst
ist das neue Ja
der Feind wird nicht verunglimpft, der Realismus wird nun
einer Ausstellung Münchner Kur
ranstal
durch eine lyrische Szene zwischen einem Offizier und einem
aufeinanderfolgenden Abteilungen durchgeführt wer
material wurde von
Franzosendirnchen unterbrochen, hier auch läßt der Autor
Professoren
Eröffnung
Rundfunk: Werkwochen. Wir hörten dem aufschlu߬
Menschen sich finden über alle Hindernisse hinweg. Die Regie
attfindenden Ausstel¬
ist auf Mit
reichen Gespräch mit einem Arbeitslosen zu, allerdings war es
von Dr. von Gordon faßte die einzelnen Szenen und Episoden
nach
ags 5 Uhr, festgesetzt. —
Am gleich
nicht irgendein typischer, sondern einer, der sich durch zähe Arbeit
straff zusammen, im Vordergrund stand Dirmosers Offizier, echt
Ergartenstraße
in der
onderand
19
Krs Heinrich
an sich selber und mit der Gemeinschaft durchringen konnte zu
in allen Wandlungen der Stimmung. Der anwesende Autor
stages, und ein
erträglicher geisiger Situation. Er widme: sich jezt der Selbst= wurde mehrmals gerufen, man unterstrich mit dem starken Beifall
Eisausstellung von
Arbeiten des verstorbenen Professors Franz August Börner eröffnet.
hilfe der Erwerbslosen (er bekämpft das Wort arbeitslos), be¬
die gegen den Wahnsinn des Krieges gerichtete Tendenz. m.
nicht Duellant gewesen bin. Schon mit achtzehn Jahren, als trieben die Vorsicht so weit, am Schalter Billetts bis Wien
Kavalleriefreiwilliger, war ich zum ersten Male Sekundant
zu nehmen, stiegen aber natürlich in dem Bahnhof des
Der Sekundant
in einer Ehrenaffäre zwischen einem Kameraden und einem
Städtchens aus, wo am nächsten Morgen das Duell statt¬
Novelle von
Attaché der französischen Gesandtschaft. Bald darauf wählte
finden sollte.
mich der berühmte Herrenreiter Vulkovicz zu seinem Se¬
Doktor Mülling war ein langjähriger, fast gleichaltriger
ARTHUR SCHNITZLES
kundanten in dem Duell mit dem Fürsten Luginsfeld und
Freund Loibergers, fünfunddreißig etwa. Was mich an¬
auch weiterhin, trotzdem ich weder Adeliger noch Berufs¬
belangt, verdankte ich die Ehre, zum anderen Zeugen aus¬
offizier, ja sogar jüdischer Abstammung war, wandte man
Copyright 1931 by Heinrich Schnitzler
erwählt zu sein, außer meiner schon erwähnen allgemeinen
sich ganz besonders in schwierigen Fällen, wenn man eines
Eignung dazu, dem Umstand, daß ich meine Ferien in der
Ich war damals dreiundzwanzig Jahre alt, und es war
Sekundanten bedurfte, mit besonderer Vorliebe an mich. Ich
gleichen Sommerfrische verbrachte wie Loiberger und in seiner
mein siebentes Duell — nicht mein eigenes, aber das
will gar nicht leugnen, daß ich es zuweilen ein wenig be¬
Billa ziemlich oft zu Gast war. Sonderlich sympathisch war
siebente, an dem ich als Sekundant teilnahm. Lächeln Sie
dauerte, diese Dinge immer nur sozusagen als Episodist mit
er mir nie gewesen, aber das Haus war gesellig, viele an
meinetwegen. Ich weiß, es ist in unserer Zeit üblich ge¬
zumachen. Recht gern wäre ich einmal selbst einem gefähr¬
genehme Menschen gingen aus und ein, es wurde musiziert
worden, sich über derartige Veranstaltungen lustig zu machen
lichen Gegner gegenübergestanden und weiß nicht einmal
Tennis gespielt, gemeinsame Ausflüge und Ruderpartien
Man tut nicht recht daran, meine ich, und ich versichere Sie
was ich im Grunde vorgezogen hätte — zu siegen oder zu
wurden unternommen und endlich war ich dreiundzwanzig
das Leben war schöner, bot jedenfalls einen edleren Anblick
fallen. Aber es kam niemals dazu, obzwar es wahrlich nicht
Jahre alt. Als Ursache des Duells war mir ein Wortwechsel
damals — unter anderem gewiß auch darum, weil man es
an Gelegenheiten fehlte und wie Sie sich wohl denken können
angegeben worden zwischen Eduard Loiberger und dem
manchmal aufs Spiel setzen mußte für irgend etwas, das in
an meiner Bereitwilligkeit niemals der geringste Zweifel
Gegner, dem Ulanenrittmeister Urpadinsky. Den kannte ich
einem höheren oder wenigstens anderen Sinn möglicherweise
bestand. Vielleicht war übrigens das mit ein Grund, daß
kaum. Sonntags war er am See gewesen, besuchsweise aus
gar nicht vorhanden oder das wenigstens den Einsatz, nach
ich niemals eine Forderung erhielt, und daß in den Fällen
seiner Garnison, offenbar nur zum Zwecke jenes Wort¬
heutigem Maß gemessen, eigentlich nicht wert war, für die
wo ich mich zu fordern genötigt sah, die Angelegenheiten
wechsels, der als Vorwand für das Duell dienen sollte, aber
Ehre zum Beispiel, oder für die Tugend einer geliebten Frau
stets ritterlich beigelegt wurden. Jedenfalls Sekundant war
im Jahr vorher hatte er den ganzen Sommer mit seiner
oder den guten Ruf einer Schwester, und was dergleichen ich mit Leib und Seele. Das Bewußtsein, gewissermaßer
Frau hier verbracht
Nichtigkeiten mehr sind. Immerhin bleibt es zu bedenken, mitten in ein Schicksal oder besser an die Peripperie eines
Die Erledigung der Angelegenheit war den beiden Herren
daß man im Laufe der letzten Jahrzehnte auch für viel
Schicksals gestellt zu sein, hatte stets etwas Bewegendes, Auf¬
offenbar sehr eilig. Die Besprechung zwischen den Sekun¬
Geringeres völlig nutzlos und auf Befehl oder Wunsch
rührendes, Großartiges für mich
danten hatte schon am Sonntag abend, wenige Stunden nach
anderer Leute sein Leben zu opfern genötigt war. Im Zwei
Dieses siebente Duell aber, von dem ich Ihnen heute er= jenem Vortwechsel, und zwar in Ischl stattgefunden. Milling
kampf hat doch immer das eigene Belieben mitzureden gehabt
zählen will, unterschied sich von allen meinen andern
und ich waren von Loiberger angewiesen, die Bedingungen
auch dort, wo es sich scheinbar um einen Zwang, um eine
früheren und späteren dadurch, daß ich von der Peripperie
der gegnerischen Sekundanten ohne Widerrede zu akzeptieren;
Konvention oder um Snobismus handelte. Daß man über¬
gleichsam in den Mittelpunkt rückte, daß ich aus der Episoden¬
sie waren schwer
haupt mit der Möglichkeit oder gar der Unausweichlichkeit
figur eine Hauptperson wurde, und daß bis zum heutigen
Also am Montag kamen Mülling und ich in der kleinen
von Duellen innerhalb eines gewissen Kreises wenigstens
Tage kein Mensch von dieser sonderbaren Geschichte etwas
Stadt an
rechnen mußte, das allein, glauben Sie mir, gab dem gesell
erfahren hat. Auch Ihnen mit Ihrem ewigen Lächeln hätte
Wir besichtigten vor allel das Terain, das zu dem
schaftlichen Leben eine gewisse Würde oder wenigstens einen ich nichts davon erzählt, aber da Sie ja in Wirklichkeit gar
Rendezvous=Platz für morgen bestimmt worden war. Auf
gewissen Stil. Und den Menschen dieser Kreise, auch den
nicht existieren, so werde ich Ihnen auch weiterhin die Ehre
einer kleinen Spazierfahrt, die sich daran schloß, sprach Mül¬
nichtigsten oder lächerlichsten, eine gewisse Haltung, ja den
erweisen zu Ihnen zu reden, junger Mann, der immerhin
ling von seinen Reisen, längst verflossenen Universitäts¬
Schein einer immer vorhandenen Todesbereitschaft, wenn
so viel Takt besitzt, zu schweigen.
studien, Studentenmensuren, Professoren, Prüfungen, Villen¬
Ihnen dieses Wort auch in solchem Zusammenhang doch allzu
So ist es auch ziemlich gleichgültig, wie und wo ich anfange
bauten, Meisterschaften im Rudersport und allerlei zufälligen,
großartig erscheinen sollte.
Ich erzähle die Geschichte wie sie mir in den Sinn kommt gemeinsamen Bekannten. Ich stand damals vor meinem
Aber ich schweife ab, noch ehe ich angefangen habe. Ich
und beginne bei dem Augenblick, der mir zuerst in den Sinn letzten Staatsekamen. Mülling war ein schon recht bekannten
wollte Ihnen ja die Geschichte meines siebenten Duells er¬
kommt, also in dem, da ich in Gesellschaft des Doktor Mülling
Anwalt. Von dem, was für morgen bevorstand, redeten wir
zählen und Sie lächeln wie vorher, weil ich wieder von
in den Zug stieg. Nämlich, um keinerlei Mißtrauen zu er¬
wie auf Verabredung kein Wort. Von den Gründen des
meinem Duell spreche, obwohl ich doch, wie es nun einmal
regen, vor allem bei der jungen Gattin Eduards, verließen
Duells wußte Doktor Mülling zweifellos mehr, als er mir
meine Bestimmung war, auch in diesem Fall nur Zeuge, aber
wir schon Montag vormittag den Villenort am See, ja, wir anzuvertrauen für gut fand.
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