A228: Spaziergang, Seite 4

P.S.
"Nein, nein," sagte Hans, „ich habe keine Sehnsucht nach Deutlich-
keit! Ich welch einförmiger, unausstehlicher Beleuchtung stände Alles
da! Verdrossen wie an einen Wintertage würden wir durch dieses frontige
Dasein eilen.“
"Und wer von uns," sagte Max,"glaubt ihr wohl, hat am meisten An-
wartschaft darauf, dieses Rätsel zu lösen, in das wir eben jetzt wieder
hineinspazieren, und das uns mit seinen tausend Laternen und mit den be-
leuchteten Fenstern höhnisch entgegenglänzt?- Du,Hans, für den die
LIsung des Rätsels aus unbewussten Schmerzen — oder du, Stefan, für den
es aus dem Hauch ferner Zeiten zu kommen scheint – oder du, Fritz, der du
dich vom gedankenlosen Strame mittreiben lassen willst-?
"Wir Alle eher, als du", sagte Stefan, "wenn du wirklich ein so
Wacher wärst, als du uns glauben machen willst. Aber auch zwischen dir
und der Stadt bestehen Beziehungen. Und zwar andere, als die zwischen dem
Schauenden und dem Geschauten. Du bist ganz einfach ein Betrogener Wiens
und wie es nun schon einmal Betrogene tun, spielst du den Kalten und
höhnst. Dich hat Wien getäuscht, weil du es einmal zu sehr geliebt hast,
Du warst berauscht davon. Es hat dir so viel gegeben; bedenke doch;— fast
den ganzen Inhalt, deines Lebens verdankst du ihm; Alles, was du schufst,
war von Wiener Luft durchtränkt, und Alles was du lebtest, hatte die Süs-
sigkeit seiner Atmosphäre. Ist’s nicht so?"
"Ja, Aber das ist lang vorbei. Wien! - Plötzlich hatte es sich
von mir angewandt. Alles missglückte mir, was ich in Kunst und Leben
unternahm. Ich nannte es ein Missglücken, während doch eigentlich nichts
Anderes geschah, als dass sich meine Art zu schauen änderte. Ich klage
nicht darüber, denn es musste offenbar so kommen, und nirgends in der
Welt wäre es mir anders ergangen. Es gibt Leute, die ihre Jugend nie los
werden - wie ihr zum Beispiel! Ich aber gehöre zu Denen, welche eines
Morgens aufwachen und keine Freude am Spiel mehr finden. Da kommt wohl
auch eine Zeit der Bitterkeit, in der man die Anderen beneidet, die wei-
terspielen. Zuerst ist nur das schale Gefühl da, dass man etwas verloren
hat. Ja, man hat die Kinderfreude verloren, an Alles so nahe heranzutreten,
dass man es berühren kann. Die Verwandtschaft ist einen abhanden gekommen,
man gehört nicht mehr dazu. Und da ist man eine Zeitlang einsam und arm,
denn die Einsamkeit findet uns nicht reif, sie macht uns erst dazu. Dann
aber kommt die grosse Klarheit. Man lässt einfach seine Sinne die Welt
einsaugen. Man verzichtet darauf, die hundert Spiele mit der Welt zu
spielen, ienen ihr die schönen Namen gebt. Ich bin ja noch nicht so weit,