A230: Und einmal wird der Friede wieder kommen, Seite 51

(Krieg)
(1919)
Sie schreiben und gebärden sich nicht etwa als hätte Deutschland
diesen Krieg angezettelt, sondern als hätte Deutschland überhaupt den
Krieg erfunden.
Geschichtliche Unkenntnis kommt ihnen zustatten.
Trotzdem dürfte selbst dem grössten Ignoranten nicht unbekannt
sein, dass Kriege geführt wurden, so lange die Welt steht und dass
er - dies das Wesentliche - immer als Möglichkeit, wenn schon nicht
als Notwendigkeit in Betracht kam.
Niemals galt es schon an sich als eine ungeheuere Schurkerei
einen Krieg anzufangen oder ihn gar zu erklären (wenn es auch wahr-
scheinlich immer eine var). Kriegerisch, kampfesfreudig, Heldenhaftig-
keit und andere Worte ähnlicher Bedeutung galten keineswegs als
Schmähungen, (wenn sie vielleicht auch immer dafür hätten gelten sol-
len).
Aber freuen wir uns immerhin, dass die Menschheit in ihrer unge-
heueren Mehrzahl für den Augenblick (lange wird es ja nicht dauern)
zu einer richtigen Auffassung thisch vom Wesen des Kriegs und psycho-
logisch vom Wesen des Heldentums gekommen zu sein scheint. Keines-
falls bestand diese Auffassung im Jahre 1914.
A priori darf und durfte die Welt also nicht einen Staatsmann
oder einen Regenten schon deswegen für einen ungeheueren Verbrecher
erklären, weil er in einem bestimmten Augenblick das tat, was bis da-
hin einige tausend Menschen getan hatten, die in der Geschichte als
Helden ihres Volkes, als istrioten als grosse Politiker fortleben;-
nämlich einen Krieg anzufangen oder zu erklären.
Die Frage ist nun: hat Deutschland diesen Krieg erklärt oder ange-
fangen?