A236: Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 52

Jedes Menschenkind nach Belieben verfügen. Auch ohne eines Bru-
ders oder eines Pfarrers Segen.
Medardus: Etzelt, Du sprichst von meiner Schwester. Lass Dich von
Deiner verdammten Philosophie nicht zu weit locken.
Etzelt: Besser zu weit als auf einen krummen Weg. Dass heute noch
so törichte Sorgen in Dir wühlen, ich hätte es nicht erwartet.
Tu sie ab von Dir, Medardus. Mir ist, als müsste Einem, der eben
auszieht, das Vaterland zu retten, grösseres am Herzen liegen.
Medardus: Wohin entschlüpfst Du mir? Willet Du mir sagen, Du Zweif-
ler und Philosoph, dass Dir eben das als etwas Grosses erscheint?
Ich glaub es Dir nicht. Ich glaube, im tiefsten Deiner Seele
lachst Du über mich und uns alle.
Etzelt: Du irrst. Ich bewundere Euch. Nicht die bewundere ich, Me-
geleitet
dardus, die vorangehn von leuchtenden Blicken gefolgt, und von
der winkenden Unsterblichkeit gerufen, - vor jenen andern neig
ich mein Haupt, Medardus, den Hunderttausenden, von denen auch
Du Einer bist und von denen jeder bereit ist, namenlos mit tau-
sen andern Namenlosen, in ein frühes Grab zu sinken, - oder aus
Müh, Gefahr und Pein, schlecht belohnt, in die ruhmlose Dämmerung
des Alltags heimzuschleichen. Einen Frühling säen, von dem keine
Blüten Euch zieren, und dessen Duft vielleicht nur über Eure Grä-
ber streichen wird, das scheint mir gross.
(Vor den Fenstern draussen beginnt Unruhe, Fakellicht fällt in
den Hintergrund.)
The Große, die di in
Medardus: so nimm Deine Bewunderung zurück, Etzelt. 80 gross bin ich
ist mitnicht eigen,
nicht, wie Du meinst. Wer sagte Dir, dass ich namenlos untergehn
will mit den Andern? Deine Worte leuchten mir greil in einen
Winkel meiner Seele, aus dem ichs bis zu diesem Augenblick selbst
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