Wort. Diese Bedeutung ist hier derart übersteigert, dass sich Filippe
selbst den Tod gibt., eben darum, weil Beatrice ihm anscheinend untreu ge-
worden ist. Und dieser Schein wird zur Wirklichkeit, wird überlebendig,
ähnlich in jenem anderen Werke Schnitzlers, in dem er Zustände der fran-
zösischen Revolution auf die Bühne bringt, dem "Grünen Kakadu". Wie dort
so haben wir auch im Schleier der Beatrice“ das Gefühl, hier werde nichts
Vergangenes, sondern unsere eigene Welt gezeigt. Im Hintergrunde der Tra-
gödie lauert der Tod, der vor den Toren der Stadt seine Sense schärft.
Im Innern Bolognas durchmessen die Menschen Schicksale von gewaltiger Art.
Der Herzog muss drei der ihm liebsten Menschen sterben sehen, Filippo, den
Dichter, Beatrice, die jung angetraute Gattin und endlich den Grafen An-
drea, den Freund, den Bruder der Braut Filippos, den ein Pfeil aus feind¬
lichem Lager dahinstreckt. Beatrice muss erfahren, dass all dies unerhör-
te Erleben den Sinn für sie habe, wie das grosse Staunen zu lehren, sie
für die Wunder und Schauder des Daseins hellsichtig zu machen,-aber auch,
dass dises Staunen ihr solche Müdigkeit auf die Lider legt, dass sie nicht
weiterlehen kann. Voraussetzung für die Bewegtheit des Stückes ist aber,
wie schon dargelegt, das Todesmotiv, dass die Menschen zwingt, sich noch
einmal auszuleben, aufzutoben. Das Hochzeitsfest wird zur Orgie, weil die
blühende Jugend der Stadt sich hier im Rausch und Taumel einer höchsten
Lust für den Tod weiht. Diesem Tode kann niemand entgehen, und das ist
die letzte und höchste Tragik, dass der jungen Beatrice Leben schon vorher
verwirkt ist, kraft einer Schuld, dern die Menschen sie zeihen, die aber in
Wirklichkeit nicht besteht.
Unser Drama ist so überbewegt, dass selbst die Bühne nicht ausreicht
all' dieses Leben aufzunehmen. Schnitzler geht weiter und lässt hinter der
Bühne den Grafen Mariscotti hinrichten; Die Lustschreie der zum letzten
Mal "Lebenden" Menge gellen von ferne und Cesare Borgia steht als drohen-
der Schatten mit erhobenem Schwerte hinter jeder Szene.
Arthur Schnitzler ist Impressionist und will wie Wilhelm Knevels
in seinem Buche „Das moderne Drama“ zeigt, „ die Wirklichkeit in ihrer
Wirkung auf die menschlicheIsyche darstellen, auf de Peyche des Künst¬
lers und damit auf die des Espfangenden.“ In solcher Eindruckskunst bericht
tet der Dichter nur die Eindrücke, die er vom Leben erhält und zeigt, wie
die Vorgänge sich in den Menschen der Erzählung spiegeln. Wie Oskar Walzel
wird das innere
in „Gehalt und Gestalt im Kunstwerk des Dichters“ sagt,
Leben in dem Augenblicke erfasst, in dem es an die Oberfläche tritt. Not-
wendig ist dann, dass die Bewegtheit des Lebens auch der Gestalt orga-
nisch sich einprägt. Hier herrscht Bewegtheit des Lebens. Einmaliges, nicht
ein für allemal Bestehendes offenbart lei Gehalt wie in der Gestalt. Ein
Werden drückt sich aus, auch wenn nur ein einziger Augenblick erfasst wird
Jede Handlung wird Zufall und abhängig vom Augenblick:
— Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nicht von uns.
Wir spielen immer; wer es weiss, ist klug. (Paracelsus.
So spielt dann im „Grünen Kakadu“ das Volk mit den im Besitz der
Macht sich wähnenden Adeligen - am-vorabend der französischen Revolution.
In einer Pariser Spelunke lässt sich am Spätnachmittag des Bastillenstur¬
mes eine Gesellschaft blassierter Aristokraten von frechen Schauspielern
zum Kitzel ihrer erschlafften Nerven allerlei Gewagtheiten und Verbrecher=
szenen vorführen; und einer der Spieler erzählt dabei, dasser den Liebha-
ber seiner ihm erst seit gestern angetrauten Frau, einen Herzog, bei ihr
in der Garderobe getroffen und soeben erstochen habe. Der Wirt und die an-
deren, die wissen, dass jene ihn wirklich mit dem Herzog betrügt, halten
das, weil er so natürlich spielt, für Ernst, und so erfährt auch der Spie-
ler die Wahrheit. Im gleichen Augenblick aber tritt der Herzog von Cadig-
nan auf; und Henri, der Schauspieler, sticht ihn nieder. Die Menge flutet
herein und lässt an der Leiche die Revolution leben, während die adeligen
selbst den Tod gibt., eben darum, weil Beatrice ihm anscheinend untreu ge-
worden ist. Und dieser Schein wird zur Wirklichkeit, wird überlebendig,
ähnlich in jenem anderen Werke Schnitzlers, in dem er Zustände der fran-
zösischen Revolution auf die Bühne bringt, dem "Grünen Kakadu". Wie dort
so haben wir auch im Schleier der Beatrice“ das Gefühl, hier werde nichts
Vergangenes, sondern unsere eigene Welt gezeigt. Im Hintergrunde der Tra-
gödie lauert der Tod, der vor den Toren der Stadt seine Sense schärft.
Im Innern Bolognas durchmessen die Menschen Schicksale von gewaltiger Art.
Der Herzog muss drei der ihm liebsten Menschen sterben sehen, Filippo, den
Dichter, Beatrice, die jung angetraute Gattin und endlich den Grafen An-
drea, den Freund, den Bruder der Braut Filippos, den ein Pfeil aus feind¬
lichem Lager dahinstreckt. Beatrice muss erfahren, dass all dies unerhör-
te Erleben den Sinn für sie habe, wie das grosse Staunen zu lehren, sie
für die Wunder und Schauder des Daseins hellsichtig zu machen,-aber auch,
dass dises Staunen ihr solche Müdigkeit auf die Lider legt, dass sie nicht
weiterlehen kann. Voraussetzung für die Bewegtheit des Stückes ist aber,
wie schon dargelegt, das Todesmotiv, dass die Menschen zwingt, sich noch
einmal auszuleben, aufzutoben. Das Hochzeitsfest wird zur Orgie, weil die
blühende Jugend der Stadt sich hier im Rausch und Taumel einer höchsten
Lust für den Tod weiht. Diesem Tode kann niemand entgehen, und das ist
die letzte und höchste Tragik, dass der jungen Beatrice Leben schon vorher
verwirkt ist, kraft einer Schuld, dern die Menschen sie zeihen, die aber in
Wirklichkeit nicht besteht.
Unser Drama ist so überbewegt, dass selbst die Bühne nicht ausreicht
all' dieses Leben aufzunehmen. Schnitzler geht weiter und lässt hinter der
Bühne den Grafen Mariscotti hinrichten; Die Lustschreie der zum letzten
Mal "Lebenden" Menge gellen von ferne und Cesare Borgia steht als drohen-
der Schatten mit erhobenem Schwerte hinter jeder Szene.
Arthur Schnitzler ist Impressionist und will wie Wilhelm Knevels
in seinem Buche „Das moderne Drama“ zeigt, „ die Wirklichkeit in ihrer
Wirkung auf die menschlicheIsyche darstellen, auf de Peyche des Künst¬
lers und damit auf die des Espfangenden.“ In solcher Eindruckskunst bericht
tet der Dichter nur die Eindrücke, die er vom Leben erhält und zeigt, wie
die Vorgänge sich in den Menschen der Erzählung spiegeln. Wie Oskar Walzel
wird das innere
in „Gehalt und Gestalt im Kunstwerk des Dichters“ sagt,
Leben in dem Augenblicke erfasst, in dem es an die Oberfläche tritt. Not-
wendig ist dann, dass die Bewegtheit des Lebens auch der Gestalt orga-
nisch sich einprägt. Hier herrscht Bewegtheit des Lebens. Einmaliges, nicht
ein für allemal Bestehendes offenbart lei Gehalt wie in der Gestalt. Ein
Werden drückt sich aus, auch wenn nur ein einziger Augenblick erfasst wird
Jede Handlung wird Zufall und abhängig vom Augenblick:
— Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nicht von uns.
Wir spielen immer; wer es weiss, ist klug. (Paracelsus.
So spielt dann im „Grünen Kakadu“ das Volk mit den im Besitz der
Macht sich wähnenden Adeligen - am-vorabend der französischen Revolution.
In einer Pariser Spelunke lässt sich am Spätnachmittag des Bastillenstur¬
mes eine Gesellschaft blassierter Aristokraten von frechen Schauspielern
zum Kitzel ihrer erschlafften Nerven allerlei Gewagtheiten und Verbrecher=
szenen vorführen; und einer der Spieler erzählt dabei, dasser den Liebha-
ber seiner ihm erst seit gestern angetrauten Frau, einen Herzog, bei ihr
in der Garderobe getroffen und soeben erstochen habe. Der Wirt und die an-
deren, die wissen, dass jene ihn wirklich mit dem Herzog betrügt, halten
das, weil er so natürlich spielt, für Ernst, und so erfährt auch der Spie-
ler die Wahrheit. Im gleichen Augenblick aber tritt der Herzog von Cadig-
nan auf; und Henri, der Schauspieler, sticht ihn nieder. Die Menge flutet
herein und lässt an der Leiche die Revolution leben, während die adeligen