damals unseren Zorn, unsere Erbitterung unsere Verzweiflung ins Gesicht
geschrien, statt die Gefassten und Überlegenen zu zu spielen, dann wären
wir wahr gewesen, Amadeus,-und wir waren es nicht.“ Amadous erwiedert:
"Gut denn-wir waren es nicht. Und wenn wir es gewesen wären?" Jawohl
wenn sie wahr gewesen wären, wäre die gegenseitige Untreue damit aus der
Welt geschafft gewesen? Wäre nicht vielmehr der Riss viel einschneidender
und unheilbarer gewesen?
Schonung lassen diese Menschen walten. Sie sind hochkultiviert,
können den Anderen nichts Unangenehmes sagen und arbeiten mit Anspielun¬
gen. Auch das ist wiederum Dämpfung.
Die Gestalten des „Zwischenspiels“ kennen sich wohl, wissen von
ihrer Unfähigkeit zu liebendem Beharren, und dieses Bewusstsein umflort
die Handlung von Anbeginn mit dem melancholischen Schmelz vorgeahnten
Endes. Die geschlechtliche Untreue ist keine Schuld, nur eine unlengbare
Tatsache. Hier klingt erstmals das so beliebte Todesmotiv nicht auf, ist
erstmals ganz reine Dämpfung zu finden; denn die Spannweite der Gegensätze,
aus denen die Tragik erwächst, ist so gering, dass aus ihr keinerlei Be-
wegtheit entstehenk kann. Der Tod der Cäcilie oder des Amadeus könnte nie-
mals rein tragisch wikken.
Nunmehr stossen wir ins Letzte, Ursprünglichste, Tiefste vor. Viel¬
leicht ist es ein Paradoxon, den „Anatol“ (also das erste Werk Schnitzlers)
an letzter Stelle zu erwähnen. Gleichwohl gebietet das der stufenartige
Aufbau vom Allgemeinen zum Besonderen, wie er in dieser Arbeit geboten ist.
Denn der "Anatol" vereinigt alle Momente, die für uns Dämpfung bedeuten,
in sich. “In sieben dramatisierten Gesprächen unterhalten sich zwei frivole
Freunde über Beziehungen zu Frauenen, der eine nur reflektierend, spöttisch
und innerlich unbeteiligt, der andere aber interessiert und miterlebend.
Letzterer ist Anatol, der verwöhnte, blasierte Dichter, frühgereift und
zart und traurig", schmetterlingsartig von einer zur anderen Blume gaukelnd
alle Reize der Erotik in den verschiedensten Kreisen auskostend, mit einer
perversen Vorliebe für das Anormale, wenn es nur pikant ist: „Ich fühle,
wieviel mir verloren ginge, wenn ich mich eines schönen Tages stark "fände."
...Es gibt so viele Krankheiten und nur eine Gesundheit!-Man muss immer
genau so gesund sein wie die andern - man kann aber ganz, ganz anders
krank sein wie jeder andere.
Anatol ist, wie Marcus sagt, ein „Schlachtenbummler der Gefühle“.
Er ist gleichsam bei seinen eigenen Gefühlen zu Gast als heiterer Melan-
choliker und Lebensgeniesser. Schnitzler zeigt die Spannung zwischen die-
sen beiden Elementen nicht auf. Eine müde Handbewegung Anatols gibt Auf-
schluss über das lässige Zusammenschieben der Gegensätze. Diese müde Hand¬
bewegung Anatols sagt : Es ist eben beides da, Genussucht und Melancholie.
Ironisch und selbstironisch betonte Melancholie bedeutet es, wenn Anatol
in der Frage an das Schicksal“ darauf verzichtet, von der hypnotisch Ein¬
geschläferten die Worte zu hören,die ihm Gewissheit bringen mussten.
Schnitzler flieht hier vor der Sentimentalität. Anatol grübelt gerne darü-
ber nach, ob ihm die Weiber treu sind, geht aber der Gewissheit darüber
aus dem Wege. Er pendelt zwischen dem „süssen Mädel“ und der „bösen Mondäne
hin und her, bindet sich aber nirgends. Das schönste an der Liebe ist für
inn die Erinnerung. Was andern Spiel ist, bedeutet für ihn Ernst, Wirklich-
keit wird bei ihm zum Traum. Der Mensch des Schnitzler, schreibt Bahr
in den Studien (1894), ist der österreichiche Lebemann. Nichtder grosse
Viveur und Lebemann, der international ist und dem Pariser Muster folgt,
sondern die wienerisch bürgerliche Ausgabe zu 500 Gulden monatlich, mit
dem Gefolge jener gemütlichen Häiblichkeit, die auf dem Wege von der Gri
sette zur Kokotte ist.“ Nur ein Lebejüngling konnte diesen „Anatol“schrei¬
ben. Das süsse Mädel“ darin ähnelt der Mizi in der Liebeler“, hat aber
niemals die edlen Züge einer Christine indem gleichen Stück. Es ähnelt
mehr dem „süssen Mädel“ im „Reigen“, jenen zehn Dialogen über die niedrig¬
geschrien, statt die Gefassten und Überlegenen zu zu spielen, dann wären
wir wahr gewesen, Amadeus,-und wir waren es nicht.“ Amadous erwiedert:
"Gut denn-wir waren es nicht. Und wenn wir es gewesen wären?" Jawohl
wenn sie wahr gewesen wären, wäre die gegenseitige Untreue damit aus der
Welt geschafft gewesen? Wäre nicht vielmehr der Riss viel einschneidender
und unheilbarer gewesen?
Schonung lassen diese Menschen walten. Sie sind hochkultiviert,
können den Anderen nichts Unangenehmes sagen und arbeiten mit Anspielun¬
gen. Auch das ist wiederum Dämpfung.
Die Gestalten des „Zwischenspiels“ kennen sich wohl, wissen von
ihrer Unfähigkeit zu liebendem Beharren, und dieses Bewusstsein umflort
die Handlung von Anbeginn mit dem melancholischen Schmelz vorgeahnten
Endes. Die geschlechtliche Untreue ist keine Schuld, nur eine unlengbare
Tatsache. Hier klingt erstmals das so beliebte Todesmotiv nicht auf, ist
erstmals ganz reine Dämpfung zu finden; denn die Spannweite der Gegensätze,
aus denen die Tragik erwächst, ist so gering, dass aus ihr keinerlei Be-
wegtheit entstehenk kann. Der Tod der Cäcilie oder des Amadeus könnte nie-
mals rein tragisch wikken.
Nunmehr stossen wir ins Letzte, Ursprünglichste, Tiefste vor. Viel¬
leicht ist es ein Paradoxon, den „Anatol“ (also das erste Werk Schnitzlers)
an letzter Stelle zu erwähnen. Gleichwohl gebietet das der stufenartige
Aufbau vom Allgemeinen zum Besonderen, wie er in dieser Arbeit geboten ist.
Denn der "Anatol" vereinigt alle Momente, die für uns Dämpfung bedeuten,
in sich. “In sieben dramatisierten Gesprächen unterhalten sich zwei frivole
Freunde über Beziehungen zu Frauenen, der eine nur reflektierend, spöttisch
und innerlich unbeteiligt, der andere aber interessiert und miterlebend.
Letzterer ist Anatol, der verwöhnte, blasierte Dichter, frühgereift und
zart und traurig", schmetterlingsartig von einer zur anderen Blume gaukelnd
alle Reize der Erotik in den verschiedensten Kreisen auskostend, mit einer
perversen Vorliebe für das Anormale, wenn es nur pikant ist: „Ich fühle,
wieviel mir verloren ginge, wenn ich mich eines schönen Tages stark "fände."
...Es gibt so viele Krankheiten und nur eine Gesundheit!-Man muss immer
genau so gesund sein wie die andern - man kann aber ganz, ganz anders
krank sein wie jeder andere.
Anatol ist, wie Marcus sagt, ein „Schlachtenbummler der Gefühle“.
Er ist gleichsam bei seinen eigenen Gefühlen zu Gast als heiterer Melan-
choliker und Lebensgeniesser. Schnitzler zeigt die Spannung zwischen die-
sen beiden Elementen nicht auf. Eine müde Handbewegung Anatols gibt Auf-
schluss über das lässige Zusammenschieben der Gegensätze. Diese müde Hand¬
bewegung Anatols sagt : Es ist eben beides da, Genussucht und Melancholie.
Ironisch und selbstironisch betonte Melancholie bedeutet es, wenn Anatol
in der Frage an das Schicksal“ darauf verzichtet, von der hypnotisch Ein¬
geschläferten die Worte zu hören,die ihm Gewissheit bringen mussten.
Schnitzler flieht hier vor der Sentimentalität. Anatol grübelt gerne darü-
ber nach, ob ihm die Weiber treu sind, geht aber der Gewissheit darüber
aus dem Wege. Er pendelt zwischen dem „süssen Mädel“ und der „bösen Mondäne
hin und her, bindet sich aber nirgends. Das schönste an der Liebe ist für
inn die Erinnerung. Was andern Spiel ist, bedeutet für ihn Ernst, Wirklich-
keit wird bei ihm zum Traum. Der Mensch des Schnitzler, schreibt Bahr
in den Studien (1894), ist der österreichiche Lebemann. Nichtder grosse
Viveur und Lebemann, der international ist und dem Pariser Muster folgt,
sondern die wienerisch bürgerliche Ausgabe zu 500 Gulden monatlich, mit
dem Gefolge jener gemütlichen Häiblichkeit, die auf dem Wege von der Gri
sette zur Kokotte ist.“ Nur ein Lebejüngling konnte diesen „Anatol“schrei¬
ben. Das süsse Mädel“ darin ähnelt der Mizi in der Liebeler“, hat aber
niemals die edlen Züge einer Christine indem gleichen Stück. Es ähnelt
mehr dem „süssen Mädel“ im „Reigen“, jenen zehn Dialogen über die niedrig¬