A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 93

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verbunden, sollte er, der in der „Liebelei“, nach seinem “Anatol“
und seinen Novellen diese Stadt und ihre Art für die ganze Welt
so wahr und wirklich gemacht, plötzlich als Fremder, als Minder-
wertiger gelten. Es war wie ein schmerzhaftes Erwachen, ein zor-
niges und qualvolles Sichbesinnen; damals begann er über sich
nachzudenken, hinabzutasten zu den eigentlichen Quellen seines
Wesens, und die Tiefe zu finden, die für ihn als Künstler
so unendlich fruchtbar war. Neben seinem Drama "Professor Bern-
hardi" ist dieser Roman "Der Weg ins Freie" Schnitzler grosse
Auseinandersetzung mit sich selbst, mit seiner Welt und mit der
ganzen Zeit. Das Fragmentarische, das Einzelne wird hier zum Ganzen
zen gerundet. Alle die funkelnden Elemente seines Wesans sind
darin, der Witz, der Stolz, die verwegene Ironie, die flarettblitzen-
de Dialektik,aber auch der grosse weite Blick,die Ueberschau.
Erst jetzt beginnt Schnitzler die Dinge,die Menschen, die Gescheh-
nisse gleichsam nicht mehr vom gleichen Niveau zu betracht an,
sondern von oben her aus einer geistig grossen Ueberschau. Immer
weitere Horisonte umfasst er,in immer tiefere Dunkelheiten dringt
er hinab. Von der Jahrhundertwende an wird Schnitzlers Welt merk-
bar wichtiger, wesentlicher und im psychologischen Sinn noch wahrer
als sie vordem gewesen.
Auch das zweite Erlebnis war ein persönliches: die
August vor dem Abschiednehmen, die Angst vor den Altern. Schnitz-
ler sind in seiner Jugend eher leichtlebig, gern zu Spass und
Uebermut geneigt, melancholisch nur aus Koketterie, ist merkwürdig
früh tragisch, ernst geworden. Ich erinnere mich, als ich ihn,
der Jüngere, sah. Mit vierzig Jahren wirkte er schon wie ein Weiser,
wie ein ganz in sich ruhender und nicht mehr zu erschutternder