A9: Aphorismen, Seite 68

Der
Glaube,
Das Richtigete und leerste Wort in gerade in
seiner Vieldeutigkeit ist das Wort Glaube.
mir überhaupt verstehen wollen, was darunter
gemeint ist, so müssen wir drei Stufen des Glaubens
oder der Gläubigkeft unterschätden.
Die erste: der Glaube, dass alles, also auch Qual
und Schmerz und Unglück, dessen Sinn wir absolut
nicht zu erfassen vermögen, (Krankheit eines unschul-
digen Kindes, mörderische Elementarereignisse,offen-
bar an einem Wehrlosen verübtes Unrecht) doch einen
Sinn haben muss; dass also Gott seine uns verbor-
genen Zwecke nicht anders erreichen kann oder er-
reichen will, als dadurch, dass er auch unschul- -
dige Menschen grausam leiden lässt.
Die zweite Stufe, dass Gott jedes einzelne Schick-
sal, das grösste wie das kleinste,nach seinen Wün-
schen und beichten zu irgend einem Guten lenkt,
wenn dieses Gute sich auch erst in einem jensei-
tigen Leben zu entfalten vermöchte.
die dritte Stufe:/ Dass es Offenbarungen gibt, durch
die sich die Gottheilt densterblichen kundgibt und
zwar- je nach den Konfessionen in verschiedener
Ert, in ethnologisch wechselnder Maskierung.
711 diese verschiedenen Axten von Gläubigkeit haben
mit unserer uns gleichfalls von Gott eingegebener
Logik nichts zu tun,denn auch unter den weisesten
Menschen ist diese Gläubigkeit in alleh ihren Er-
scheinungsformen zu finden und so bleibt uns nichts
übrig als hier entweder krankhafte partielle Sty-
rungen des Denkvermögens oder angeborene Seelenzu-
stände anzunehnen.