I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 181

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31. Fraeulein Else

Extrait du journal:
Züricher Post
Adresse
Zürich
Date
1 4 OEC. 1936
„Fräulein Else“
Premiere in Schauspielhasts.
Arthfur, Schnictler,hat in seiner Novelle
Fräulzinlse zarte, geistig schmiegsame und
literarlsch feingespielte Tone angeschlagen. Man weiß,
wie wahrheitsliebend Schnitzler war und wie er trotz
aller' winkenden Vorteile auch in den heikelsten Le¬
benslagen aus seinem Herzen nie eine Mördergrube
bereitet hat. So auch in seiner Novelle. Diese Mo¬
nente, die ins episch=lyrische Gebiet gehören, sind für
die Dramatisierung des Stoffes nicht sehr geeignete
Handhaben. Wohl aus solchen Ueberlegungen heraus
mußte Ernst Lothar in seinem Schauspiel streng
darauf achten, daß die Bilder mit genügendem Pulver
der Handlung geladen waren. Aber auch einem noch
viel genialeren Gesialter als es Lothar ist, wäre dieses
Unterfangen bei diesem Stoff nicht restlos gelungen.
So erscheinen in der Dramatisierung Lothars Bilder,
die eigentlich ziemlich überflüssig sind. Aber das Pu¬
blikum amüsiert sich an den Szenen, wenn an sich die
Anwaltstochter mit ihrem sittlichen Ernst eher zum
Nachdenken zwänge. Ellen Schwanneke, die wieder
begrüßt werden kann nach langer Abwesenheit, hat sich
nicht viel Mühe kosten lassen, um den Ernst der Situa¬
tion nicht lächerlich zu gestalten. Denn ihr großes
Können verbürgt auch in der humorvollsten Umge¬
bung, für rein individuelle Leistungen. Sie weiß als
„Fräulein Else“, wie ihr Vater leidet. Sie spürt den
Kummer, den er durchlebt und ist schließlich bereit,
dem alten Schwerennöter Dorsday nachzugeben. Aber
die Art und Weise wie sie die Bedingung, die für die
Erlegung der 60000 Schilling eingegangen werden muß,
erfüllt, führt sie vom Leben zum Tod. Eine sehr reale
und nüchterne, zugleich auch tragische Lösung, die aber
m Stücke nicht so recht zum Ausdruck kommt. Flott
gespielt und jeder Situation, auch über die Zwangslage
im Stücke heraus, gibt sich Erwin Kalser als Dorsday,
während Kurt Horwitzens Rechtsanwalt mit Emphase
das Schicksal anklagt und seine Handlungen, die an
Mildtätigkeit etwas übers Ziel schossen, verteidigt.
Doch darf schließlich zu guten Treuen anvertrautes Gut
nicht angegriffen werden. Smart in seiner Rolle fühlt
sich Emil Stöhr als Vetter und Liebhaber. Warum
nicht eifersüchtig sein, wenn es um ein so forsches und
fröhliches, zugleich auch verzogenes Mädchen geht?
Die Tante der Martha Hartmann war wie eben Tan¬
en sind: vorwitzig, verantwortungsbewußt, wenns
nicht um viel geht und eifersüchtig auf Schonheit und
Toiletten, elegant und reizend zugleich, verkörperte die
Lissy Mohr, die im Stück als Fullsel, auf der Bühne
aber als schöne Gestalt ihr Dasein fristet.
Das Publikum dankte zum Schlusse mit langan¬
haltendem Applaus, der ebensosehr der geschickten Re¬
gie Steckels und den heiteren Bildern Ottos als auch
den ganzen Ensemble galt.
S.
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