Konuscane.
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblatt
h. Juli 1926
6
manfiguren,
Riebel
Gestalten von Heinrich Mann,
Arthur Schnitzler, Jules Verne, Emile Zola u. a.
pyramide, von deren Bänden ihn vielfach sein Name grüßte. De
rofessor Anrat.
Lacretelles „Silbermann“ war ins Ungarische übersetzt worden.
Der jüdische Antiquitätenhändler Silbermann kaufte sich das Buch,
Zu Heinrich Manns gleichnamigem Roman.
Zu Jules Vern
und indem er es, von Seite zu Seite fieberhafter erregt, verschlang,
[Nachdrück verbolen.]
machte er eine erschütternde Entdeckung. Es war sein Leben,
Géza v. Cziffra.
das Leben des Budapester Antiquitätenhändlers
Silbermann, das der französische Autor beschrieb.
Das kleine
In einer kleinen siebenbürgischen Stadt habe ich ihn getroffen.
Nicht nur seine Seele hatte de Lacretelle mit erschreckender Spür¬
Jemand hat ihn vorgestellt:
liert wir ware
„Herr Professor Rat.“)
bestellten Wodkas, st
Mein Begleiter
Er sah meinem Gesicht die Ueberraschung an, verstand meinen
„Strogon
Gedanken und nickte mit gezwungenem Lächeln:
Strogow? D
„Ja, ja, Sie haben schon richtig gehört! Professor Unrat.“
suchte vergeblich
Dann fuhr er nach einer kleinen Pause fort:
„Haben wir
„Sie kennen wohl das Buch? Ich schätze Heinrich Mann sehr
hoch.“
„Mich wohl
Namensvetter
Damit singen wir an, über das Buch zu sprechen. Der Held
Ah. nun wu
des Romans sprach über den Dichter. Herr Rat ist Professor am
Erzähler unserer
hiesigen Gymnasium; Professor der lateinischen Sprache. Er ist ein
den Erdball um
kleines, gekrümmtes Männlein mit graumeliertem Spitzbart. Ich
hervischen Garde
ging mit auf seine Wohnung, wo er mir seine Bibliothek zeigte;
„Sie sind wo
auf einem der Regale standen dicht gedrängt fast hundert Exemplare
ich; doch mein n
von Heinrich Manns Roman.
„Ich wur es.
„Meine Schüler haben mir diese Bücher geschickt. Jährlich
mal den Roman v
bekomme ich einige Exemplare mit Randbemerkungen und Unter¬
2
ich verschlang a
streichungen. Jeder hat etwas neues, einige Sätze oder gar Seiten,
Helden — der meine
gesunden, die für mich besonders charakteristisch sein sollen. Als ich
sal die Richtung.
das Buch zum ersten Male las, hat mich die Wut gepackt, und ich
der Kurier des 3
warf es in die Ecke. Am nächsten Tag ging ich nervös in die
hatten das Buch gele
Schule; ich habe die Gesichter meiner Schüler prüfend gemustert,
Helden einer solche
um den Täter zu entdecken. Natürlich konnte ich ihn nicht fassen.
spielten, war ich in
Eines abends, kurz nachher, rief jemand hinter mir: Unrat! Da
neine kurzhosige Arm
habe ich beschlossen, mit meinem Direktor zu sprechen und das Buch¬
Widerstand meines
in unserer Stadt verbieten zu lassen — doch habe ich mir das bald
machen wollte. Ich wil
anders überlegt. Freilich hörte ich den Namen „Unrat“ an den
Dann kam der Krieg
Abenden immer häufiger hinter mir herrufen, manchmal erklang
Die falsche Hme. Bovary.
wirklichten sicht ich bi
er sogar in der Klasse. Erbittert suchte ich nach den Tätern; als
Sie lebt in der Provence in Pertai als Besitzerin eines kleinen
der Kurier des Zaren #
ich aber in einer schlaflosen Nacht das verhaßte Buch noch einmal
Gasthauses und hat mit dem — bekannten und längst verstorbenen
Kriege und während der
durchlas, entdeckte ich, daß die Aehnlichkeit zwischen
wirklichen Original Flauberts nicht das geringste zu tun.
sch mit vielen andern.
mir und dem Helden immer größer wurde. Und als
Nichtsdestoweniger verehrt sie manchmal einem bevorengten
sondere Bedeutung.
ich in blinder Gereiztheit einen meiner Schüler strafen wollte, fiel
Sommergast die Volksausgabe von des Dichters Romon mit der
Kämpfe, Gefahren, Listu
mir Unrat ein, sein tyrannisches, rohes, verständnisloses Wesen —
originellen Widmung „Souvenir de Mme. Bovarg“.
all dies war ihnen ein
und ich hielt inne. Seit dieser Zeit ist das Buch zu meinem besseren
(Zeiehnung von Rudoif Schlichter)
Unglück. Ich nahm d
Gewissen geworden, zu einem Spiegel, der mir meine Fehler er¬
meiner ursprüngl
kennen läßt. Ich habe mich bemüht, diese Fehler abzustreifen ...
hat Jules Berne richt
und das ist mir auch weitgehend gelungen.“
und Treffkraft analysiert, auch seinen Lebenslauf und den
geschildert.
Wir verabschiedeten uns. Und ich dachte bei mir: „Dieser Pro¬
seines Vaters hatte er in allen wesentlichen Wendungen nachgezeich¬
„Strogewi“ rief der
fessor Unrat ist doch ein guter Schüler: Ob nicht auch der „aller¬
net. Wie war das möglich? Der Budapester Antiquitätenhändler
höchste Kriegsherr“ in Heinrich Manns „Kopf“ einiges gelernt
war niemals in Paris gewesen. Wie also konnte dieser Franzose
Jules Berne war in
hätte, wenn das Buch vor zehn Jahren erschienen wäre?“
ihn erraten? So vollständig erraten — bis in die vergeffenen
Amerikaner Goldstrom re
Regungen seiner Pubertätsjahre, bis in seine Worte und Gesten
und auch das eine konnte
hinein?
Silbermann.
schlecht in seinen hervisch
Mit seiner aufwühlenden Entdeckung und seiner quälenden Frage
3u Jacques de Lacrekelles gleichnamigem Roman.
des Zaren seine Laufbahr
rannte der Antiquitätenhändler zur Zeitung, zum Uebersetzer. Man
Lokal beschließen würde.
suchte ihn zu beruhigen; sprach von ewiger, unvermeidlicher Wieder¬
(Nachdruck verboten.]
kehr des gleichen Leidenszuges in Judenschicksalen aller Zeiten und
Ernst Lorsy.
Länder. Silbermann sah das ein. Was er nicht einsehen und
Jacques de Lacretelles „Silbermann“ war
nicht zugeben konnte, war, daß es sich bei solch erstämnlich minu¬
Zu Emile 3
einer der größten französischen Romanerfolge der Nach¬
tiöser Uebereinstimmung einer Reihe von Einzelheiten noch
kriegsjahre. Trotz einer guten deutschen Uebersetzung
um Zufall handeln könne. Er konnte einfach nicht glauben, daß
ist das Buch in Deutschland über einen engen Kreis
der Franzose ihn, Silbermann, nicht irgendwann, irgendwo persön¬
nicht hinausgedrungen. Die Geschichte der beiden Sil¬
Der eine Souparine
lich gekannt habe: er hätte sonst sein Geheimnis nicht dechiffrieren
bermänner, die wir erzählen, ist aber viel zu merk¬
Zola schreibt im „Germin
können. Niemals, niemals habe er irgendeinem Menschen davon
würdig, als daß wir sie unterdrücken wollten. Hier ist
„Souvarine war der
gesprochen, wie er zu der Mutter seines Freundes gestanden
eine Romanfigur unserer Zeit in einem Menschen
Tula. In Sankt=Peters
unserer Zeit nicht nur lebendig geworden, sondern hat
habe . . . und dieser Franzose sagte es klipp und klar. Auch sein
auch auf das Leben dieses Menschen einen tiefen Ein¬
sozialistische Strömung,
Gesicht, seine Erscheinung seien in seiner Jugend genau so gewesen,
fluß geübt!
fortgerissen, ihn dazu be
wie de Lacretelle sie beschreibe; mit alten Lichtbildern könne er es
Mechanikers, zu erlerne
beweisen. Auf dem Gymnasium habe er in genau derselben Haltung
Silbermann“ von Jacques de Lacretelle — aus dem Kreise
kennenzulernen und ihr
gegen die kompakte Majorität seiner Mitschüler kämpfen müssen,
der „Nouvelle Revue Frangaise“ — spielt etwa in den Jahren 1894
Handwerk lebte er ietzt
wie der Geld des Romans.
bis
das
1900 während der Prenius-ffane und fül
als
1 habe die ungür
7e
Büro für Zeitungsausschnitte
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Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblatt
h. Juli 1926
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manfiguren,
Riebel
Gestalten von Heinrich Mann,
Arthur Schnitzler, Jules Verne, Emile Zola u. a.
pyramide, von deren Bänden ihn vielfach sein Name grüßte. De
rofessor Anrat.
Lacretelles „Silbermann“ war ins Ungarische übersetzt worden.
Der jüdische Antiquitätenhändler Silbermann kaufte sich das Buch,
Zu Heinrich Manns gleichnamigem Roman.
Zu Jules Vern
und indem er es, von Seite zu Seite fieberhafter erregt, verschlang,
[Nachdrück verbolen.]
machte er eine erschütternde Entdeckung. Es war sein Leben,
Géza v. Cziffra.
das Leben des Budapester Antiquitätenhändlers
Silbermann, das der französische Autor beschrieb.
Das kleine
In einer kleinen siebenbürgischen Stadt habe ich ihn getroffen.
Nicht nur seine Seele hatte de Lacretelle mit erschreckender Spür¬
Jemand hat ihn vorgestellt:
liert wir ware
„Herr Professor Rat.“)
bestellten Wodkas, st
Mein Begleiter
Er sah meinem Gesicht die Ueberraschung an, verstand meinen
„Strogon
Gedanken und nickte mit gezwungenem Lächeln:
Strogow? D
„Ja, ja, Sie haben schon richtig gehört! Professor Unrat.“
suchte vergeblich
Dann fuhr er nach einer kleinen Pause fort:
„Haben wir
„Sie kennen wohl das Buch? Ich schätze Heinrich Mann sehr
hoch.“
„Mich wohl
Namensvetter
Damit singen wir an, über das Buch zu sprechen. Der Held
Ah. nun wu
des Romans sprach über den Dichter. Herr Rat ist Professor am
Erzähler unserer
hiesigen Gymnasium; Professor der lateinischen Sprache. Er ist ein
den Erdball um
kleines, gekrümmtes Männlein mit graumeliertem Spitzbart. Ich
hervischen Garde
ging mit auf seine Wohnung, wo er mir seine Bibliothek zeigte;
„Sie sind wo
auf einem der Regale standen dicht gedrängt fast hundert Exemplare
ich; doch mein n
von Heinrich Manns Roman.
„Ich wur es.
„Meine Schüler haben mir diese Bücher geschickt. Jährlich
mal den Roman v
bekomme ich einige Exemplare mit Randbemerkungen und Unter¬
2
ich verschlang a
streichungen. Jeder hat etwas neues, einige Sätze oder gar Seiten,
Helden — der meine
gesunden, die für mich besonders charakteristisch sein sollen. Als ich
sal die Richtung.
das Buch zum ersten Male las, hat mich die Wut gepackt, und ich
der Kurier des 3
warf es in die Ecke. Am nächsten Tag ging ich nervös in die
hatten das Buch gele
Schule; ich habe die Gesichter meiner Schüler prüfend gemustert,
Helden einer solche
um den Täter zu entdecken. Natürlich konnte ich ihn nicht fassen.
spielten, war ich in
Eines abends, kurz nachher, rief jemand hinter mir: Unrat! Da
neine kurzhosige Arm
habe ich beschlossen, mit meinem Direktor zu sprechen und das Buch¬
Widerstand meines
in unserer Stadt verbieten zu lassen — doch habe ich mir das bald
machen wollte. Ich wil
anders überlegt. Freilich hörte ich den Namen „Unrat“ an den
Dann kam der Krieg
Abenden immer häufiger hinter mir herrufen, manchmal erklang
Die falsche Hme. Bovary.
wirklichten sicht ich bi
er sogar in der Klasse. Erbittert suchte ich nach den Tätern; als
Sie lebt in der Provence in Pertai als Besitzerin eines kleinen
der Kurier des Zaren #
ich aber in einer schlaflosen Nacht das verhaßte Buch noch einmal
Gasthauses und hat mit dem — bekannten und längst verstorbenen
Kriege und während der
durchlas, entdeckte ich, daß die Aehnlichkeit zwischen
wirklichen Original Flauberts nicht das geringste zu tun.
sch mit vielen andern.
mir und dem Helden immer größer wurde. Und als
Nichtsdestoweniger verehrt sie manchmal einem bevorengten
sondere Bedeutung.
ich in blinder Gereiztheit einen meiner Schüler strafen wollte, fiel
Sommergast die Volksausgabe von des Dichters Romon mit der
Kämpfe, Gefahren, Listu
mir Unrat ein, sein tyrannisches, rohes, verständnisloses Wesen —
originellen Widmung „Souvenir de Mme. Bovarg“.
all dies war ihnen ein
und ich hielt inne. Seit dieser Zeit ist das Buch zu meinem besseren
(Zeiehnung von Rudoif Schlichter)
Unglück. Ich nahm d
Gewissen geworden, zu einem Spiegel, der mir meine Fehler er¬
meiner ursprüngl
kennen läßt. Ich habe mich bemüht, diese Fehler abzustreifen ...
hat Jules Berne richt
und das ist mir auch weitgehend gelungen.“
und Treffkraft analysiert, auch seinen Lebenslauf und den
geschildert.
Wir verabschiedeten uns. Und ich dachte bei mir: „Dieser Pro¬
seines Vaters hatte er in allen wesentlichen Wendungen nachgezeich¬
„Strogewi“ rief der
fessor Unrat ist doch ein guter Schüler: Ob nicht auch der „aller¬
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Silbermann.
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3u Jacques de Lacrekelles gleichnamigem Roman.
des Zaren seine Laufbahr
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Lokal beschließen würde.
suchte ihn zu beruhigen; sprach von ewiger, unvermeidlicher Wieder¬
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kehr des gleichen Leidenszuges in Judenschicksalen aller Zeiten und
Ernst Lorsy.
Länder. Silbermann sah das ein. Was er nicht einsehen und
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nicht zugeben konnte, war, daß es sich bei solch erstämnlich minu¬
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einer der größten französischen Romanerfolge der Nach¬
tiöser Uebereinstimmung einer Reihe von Einzelheiten noch
kriegsjahre. Trotz einer guten deutschen Uebersetzung
um Zufall handeln könne. Er konnte einfach nicht glauben, daß
ist das Buch in Deutschland über einen engen Kreis
der Franzose ihn, Silbermann, nicht irgendwann, irgendwo persön¬
nicht hinausgedrungen. Die Geschichte der beiden Sil¬
Der eine Souparine
lich gekannt habe: er hätte sonst sein Geheimnis nicht dechiffrieren
bermänner, die wir erzählen, ist aber viel zu merk¬
Zola schreibt im „Germin
können. Niemals, niemals habe er irgendeinem Menschen davon
würdig, als daß wir sie unterdrücken wollten. Hier ist
„Souvarine war der
gesprochen, wie er zu der Mutter seines Freundes gestanden
eine Romanfigur unserer Zeit in einem Menschen
Tula. In Sankt=Peters
unserer Zeit nicht nur lebendig geworden, sondern hat
habe . . . und dieser Franzose sagte es klipp und klar. Auch sein
auch auf das Leben dieses Menschen einen tiefen Ein¬
sozialistische Strömung,
Gesicht, seine Erscheinung seien in seiner Jugend genau so gewesen,
fluß geübt!
fortgerissen, ihn dazu be
wie de Lacretelle sie beschreibe; mit alten Lichtbildern könne er es
Mechanikers, zu erlerne
beweisen. Auf dem Gymnasium habe er in genau derselben Haltung
Silbermann“ von Jacques de Lacretelle — aus dem Kreise
kennenzulernen und ihr
gegen die kompakte Majorität seiner Mitschüler kämpfen müssen,
der „Nouvelle Revue Frangaise“ — spielt etwa in den Jahren 1894
Handwerk lebte er ietzt
wie der Geld des Romans.
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1900 während der Prenius-ffane und fül
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