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BBilder, Ozenen. Farben Er ist entsetzt, verzweifelt, kann und will an solch
ik zum Ganzen gereiht, völliges Versagen seines persönlichen Zaubers nicht
llendet ist. daß man sie glauben, sinnt auf nene Schliche und Mittel, die Unnah¬
Lyrisches, sinnliche bare zu besiegen, und eilt, als ihn nachts der Schlaf
flieht, in den Garten hinunter, um vor ihrem Fenster
kkeit fließt, von einer
weiterzugrübeln. Da entsteigt diesem Fenster der junge
t, zu entzückender Har¬
Leutnank Lorenzi, den Casanova wenige Stunden vor¬
natischem Puls belebt,
her kennengelernt hat, ein Jüngling, so schön, so kühn
eichen wirrsäligen Hast,
und leichtsinnig, wie er selbst es vor Jahren gewesen.
t vorüber, wie einst das
Der hatte die Nacht bei derselben Marcolina verbracht.
es an die bittere Weg¬
bei der Casanova nicht ein freundliches Läche; errrichen
rohenden Vergessenheit,
konnte. Außer sich vor Zorn und Beschämung sinnt er
der Casanova Rast hält,
auf Rache. Der Zufall des Kartenspieles kommt ihm zu
Hilfe. Lorenzi verliert all sein Geld an einen alten
ova erhofft in Manina
Marchese, der es die längste Zeit ansehen mußte, wie
der ihm die Rückkehr
der Leutnant ihn mit seiner Frau hinterging. Nun
nicht mehr gesehen, seit
schlägt ihm die Stunde der Rache. Er insultiert den
egener Flucht verlassen.
gessener Bekannter. In Offizier aufs schwerste und dieser weiß, daß er vernichtet
ist, wenn er seine Schuld nicht begleichen kann. Da
die Tochter seiner Ge¬
schleicht Casanona dem verstört Forteilenden nach. Mit
ifzig Dukaten geschenkt,
zynischer Unbarmherzigkeit hält er Lorenzi dessen Lage
Hausstand begründete.
vor und bietet ihm die viertausend Dukaten an, die ihn
jungen Braut so ein¬
retten können. Doch als Gegendienst will Casanova in
r erfuhr der Ehemann
Lorenzis Mantel nachts in die Kammer Marcolinas.
Wohlstand gedieh, blieb
Lorenzi muß auf den schurkischen Pakt eingehen. Ein
rnehmen Freundes ein
reude des Wiedersehens paar Stunden später steigt Casarova, der seine Abreise
—
1913
vorgetäuscht hat, durch das Fenster der Begehrten, die
So erzähli uns Schnitzler die Heimfahrt Casanovas,
den Trug nicht merkt und ihm all die Wonnen schenkt,
und die plastische Kraft seiner Erzählerkunst läßt uns
die Lorenzi zugedacht sind.
das Buch nicht aus der Hand legen, ehe wir die letzte
Bei der Unwahrscheinlichkeit dieses Manteltausches,
Seite umgewendet haben. Dennoch wächst unterhalb des
der unserem Empfinden nach doch nicht genügen kann, um
literarischen Genusses ein enttäuschtes Unbehagen. Die
ein in Liebe erglühendes Weib den alternden Roné für
Frage meldet sich, was Schnitzler mit diesem Vorwur,
den jugendfrischen Geliebten halten zu lassen, gleitet die bezweckte. Eine Synthese des Casanovalebens, wie wir
Erzählung bedenklich ins Fahrwasser Boccaccios. Von sie erwarteten, wird nicht einmal versucht. Ja selbst das
Schnitzlerschen Frauen verlangen wir feinere Nerven. Doch Rätsel der kühlen, gelehrten, beherrschten Marcolina, die
gleich darauf genießen wir um so stärker die wissende ssich an den erstbesten jungen Leutnant verschenkt, bleibt,
Ueberlegenheit Schnitzlerscher Sexualpsychologie — die unerörtert und ungelöst. Und die ursprüngliche Er¬
senes Schnitzlers, der den „Reigen“ schrieb —, da diese
kenntnis, daß sich der Dichter im Modell vergriffen, eine
gemein erschlichene Liebesnacht geschildert wird. Unter den
ihm wesensfremde Gestalt mit Geist von seinem Geiste
Küssen und Zärtlichkeiten Marcolinas wird Casanova wie¬
beleben wollte, verstärkt sich von Seite zu Seite. Ein ein¬
der zum feurigen Jüngling. Indes der erste Sturm
ziges Mal nur wird sie vorübergehend schwankend. Ein
der Sinne vorbeigerauscht ist, verlischt die Glut und —
einziges Mal scheint Casanova doch ein Geschöpf der Wel¬
ihn übermannt der Schlaf. Er zählt eben doch dreiund¬
Schnitzlers zu sein. Da fällt auf seine gierige Lüsternheit
fünfzig Jahre. Und im ersten Morgenstrchl sieht Marco¬
der verklärende Strahl des Beglückers, des Freuden¬
lina einen ermatieten Greis auf ihrem Lager. Ihr ent¬
spenders: das geschieht, als Casanova in Begleitung seiner
jetzter Ekel treibt ihn hinaus. Draußen aber erwartet ihn
Gastfreunde ein nahes Frauenkloster besucht, dessen
Lorenzi mit dem blanken Degen in der Faust. Ein letzter
Insassen das Gelübde ewigen Schweigens abgelegt haben
Rest von Ehrgefühl trieb ihn her: Mußte er Marcolinas.
Plötzlich hört er seinen eigenen Namen wie einen schmerz¬
Gunst verschachern. so soll er ## der andere es mit dem
lich verhaltenen Schrei. Er kam von Frauenlippen „Casa¬
Leben büßen. Doch Casahova #i unter dem erborgten
nova — nichts als der Name, doch mit einem Ausdruck,
Mantel keine Kleider. So entiedigt sich Lorenzi, um die
wie ihn Casanova noch niemals gehört zu haben ver¬
Bedingungen des Zweikampfes auszugleichen, auch dermeinte. Ob eine einstmals Geliebte, ob eine niemals Ge¬
seinen. Nackt fechten sie im Morgengrauen. Es ist eine
schaute eben ein heiliges Gelübde gebrochen, um ein letztes
Szene, die ein berühmter Kupferstecher des Cinquecento
oder ein erstes Mal seinen Namen in die Luft zu hauchen
gestochen haben könnte. Des Cinquecento — von dessen
ob darin die Seligkeit eines unerwarteten Wieder¬
großartiger Brutalität sie erfüllt ist — und nicht des sehens, der Schmerz um ein unwiederdringlich Verlorenes,
weichen, galanten siehzehnten Jahrhunderts Casanovas. oder die Klage gezittert, daß ein heißer Wunsch aus fer¬
Dieser ist der gewandtere Feciter. Lorenzi bleibt auf dem nen Tagen sich so spät und nutzlos erfüllte —, Casanova
Platz, Casanova flieht und erreicht Venedig, wo ihn dievermochte es nicht zu deuten; nur dies eine wußte er,
Demütigung erwartet, als Spion des Senats zu wirken.
daß sein Name, so oft Zärtlichkeit ihn geflüstert, Leiden¬
Mit der alten Gewandtheit findet er sich auch in diese
schaft ihn gestammelt, Glück ihn gejubelt hatte,
Rolle. Und als er tags darauf im Café Quadri einen
heute zum erstenmal mit dem vollen Klang der Liebe an
Kreis der Konspiration verdächtigter Venezianer mit der
sein Herz gedrungen war.“
Erzählung seiner berühmten Flucht aus den Bleikammern
Wie ein schmachtendes Geigenadagio aus fernem,
unterhält, unterbricht er sich nur flüchtig, als ein An¬
mondhellem Garten bleibt dieser reinste Klang des
kömmling berichtet, man habe in einem Garten bei Man=! Buches, dieser einzige, ganz Schnitzlersche Klang noch
tug einen jungen Offizier nackt und beraubt tot au
Ohr, in der Seele haften.
gefunden A A
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4e
BBilder, Ozenen. Farben Er ist entsetzt, verzweifelt, kann und will an solch
ik zum Ganzen gereiht, völliges Versagen seines persönlichen Zaubers nicht
llendet ist. daß man sie glauben, sinnt auf nene Schliche und Mittel, die Unnah¬
Lyrisches, sinnliche bare zu besiegen, und eilt, als ihn nachts der Schlaf
flieht, in den Garten hinunter, um vor ihrem Fenster
kkeit fließt, von einer
weiterzugrübeln. Da entsteigt diesem Fenster der junge
t, zu entzückender Har¬
Leutnank Lorenzi, den Casanova wenige Stunden vor¬
natischem Puls belebt,
her kennengelernt hat, ein Jüngling, so schön, so kühn
eichen wirrsäligen Hast,
und leichtsinnig, wie er selbst es vor Jahren gewesen.
t vorüber, wie einst das
Der hatte die Nacht bei derselben Marcolina verbracht.
es an die bittere Weg¬
bei der Casanova nicht ein freundliches Läche; errrichen
rohenden Vergessenheit,
konnte. Außer sich vor Zorn und Beschämung sinnt er
der Casanova Rast hält,
auf Rache. Der Zufall des Kartenspieles kommt ihm zu
Hilfe. Lorenzi verliert all sein Geld an einen alten
ova erhofft in Manina
Marchese, der es die längste Zeit ansehen mußte, wie
der ihm die Rückkehr
der Leutnant ihn mit seiner Frau hinterging. Nun
nicht mehr gesehen, seit
schlägt ihm die Stunde der Rache. Er insultiert den
egener Flucht verlassen.
gessener Bekannter. In Offizier aufs schwerste und dieser weiß, daß er vernichtet
ist, wenn er seine Schuld nicht begleichen kann. Da
die Tochter seiner Ge¬
schleicht Casanona dem verstört Forteilenden nach. Mit
ifzig Dukaten geschenkt,
zynischer Unbarmherzigkeit hält er Lorenzi dessen Lage
Hausstand begründete.
vor und bietet ihm die viertausend Dukaten an, die ihn
jungen Braut so ein¬
retten können. Doch als Gegendienst will Casanova in
r erfuhr der Ehemann
Lorenzis Mantel nachts in die Kammer Marcolinas.
Wohlstand gedieh, blieb
Lorenzi muß auf den schurkischen Pakt eingehen. Ein
rnehmen Freundes ein
reude des Wiedersehens paar Stunden später steigt Casarova, der seine Abreise
—
1913
vorgetäuscht hat, durch das Fenster der Begehrten, die
So erzähli uns Schnitzler die Heimfahrt Casanovas,
den Trug nicht merkt und ihm all die Wonnen schenkt,
und die plastische Kraft seiner Erzählerkunst läßt uns
die Lorenzi zugedacht sind.
das Buch nicht aus der Hand legen, ehe wir die letzte
Bei der Unwahrscheinlichkeit dieses Manteltausches,
Seite umgewendet haben. Dennoch wächst unterhalb des
der unserem Empfinden nach doch nicht genügen kann, um
literarischen Genusses ein enttäuschtes Unbehagen. Die
ein in Liebe erglühendes Weib den alternden Roné für
Frage meldet sich, was Schnitzler mit diesem Vorwur,
den jugendfrischen Geliebten halten zu lassen, gleitet die bezweckte. Eine Synthese des Casanovalebens, wie wir
Erzählung bedenklich ins Fahrwasser Boccaccios. Von sie erwarteten, wird nicht einmal versucht. Ja selbst das
Schnitzlerschen Frauen verlangen wir feinere Nerven. Doch Rätsel der kühlen, gelehrten, beherrschten Marcolina, die
gleich darauf genießen wir um so stärker die wissende ssich an den erstbesten jungen Leutnant verschenkt, bleibt,
Ueberlegenheit Schnitzlerscher Sexualpsychologie — die unerörtert und ungelöst. Und die ursprüngliche Er¬
senes Schnitzlers, der den „Reigen“ schrieb —, da diese
kenntnis, daß sich der Dichter im Modell vergriffen, eine
gemein erschlichene Liebesnacht geschildert wird. Unter den
ihm wesensfremde Gestalt mit Geist von seinem Geiste
Küssen und Zärtlichkeiten Marcolinas wird Casanova wie¬
beleben wollte, verstärkt sich von Seite zu Seite. Ein ein¬
der zum feurigen Jüngling. Indes der erste Sturm
ziges Mal nur wird sie vorübergehend schwankend. Ein
der Sinne vorbeigerauscht ist, verlischt die Glut und —
einziges Mal scheint Casanova doch ein Geschöpf der Wel¬
ihn übermannt der Schlaf. Er zählt eben doch dreiund¬
Schnitzlers zu sein. Da fällt auf seine gierige Lüsternheit
fünfzig Jahre. Und im ersten Morgenstrchl sieht Marco¬
der verklärende Strahl des Beglückers, des Freuden¬
lina einen ermatieten Greis auf ihrem Lager. Ihr ent¬
spenders: das geschieht, als Casanova in Begleitung seiner
jetzter Ekel treibt ihn hinaus. Draußen aber erwartet ihn
Gastfreunde ein nahes Frauenkloster besucht, dessen
Lorenzi mit dem blanken Degen in der Faust. Ein letzter
Insassen das Gelübde ewigen Schweigens abgelegt haben
Rest von Ehrgefühl trieb ihn her: Mußte er Marcolinas.
Plötzlich hört er seinen eigenen Namen wie einen schmerz¬
Gunst verschachern. so soll er ## der andere es mit dem
lich verhaltenen Schrei. Er kam von Frauenlippen „Casa¬
Leben büßen. Doch Casahova #i unter dem erborgten
nova — nichts als der Name, doch mit einem Ausdruck,
Mantel keine Kleider. So entiedigt sich Lorenzi, um die
wie ihn Casanova noch niemals gehört zu haben ver¬
Bedingungen des Zweikampfes auszugleichen, auch dermeinte. Ob eine einstmals Geliebte, ob eine niemals Ge¬
seinen. Nackt fechten sie im Morgengrauen. Es ist eine
schaute eben ein heiliges Gelübde gebrochen, um ein letztes
Szene, die ein berühmter Kupferstecher des Cinquecento
oder ein erstes Mal seinen Namen in die Luft zu hauchen
gestochen haben könnte. Des Cinquecento — von dessen
ob darin die Seligkeit eines unerwarteten Wieder¬
großartiger Brutalität sie erfüllt ist — und nicht des sehens, der Schmerz um ein unwiederdringlich Verlorenes,
weichen, galanten siehzehnten Jahrhunderts Casanovas. oder die Klage gezittert, daß ein heißer Wunsch aus fer¬
Dieser ist der gewandtere Feciter. Lorenzi bleibt auf dem nen Tagen sich so spät und nutzlos erfüllte —, Casanova
Platz, Casanova flieht und erreicht Venedig, wo ihn dievermochte es nicht zu deuten; nur dies eine wußte er,
Demütigung erwartet, als Spion des Senats zu wirken.
daß sein Name, so oft Zärtlichkeit ihn geflüstert, Leiden¬
Mit der alten Gewandtheit findet er sich auch in diese
schaft ihn gestammelt, Glück ihn gejubelt hatte,
Rolle. Und als er tags darauf im Café Quadri einen
heute zum erstenmal mit dem vollen Klang der Liebe an
Kreis der Konspiration verdächtigter Venezianer mit der
sein Herz gedrungen war.“
Erzählung seiner berühmten Flucht aus den Bleikammern
Wie ein schmachtendes Geigenadagio aus fernem,
unterhält, unterbricht er sich nur flüchtig, als ein An¬
mondhellem Garten bleibt dieser reinste Klang des
kömmling berichtet, man habe in einem Garten bei Man=! Buches, dieser einzige, ganz Schnitzlersche Klang noch
tug einen jungen Offizier nackt und beraubt tot au
Ohr, in der Seele haften.
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