Freiherrn von Leisenboh¬
des
Schicksal
17. De
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Bühne und Welt.
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Kaufmannsfamilie, unpraktisch und ohne Lebensrealismus. Er findet aber nicht die
Befreiung in sich wie Thomas Kerkhoven — er geht unter an der Liebe zu einer
stolzen und starken Künstlerinnennatur. Das ganze Buch ist wie ein brennender Busch.
Die Sprache rauscht und flackert dahin wie ein Strom von Blüten und Duft. Der
unglückliche Held, das Opfer seiner Millionen und seiner Liebe, taumelt weil er die
eine geliebte Jugendfreundin nicht gewinnen kann, von Rausch zu Rausch, und immer
von neuem sucht der Dichter jeden Rausch mit neuen poetischen Klangfarben aus¬
zustatten. Daneben hat er uns ein Bild der Münchener Kunstkreise, so eine Gesell¬
schaft gemalt, die in ihrer satirischen Schärfe und reichen Ausmalung ihresgleichen
sucht. So hat er uns ein Florenz hingezaubert, das uns alle Geheimnisse und
Schauer seiner Nächte offenbart. Ute, die stolze, starke, absolute Künstlerin, das
Weib, des nur Ehrgeiz, Arbeit, strenge Kunst ist und in dem Jugendfreund nur
Freund und Schutz und Frieden sehen will, ist eine prachtvoll gezeichnete Gestalt.
Die Schauspielerin bis in jeden Nerv, der Mensch, den die Kunst ganz aufsaugte.
Und als schließlich doch das Weib in ihr erwacht, steht sie einsam da — nun erst
ganz einsam in ihrer selbsterstrebten Einsamkeit, denn der, dem sie nun doch schließlich
die Arme entgegenbreitet, ging sich und der Welt inzwisigen verloren. Neben diesen
beiden großen Hauptfiguren spielt das fette satte Paar, die rundliche, auf die Ehe
spekulierende kleine Bella, das Bühnenweibchen ohne Talent, und das inersättliche
Aufsichtsratsmitglied Hanier, die behagliche Künstlerkokotte, hinein. Diese sind breit
und geduldig gezeichnet; sie wirken aufdringlich, man riecht sie, aber sie riechen nicht
angenehm. Schließlich aber teilt man das hohnvoll=satirische Lächeln des Autors'
und freut sich an der Fülle des Geschauten, wünscht sich nur manchmal eine Neben¬
figur aus dem Gedränge der Gestalten schärfer umrissen, weniger flächenhaft hin¬
gestrichen.
Auch Teinrich Manns jüngere Nouelle „Die Schauspielerin“ (Wiener
Verlag, Wien und Leipzig) ist von einer fabelhaften Echtheit im Kolorit. Hier ent¬
stammt die Heldin einer kleinen Bürgerfamilie. Ihr Talent ist vielleicht nicht so
stark, aber ihr Temperament und ihr konzentrierter weiblicher Ehrgeiz treiben sie
vorwärts. Nicht ohne Satire ist eine eigenartige Liebesgeschichte shineinverflochten,
eine Geschichte, die sich aus Sektdiners und ästhetisierenden Gesprächen zusammen¬
setzt, ohne daß die beiden den Weg zueinander finden, so daß die enttäuschte Künstlerin
schließlich nach schweren Herzenskrisen in den Armen des lange wartenden Detters
endigt und mit ihm ihre Karriere fortsetzt. Es ist Heinrich Mann gelungen, in diesen
beiden Romanen den kalten, nüchternen und konsequenten Ehrgeiz zu zeichnen, den
die Frauen heule leicht haben, der sie ganz absorbiert und doch eigentlich die Persön¬
lichkeit eher beschränkt als emportreibt. Einen Ehrgeiz, den gerade die jungen,
emporstrebenden Mädchen von heute besitzen, und der sich überall zeigt, am härtesten
vielleicht gegenüber dem künstlerischen Schaffen, weil er in einem gewissen Gegen¬
satze zur instinktiven Empfindung stehen muß und darin nicht ohne fatale Neben¬
wirkung erscheint. Beide Dichtungen geben den Münchener Bühnenjargon mit ab¬
soluter Schtheit wieder, so daß man das lebendige Leben hindurchpulsieren fühlt.
Mit wundervoll feinem Humor schildert auch Arthur Schnitzler in seiner
Novelle „Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbohg“ (Dämmerseelen.
S. Fischers Verlag, Berlin) das Liebesschicksal des modernen Aestheten und sensiblen
Träumers neben der rücksichtslos genießenden Künstlerin, der es schließlich gar nicht
darauf ankommt, den treuesten Freund ihres Lebens einer Laune, einem Aberglauben
zu opfern — sein Leben zu zerbrechen. Auch hier ist die Frau die Stärkere, rück¬
sichtslos und naiv Vernichtende, und mit leiser Rührung empfinden wir das Geschick
des Akannes, der daran zugrunde ging, daß er das Weib in ihr vergebens liebte
und uchte, und nicht zu erobern verstand.
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Kaufmannsfamilie, unpraktisch und ohne Lebensrealismus. Er findet aber nicht die
Befreiung in sich wie Thomas Kerkhoven — er geht unter an der Liebe zu einer
stolzen und starken Künstlerinnennatur. Das ganze Buch ist wie ein brennender Busch.
Die Sprache rauscht und flackert dahin wie ein Strom von Blüten und Duft. Der
unglückliche Held, das Opfer seiner Millionen und seiner Liebe, taumelt weil er die
eine geliebte Jugendfreundin nicht gewinnen kann, von Rausch zu Rausch, und immer
von neuem sucht der Dichter jeden Rausch mit neuen poetischen Klangfarben aus¬
zustatten. Daneben hat er uns ein Bild der Münchener Kunstkreise, so eine Gesell¬
schaft gemalt, die in ihrer satirischen Schärfe und reichen Ausmalung ihresgleichen
sucht. So hat er uns ein Florenz hingezaubert, das uns alle Geheimnisse und
Schauer seiner Nächte offenbart. Ute, die stolze, starke, absolute Künstlerin, das
Weib, des nur Ehrgeiz, Arbeit, strenge Kunst ist und in dem Jugendfreund nur
Freund und Schutz und Frieden sehen will, ist eine prachtvoll gezeichnete Gestalt.
Die Schauspielerin bis in jeden Nerv, der Mensch, den die Kunst ganz aufsaugte.
Und als schließlich doch das Weib in ihr erwacht, steht sie einsam da — nun erst
ganz einsam in ihrer selbsterstrebten Einsamkeit, denn der, dem sie nun doch schließlich
die Arme entgegenbreitet, ging sich und der Welt inzwisigen verloren. Neben diesen
beiden großen Hauptfiguren spielt das fette satte Paar, die rundliche, auf die Ehe
spekulierende kleine Bella, das Bühnenweibchen ohne Talent, und das inersättliche
Aufsichtsratsmitglied Hanier, die behagliche Künstlerkokotte, hinein. Diese sind breit
und geduldig gezeichnet; sie wirken aufdringlich, man riecht sie, aber sie riechen nicht
angenehm. Schließlich aber teilt man das hohnvoll=satirische Lächeln des Autors'
und freut sich an der Fülle des Geschauten, wünscht sich nur manchmal eine Neben¬
figur aus dem Gedränge der Gestalten schärfer umrissen, weniger flächenhaft hin¬
gestrichen.
Auch Teinrich Manns jüngere Nouelle „Die Schauspielerin“ (Wiener
Verlag, Wien und Leipzig) ist von einer fabelhaften Echtheit im Kolorit. Hier ent¬
stammt die Heldin einer kleinen Bürgerfamilie. Ihr Talent ist vielleicht nicht so
stark, aber ihr Temperament und ihr konzentrierter weiblicher Ehrgeiz treiben sie
vorwärts. Nicht ohne Satire ist eine eigenartige Liebesgeschichte shineinverflochten,
eine Geschichte, die sich aus Sektdiners und ästhetisierenden Gesprächen zusammen¬
setzt, ohne daß die beiden den Weg zueinander finden, so daß die enttäuschte Künstlerin
schließlich nach schweren Herzenskrisen in den Armen des lange wartenden Detters
endigt und mit ihm ihre Karriere fortsetzt. Es ist Heinrich Mann gelungen, in diesen
beiden Romanen den kalten, nüchternen und konsequenten Ehrgeiz zu zeichnen, den
die Frauen heule leicht haben, der sie ganz absorbiert und doch eigentlich die Persön¬
lichkeit eher beschränkt als emportreibt. Einen Ehrgeiz, den gerade die jungen,
emporstrebenden Mädchen von heute besitzen, und der sich überall zeigt, am härtesten
vielleicht gegenüber dem künstlerischen Schaffen, weil er in einem gewissen Gegen¬
satze zur instinktiven Empfindung stehen muß und darin nicht ohne fatale Neben¬
wirkung erscheint. Beide Dichtungen geben den Münchener Bühnenjargon mit ab¬
soluter Schtheit wieder, so daß man das lebendige Leben hindurchpulsieren fühlt.
Mit wundervoll feinem Humor schildert auch Arthur Schnitzler in seiner
Novelle „Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbohg“ (Dämmerseelen.
S. Fischers Verlag, Berlin) das Liebesschicksal des modernen Aestheten und sensiblen
Träumers neben der rücksichtslos genießenden Künstlerin, der es schließlich gar nicht
darauf ankommt, den treuesten Freund ihres Lebens einer Laune, einem Aberglauben
zu opfern — sein Leben zu zerbrechen. Auch hier ist die Frau die Stärkere, rück¬
sichtslos und naiv Vernichtende, und mit leiser Rührung empfinden wir das Geschick
des Akannes, der daran zugrunde ging, daß er das Weib in ihr vergebens liebte
und uchte, und nicht zu erobern verstand.
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