—
—
box 3177
S S C
25 PBernhandi
##
ee
20
J00
—8—
Arzt und Priester.
Arthur Schnitzler—.Professor Bernhardi“. Komödie in fünf Akten.
Verlag S. Fischer, Berlin. 1912.
Professor Bernhardi, der Leiter einer Privatklinik, verbietet
einem Priester den Zutritt zu dem Bett einer Sterbenden, wird
beshalb wegen Religionsstörung angeklagt und zu zwei Monaten
Kerker verurteilt, die er auch absitzt. Dies ist in dürren Worten
die Fabel des jüngsten Schnitzlerischen Dramas, dessen Aufführung
durch die österreichische Zensur verboten wurde. Man ahnt sofort,
daß die Darstellung des Konfliktes zwischen Arzt und Priester,
Wissenschaft und Kirche, eines Konfliktes, der noch dadurch ver¬
schärft wird, daß der Vertreter der ärztlichen Wissenschaft Jude
ist, irgendwie das Zensurverbot herbeigeführt haben müsse. Ist
nun der Dichter in der szenischen Führung jenes Widerstreites
derart parteiisch verfahren, daß die Behörde, um höhere Interessen
vor öffentlichem Unglimpf zu bewahren, zu einem Verbote ge¬
zwungen wurde? Diese Frage wird sich leichter beantworten lassen,
wenn wir das Werk, dessen in diesen Blättern bereits gelegentlich
einer öffentlichen Vorlesung kurz gedacht wurde (s. „Die Wage“
Nr. 48, 1912, pag. 1106), einer eingehenden Analyse zu unterziehen
versuchen.
Professor Bernhardi — die Handlung spielt um das Jahr
1900 in Wien — ist der Begründer und Direktor des Elisabethinums,
einer Privatklinik, die sich erst nach schweren Kämpfen in der
Offentlichkeit durchgesetzt hat. Zu ihren zahlreichen Gegnern gehörte
auch der Universitätsprofessor Flint, ein ehemaliger Kollege und
Duzfreund Bernhardis. Nun genießt sie, Dank der Tüchtigkeit
ihres Leiters und seiner verschiedenen Mitarbeiter, großes Ansehen:
ein Prinz, ein Bischof und andere hochmögende Herren sitzen in
ihrem Kuratorium, ja, Flint selber, der es inzwischen zum
Unterrichtsminister gebracht, hat sich zu einer anderen Auffassung
bekehrt und beabsichtigt jetzt sogar eine staatliche Subventionierung
des segensreich wirkenden Instituts. Da ereignet sich jener Zwischen¬
fall, der einen völligen Umsturz der Verhältnisse herbeiführt. Um
eine Sterbende mit den Sakramenten zu versehen, wird von der
Krankenschwester Ludmilla der Priester an das Krankenbett gerufen.
Bernhardi möchte verhüten, daß die Leidende, die noch immer auf
Genesung hofft, durch den Gedanken an den Tod erschreckt werde,
und bittet den Seelsorger, von seinem Vorhaben abzustehen. Dieser
beharrt auf seiner Pflicht, eine Sterbende nicht unvorbereitet vor
ihren Schöpfer treten zu lassen, Bernhardi ebenso entschieden nach
der seinigen, „als Arzt, dem das Wohl seiner Kranken bis zur
letzten Stunde anvertraut bleibt", jede Beunruhigung von ihr
fernzuhalten, und er verbietet schließlich dem Pfarrer, indem er
„leicht seine Schulter berührt", die Schwelle des Krankenzimmers
zu überschreiten. Während dieser Auseinandersetzung stirbt die
—
box 3177
S S C
25 PBernhandi
##
ee
20
J00
—8—
Arzt und Priester.
Arthur Schnitzler—.Professor Bernhardi“. Komödie in fünf Akten.
Verlag S. Fischer, Berlin. 1912.
Professor Bernhardi, der Leiter einer Privatklinik, verbietet
einem Priester den Zutritt zu dem Bett einer Sterbenden, wird
beshalb wegen Religionsstörung angeklagt und zu zwei Monaten
Kerker verurteilt, die er auch absitzt. Dies ist in dürren Worten
die Fabel des jüngsten Schnitzlerischen Dramas, dessen Aufführung
durch die österreichische Zensur verboten wurde. Man ahnt sofort,
daß die Darstellung des Konfliktes zwischen Arzt und Priester,
Wissenschaft und Kirche, eines Konfliktes, der noch dadurch ver¬
schärft wird, daß der Vertreter der ärztlichen Wissenschaft Jude
ist, irgendwie das Zensurverbot herbeigeführt haben müsse. Ist
nun der Dichter in der szenischen Führung jenes Widerstreites
derart parteiisch verfahren, daß die Behörde, um höhere Interessen
vor öffentlichem Unglimpf zu bewahren, zu einem Verbote ge¬
zwungen wurde? Diese Frage wird sich leichter beantworten lassen,
wenn wir das Werk, dessen in diesen Blättern bereits gelegentlich
einer öffentlichen Vorlesung kurz gedacht wurde (s. „Die Wage“
Nr. 48, 1912, pag. 1106), einer eingehenden Analyse zu unterziehen
versuchen.
Professor Bernhardi — die Handlung spielt um das Jahr
1900 in Wien — ist der Begründer und Direktor des Elisabethinums,
einer Privatklinik, die sich erst nach schweren Kämpfen in der
Offentlichkeit durchgesetzt hat. Zu ihren zahlreichen Gegnern gehörte
auch der Universitätsprofessor Flint, ein ehemaliger Kollege und
Duzfreund Bernhardis. Nun genießt sie, Dank der Tüchtigkeit
ihres Leiters und seiner verschiedenen Mitarbeiter, großes Ansehen:
ein Prinz, ein Bischof und andere hochmögende Herren sitzen in
ihrem Kuratorium, ja, Flint selber, der es inzwischen zum
Unterrichtsminister gebracht, hat sich zu einer anderen Auffassung
bekehrt und beabsichtigt jetzt sogar eine staatliche Subventionierung
des segensreich wirkenden Instituts. Da ereignet sich jener Zwischen¬
fall, der einen völligen Umsturz der Verhältnisse herbeiführt. Um
eine Sterbende mit den Sakramenten zu versehen, wird von der
Krankenschwester Ludmilla der Priester an das Krankenbett gerufen.
Bernhardi möchte verhüten, daß die Leidende, die noch immer auf
Genesung hofft, durch den Gedanken an den Tod erschreckt werde,
und bittet den Seelsorger, von seinem Vorhaben abzustehen. Dieser
beharrt auf seiner Pflicht, eine Sterbende nicht unvorbereitet vor
ihren Schöpfer treten zu lassen, Bernhardi ebenso entschieden nach
der seinigen, „als Arzt, dem das Wohl seiner Kranken bis zur
letzten Stunde anvertraut bleibt", jede Beunruhigung von ihr
fernzuhalten, und er verbietet schließlich dem Pfarrer, indem er
„leicht seine Schulter berührt", die Schwelle des Krankenzimmers
zu überschreiten. Während dieser Auseinandersetzung stirbt die