box 28
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24. Das eeee e
Aussc aus!
18 10. 10
vom:
Nr. 4230. Seite 25.
Theater und Kunit.
Schnitzler schöpft in seine
(Burgtheater.)
wundervollen Tragikomödie „Dasweite Land“ da
Tragische der Komik der Liebessehnsucht aus. Er gibt ein
prächtig stilisierte Komödie, welche feine seelische Fäden der
knüpft und die starke Menschlichkeit aller vorgeführten Per¬
sonen in glänzend gesehenen Figuren betont. Der Dichten
meint, die Seele der Menschen, wäre ein weites unerforschliches
Land mit unbekannten Höhen und Tiefen. Und nun geht er
in fünf Akten an die Erbringung der Beweise. Da lebt in
Baden draußen der Fabrikant Hofreiter, ein Mann, der un¬
erschöpflich im Lieben ist und sozusagen nur in den Pausen
zwischen zwei Frauen seine bürgerlichen Geschäfte besorgt¬
Seine kühle, tugendhafte Frau Genia vernachlässigt und be¬
trügt er. Einer seiner Freunde ist wegen Genia in den Tod
gegangen, aber die Gattin kann ihm Treue und Unschuld be¬
weisen. Diese Eröffnung hat Hofreiter aber noch mehr abge¬
kühlt. Auf einer Dolomitentour erobert er ein unberührtes
Mädchen. Nach der Heimkehr aus Tirol entdeckt er, daß sich
seine tugendstarke Gemahlin mit einem jungen Fähnrich ver¬
gessen hat. Er fordert den Jüngling vor die Pistole, knallt ihn
nieder und drückt dann noch kaltblütig der ahnungslosen Mutter
des Getöteten die Hand. Erst jetzt bricht er zusammen. Das
junge, verführte Mädchen will ihm überallhin folgen, aber er
weist sie von sich. Er gehört Niemandem mehr an, nach seiner
eigenen Ansicht. Da ertönt die Stimme seines dreizehn¬
jährigen aus dem englischen Pensionate zurückgekehrten
Sohnes. Die Tränen schießen aus seinen Augen, er kennt jetzt
endlich ein Lebensziel. Und auch in einer glücklich geführten
Nebenhandlung blicken wir in das zweite Land der Seelen...
Diese Bühnendichtung mit ihrem Reichtum an Gedanken, mit
ihrer wundervollen Menschengestaltung und Wirklichkeitsechtheit
gehört wohl zu den bedeutendsten dramatischen Schöpfungen der
modernen deutschen Theaterliteratur. Das Burgtheater, dank¬
bar für die hervorragende Gabe des Dichters, brachte eine sehr
fein retouchierte Vorstellung zustande. Thimigs Regie hatte
für eine stimmungsvolle Szenerie gesorgt. Korff gibt dent
brutalen Sinnenmenschen und Egoisten Hofreiter in glänzend¬
ster künstlerischer Manier. Fräulein Marberg als Genia ist,
eine tiefbewegende Frauengestalt. Sie erscheint im Anfang!
vielleicht um eine Nuance zu kühl, im Schlußalte findet sie
rgreifende Alzente. Fräulein Hofteufel ist vorzüglich als
das junge, betörende und betörte Mädchen, das ihre ganze
Seele in ihre Liebe legt. Wundervoll werden auch die kleineren#
und kleinen Rollen gespielt, vor allem von Fran Bleib¬
treu, den Herren Gerasch, Thimig, Valajthy,
Zeska, Paulsen, Devrient (der Hartmanns Rolle
erbte), Heine und Moser. Frau Devrient=Rein¬
hold machte in einer Mutterrolle guten Eindruck. Alles in
Allem ergab es einen denkwürdigen Burgtheaterabend. Der
Dichter selbst=mußte oft und oft für den begeisterten Beifall des
Dukl## Katiion
TUTRNNR
150l. 1311
vom:
—
Hofburgtheater.
Zum ersten Male: „Das weite Land“,
Artur
Tragikomödie in fünf Akten, von
„Sollte es Ihnen noch nicht
Schnitzler.
aufgefallensein was für komplizierte Subjekte
wir Menschen im Grunde sind? So vieles hat
zugleich Raum in uns! Liebe und Trug ... Treue
und Treulosigkeit. Anbetung für die eine und
einer anderen oder nach
Verlangen nach
mehreren. Ja, mein guter Hofreiter, die Seele
es
ist ein weites Land, wie ein Dichter
Der also im dritten Akte
einmal ausdrückte.
der Novität von gestern spricht, ist ein Hoteldirektor,
Präsident
Herr Doktor von Aigner, ehemaliger
des Touristenklubs. Abgeordneter und Don Juan in
den Dolomiten und Umgebung. Er hat seine offizielle
Frau, eine berühmte Schauspielerin, sehr geliebt und
sehr betrogen. Doch hier liegt nicht das Problem.
Der gute Hofreiter, an den die eingangs zitierten Worte
gerichtet sind, ist ein kompliziertes Subjekt. Findet
die brave Gattin unheimlich, weil sie den sündigen
Werbungen eines russischen Pianisten tapferen
hat. Der Klavierspieler
geleistet
Widerstand
ging in den Tod, weil seine Sehnsucht ohne
Erhörung blieb. Tugend eines Weibes gefällt
der Kanaille nicht. Sein Interesse entzündet sich
an der Gewißheit, daß die Gefährtin gefallen
erst
Einem Marinefähnrich gab sich“ die ver¬
ist.
eigen und
Dame zu
schmähte, verlassene
jetzt wird der Herr Gemahl rabiat, eifersüchtig
auf die Jugend. Sogar etwas wie Liebe zieht durch
seine kalte Seele... Er tötet den Nebenbuhler und
möchte mit blutbefleckten Händen die Brücke schlagen
zu seinem verwüsteten Hause. Umsonst. Das Weib ist
ihm verloren gegangen und von dem Mädchen, dessen
Blüte er bei einer Bergwanderung brach, will er
Lebenfalls nichts wissen. Sein Heil sucht er bei dem
Kinde aus der freudlosen Ehe. Ein kompliziertes,
auch jenes moderne Fräulein mit
Subjekt ist
seiner Hinneigung zu angegrauten Herren. Wenn
sich
verlöschen, tut
Lichter
die
im Hotel
Hofreiter
Herr
und
auf
eine Kammertüre
wird von dem Mädel mit den aufgestachelten Trieben
begnadet ... Solches Entgegenkommen behagt dem
Abenteurer, der sich eine eigene Herrenmoral aus¬
hat. Der Mann darf sich alles
geklügelt
erlauben, nichts ist dem Gaukler verwehrt. Und
zur Treue ist er nicht verpflichtet. Wehe der
Frau, die unterliegt, die nach der Entfremdung
in der Ehe zur Eheirrung gepeitscht wird.
Es wird über die Dichtung Schnitzlers ein ausführ¬
liches Urteil gefällt werden. Heute sei der große Er¬
folg konstatiert. Das Premièrenpublikum rief den
Poeten nach jedem Akte vor die Rampe, würdigte die
eigentümlichen Schönheiten des Werkes und gab den
Bedenken keine Gewalt. Die männliche Hauptrolle in
dem figurenreichen Stücke warg an Arnold Korff ge¬
langt, der seine reiche künstlerische Erfindung an einer
bedeutsamen Aufgabe entfalten konnte. Wie ein lange
Sprudel
zurückgedämmter, endlich losgelassener
einer imponierenden
stieg seine Kraft zu
Er hat sich mit dem Glühlichter¬
Höhe empor.
fabrikanten, der Charmeur und Schurke ist, in die
allererste Reihe hineingespielt. Lilli Marberg
gab die unverstandene, sündig gewordene Frau mit
geistiger Energie und mit einer Empfindung, welche
den Stempel der Wahrheit trug. Fräulein Hofteufel
wurde von dem Gewichte ihrer Rolle zu Boden
gedrückt. Auch fehlte ihr für das Mädchen mit der
Dirnennatur der berückende Reiz. Vortrefflich
waren die Damen Devrient=Reinhold und
Bleibtreu. Herr Gerasch, der unglückselige
Marinefähnrich, bewahrte aute Haltung. In Episoden
waren Fräulein Wilke, die Herren Heine.
Paulsen. Thimig, Treßler und Zeska auf
den richtigen Posten. Herr Devrient sollte Hart¬
mann ersetzen. Es stand ein großer Schatten hinter
ihm ... Bei den Wiederholungen wird sich empfehlen,
den Sprechton stärker zu schattieren. Gestern ging
manche Dialogstelle verloren, weil die geschätzten
Redner ihre Organe schonten. Deutlichkeit ist die erste
Schauspielerpflicht.
Aus Berlin telegraphiert man uns: Die
Tragikomödie „Das weite Land“ von Artur
Schnitzler fand trotz ausgezeichneter Darstellung im
Lessing=Theater schwachen, aber unwidersprochenen
Beifall so daß Direktor Brahm im Namen des
Antors danken konnte. Besonders verdient machten
sich um die Aufführung die Damen Irene Triesch
(Genia) Hilde und Herterich (Eina), sowie Herr
Heinz Monnard (Hofreiter).
Aus München wird uns telegraphiert: Die
Erstaufführung von Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land im Königlichen Residenztheater
brachte dem Dichter und seinem neuesten Werke einen
warmen Erfolg.
Z
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Aussc aus!
18 10. 10
vom:
Nr. 4230. Seite 25.
Theater und Kunit.
Schnitzler schöpft in seine
(Burgtheater.)
wundervollen Tragikomödie „Dasweite Land“ da
Tragische der Komik der Liebessehnsucht aus. Er gibt ein
prächtig stilisierte Komödie, welche feine seelische Fäden der
knüpft und die starke Menschlichkeit aller vorgeführten Per¬
sonen in glänzend gesehenen Figuren betont. Der Dichten
meint, die Seele der Menschen, wäre ein weites unerforschliches
Land mit unbekannten Höhen und Tiefen. Und nun geht er
in fünf Akten an die Erbringung der Beweise. Da lebt in
Baden draußen der Fabrikant Hofreiter, ein Mann, der un¬
erschöpflich im Lieben ist und sozusagen nur in den Pausen
zwischen zwei Frauen seine bürgerlichen Geschäfte besorgt¬
Seine kühle, tugendhafte Frau Genia vernachlässigt und be¬
trügt er. Einer seiner Freunde ist wegen Genia in den Tod
gegangen, aber die Gattin kann ihm Treue und Unschuld be¬
weisen. Diese Eröffnung hat Hofreiter aber noch mehr abge¬
kühlt. Auf einer Dolomitentour erobert er ein unberührtes
Mädchen. Nach der Heimkehr aus Tirol entdeckt er, daß sich
seine tugendstarke Gemahlin mit einem jungen Fähnrich ver¬
gessen hat. Er fordert den Jüngling vor die Pistole, knallt ihn
nieder und drückt dann noch kaltblütig der ahnungslosen Mutter
des Getöteten die Hand. Erst jetzt bricht er zusammen. Das
junge, verführte Mädchen will ihm überallhin folgen, aber er
weist sie von sich. Er gehört Niemandem mehr an, nach seiner
eigenen Ansicht. Da ertönt die Stimme seines dreizehn¬
jährigen aus dem englischen Pensionate zurückgekehrten
Sohnes. Die Tränen schießen aus seinen Augen, er kennt jetzt
endlich ein Lebensziel. Und auch in einer glücklich geführten
Nebenhandlung blicken wir in das zweite Land der Seelen...
Diese Bühnendichtung mit ihrem Reichtum an Gedanken, mit
ihrer wundervollen Menschengestaltung und Wirklichkeitsechtheit
gehört wohl zu den bedeutendsten dramatischen Schöpfungen der
modernen deutschen Theaterliteratur. Das Burgtheater, dank¬
bar für die hervorragende Gabe des Dichters, brachte eine sehr
fein retouchierte Vorstellung zustande. Thimigs Regie hatte
für eine stimmungsvolle Szenerie gesorgt. Korff gibt dent
brutalen Sinnenmenschen und Egoisten Hofreiter in glänzend¬
ster künstlerischer Manier. Fräulein Marberg als Genia ist,
eine tiefbewegende Frauengestalt. Sie erscheint im Anfang!
vielleicht um eine Nuance zu kühl, im Schlußalte findet sie
rgreifende Alzente. Fräulein Hofteufel ist vorzüglich als
das junge, betörende und betörte Mädchen, das ihre ganze
Seele in ihre Liebe legt. Wundervoll werden auch die kleineren#
und kleinen Rollen gespielt, vor allem von Fran Bleib¬
treu, den Herren Gerasch, Thimig, Valajthy,
Zeska, Paulsen, Devrient (der Hartmanns Rolle
erbte), Heine und Moser. Frau Devrient=Rein¬
hold machte in einer Mutterrolle guten Eindruck. Alles in
Allem ergab es einen denkwürdigen Burgtheaterabend. Der
Dichter selbst=mußte oft und oft für den begeisterten Beifall des
Dukl## Katiion
TUTRNNR
150l. 1311
vom:
—
Hofburgtheater.
Zum ersten Male: „Das weite Land“,
Artur
Tragikomödie in fünf Akten, von
„Sollte es Ihnen noch nicht
Schnitzler.
aufgefallensein was für komplizierte Subjekte
wir Menschen im Grunde sind? So vieles hat
zugleich Raum in uns! Liebe und Trug ... Treue
und Treulosigkeit. Anbetung für die eine und
einer anderen oder nach
Verlangen nach
mehreren. Ja, mein guter Hofreiter, die Seele
es
ist ein weites Land, wie ein Dichter
Der also im dritten Akte
einmal ausdrückte.
der Novität von gestern spricht, ist ein Hoteldirektor,
Präsident
Herr Doktor von Aigner, ehemaliger
des Touristenklubs. Abgeordneter und Don Juan in
den Dolomiten und Umgebung. Er hat seine offizielle
Frau, eine berühmte Schauspielerin, sehr geliebt und
sehr betrogen. Doch hier liegt nicht das Problem.
Der gute Hofreiter, an den die eingangs zitierten Worte
gerichtet sind, ist ein kompliziertes Subjekt. Findet
die brave Gattin unheimlich, weil sie den sündigen
Werbungen eines russischen Pianisten tapferen
hat. Der Klavierspieler
geleistet
Widerstand
ging in den Tod, weil seine Sehnsucht ohne
Erhörung blieb. Tugend eines Weibes gefällt
der Kanaille nicht. Sein Interesse entzündet sich
an der Gewißheit, daß die Gefährtin gefallen
erst
Einem Marinefähnrich gab sich“ die ver¬
ist.
eigen und
Dame zu
schmähte, verlassene
jetzt wird der Herr Gemahl rabiat, eifersüchtig
auf die Jugend. Sogar etwas wie Liebe zieht durch
seine kalte Seele... Er tötet den Nebenbuhler und
möchte mit blutbefleckten Händen die Brücke schlagen
zu seinem verwüsteten Hause. Umsonst. Das Weib ist
ihm verloren gegangen und von dem Mädchen, dessen
Blüte er bei einer Bergwanderung brach, will er
Lebenfalls nichts wissen. Sein Heil sucht er bei dem
Kinde aus der freudlosen Ehe. Ein kompliziertes,
auch jenes moderne Fräulein mit
Subjekt ist
seiner Hinneigung zu angegrauten Herren. Wenn
sich
verlöschen, tut
Lichter
die
im Hotel
Hofreiter
Herr
und
auf
eine Kammertüre
wird von dem Mädel mit den aufgestachelten Trieben
begnadet ... Solches Entgegenkommen behagt dem
Abenteurer, der sich eine eigene Herrenmoral aus¬
hat. Der Mann darf sich alles
geklügelt
erlauben, nichts ist dem Gaukler verwehrt. Und
zur Treue ist er nicht verpflichtet. Wehe der
Frau, die unterliegt, die nach der Entfremdung
in der Ehe zur Eheirrung gepeitscht wird.
Es wird über die Dichtung Schnitzlers ein ausführ¬
liches Urteil gefällt werden. Heute sei der große Er¬
folg konstatiert. Das Premièrenpublikum rief den
Poeten nach jedem Akte vor die Rampe, würdigte die
eigentümlichen Schönheiten des Werkes und gab den
Bedenken keine Gewalt. Die männliche Hauptrolle in
dem figurenreichen Stücke warg an Arnold Korff ge¬
langt, der seine reiche künstlerische Erfindung an einer
bedeutsamen Aufgabe entfalten konnte. Wie ein lange
Sprudel
zurückgedämmter, endlich losgelassener
einer imponierenden
stieg seine Kraft zu
Er hat sich mit dem Glühlichter¬
Höhe empor.
fabrikanten, der Charmeur und Schurke ist, in die
allererste Reihe hineingespielt. Lilli Marberg
gab die unverstandene, sündig gewordene Frau mit
geistiger Energie und mit einer Empfindung, welche
den Stempel der Wahrheit trug. Fräulein Hofteufel
wurde von dem Gewichte ihrer Rolle zu Boden
gedrückt. Auch fehlte ihr für das Mädchen mit der
Dirnennatur der berückende Reiz. Vortrefflich
waren die Damen Devrient=Reinhold und
Bleibtreu. Herr Gerasch, der unglückselige
Marinefähnrich, bewahrte aute Haltung. In Episoden
waren Fräulein Wilke, die Herren Heine.
Paulsen. Thimig, Treßler und Zeska auf
den richtigen Posten. Herr Devrient sollte Hart¬
mann ersetzen. Es stand ein großer Schatten hinter
ihm ... Bei den Wiederholungen wird sich empfehlen,
den Sprechton stärker zu schattieren. Gestern ging
manche Dialogstelle verloren, weil die geschätzten
Redner ihre Organe schonten. Deutlichkeit ist die erste
Schauspielerpflicht.
Aus Berlin telegraphiert man uns: Die
Tragikomödie „Das weite Land“ von Artur
Schnitzler fand trotz ausgezeichneter Darstellung im
Lessing=Theater schwachen, aber unwidersprochenen
Beifall so daß Direktor Brahm im Namen des
Antors danken konnte. Besonders verdient machten
sich um die Aufführung die Damen Irene Triesch
(Genia) Hilde und Herterich (Eina), sowie Herr
Heinz Monnard (Hofreiter).
Aus München wird uns telegraphiert: Die
Erstaufführung von Schnitzlers Tragikomödie
„Das weite Land im Königlichen Residenztheater
brachte dem Dichter und seinem neuesten Werke einen
warmen Erfolg.
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