II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 224

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24. Das seite Land
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gemeldet: Vor einigen Tagen traf hier eine Note Referent Ernst Kammerer; Ackerbau Referent Eventualität einer Vertagung zu beseitigen. Es ist
der ungarischen Regierung ein, welche als Antwort! Geza Papp; Handel Referent Franz Heltai;l nämlich zwischen den Parteien eine Vereinbarung

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und Liebe in der intellektuellen Gesellschaft des wohl= nach der jungen Erna, einer Gestalt, die Schnitzlers zu lassen und die Andere zu heirathen, geht ihn die
ganze Geschichte ja nichts mehr an. Aber der nächste
habenden Mittelstandes eben gerade die Erotik die mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit, mit
Tag zerrt an seinen Nerven: Er muß das Spiel zwi¬
spezielle Kraft hat, alle übrigen Lebensgesetze dieser denselben Mitteln als Symbol der Jugend gekenn¬
schen seiner Frau und ihrem Geliebten mitansehen;
Schichte des Bürgerthums für ihr Gebiet außer zeichnet hat wie Ibsen seine Hilda Hempel in der
eine Verleumdung über seinen Antheil am Tode
Kraft zu setzen. Er will also Menschen unter „Frau vom Meere“ und in „Baumeister Solneß“.
jenes Anderen, der sich um seiner Frau willen er¬
der Geltung der Ausnahmsgesetze ihrer Erotik Nebstbei bemerkt, war Schnitzler der psychologischen
schossen hat, empfängt ihn; ein wüthender Zusammen¬
darstellen. Na ja, das mag Einem gefallen oder Bohrtechnik und physisch=metaphysischen Brückenbau¬
stoß mit dem Verleumder, den Gatten seiner früheren
kunst Ibsen's niemals so nahe wie diesmal. Aus
nicht, aber es hat doch wenig Sinn, einem Dichter,
Geliebten, bei dem er wehr'os wird, raubt ihm die
diesem neuen erotischen Verlangen heraus nun, das
der die Welt vom Semmeringhotel aus besieht, einen
Besinnung; ein Kampf im Spiele Tennis=Sinple
ihn von der Frau abzieht, entwickelt sich in ihm die
Vorwurf daraus zu machen, daß er sie nicht lieber
quälerische Vorstellung, daß sein Freund für ein just mit jenem Fähnrich reizt ihn, und fast wider
vom Thron oder von der Kaserne oder von der
seinen Willen treibt ihn ein Dämon, den Liebhaber
Nichts sterben mußte. Er liebt seine Frau nicht, er
Spelunke oder gar von den Vichy=Inseln aus be¬
seiner Frau zu provoziren. Es kommt zum Duell
glaubt, daß sie ihn nicht liebe. Er nimmt an, daß
trachtet. Er schaut nun einmal just von tausend
mit dem jungen Menschen, dessen Eltern ihm nahe¬
ihr der Todte nahegestanden habe. Als Mensch ist
Metern Höhe herab auf die Villa des Fabrikanten
stehen, der ihm immer sympathisch war, der ihm
ihm ihre Treue werthlos, sie ist nichts als ein ein¬
Friedrich Hofreiter im Helenenthal bei Baden.
schließlich das erwünschte Auseinandergehen in seiner
gebildeter Besitz seines Gattenegoismus — und doch
Die Berliner Inszenirung scheint anzunehmen,
Ehe erleichtert hat — denn jetzt mußte ja Frau
liegt für dieses komplizirte Nichts ein Mensch, der
daß Hofreiter, der seine Frau fast ohne Pausen be¬
Genia in die Scheidung willigen — und er schießt
vor ein paar Tagen in genialer Künstlerschaft lebendig
trügt, doch auch fast ohne Pausen liebt. Und die
war, jetzt im Sarg und verwest. Das ist ihm unheimlich, den Gegner kalten Blutes todt. Warum? Weil der
Berliner Kritik folgt ihr darin. Ich finde im Buche
Andere die kalte freche Jugend ist, der seiner altern¬
und so ungerecht es ist: der Todte steht doch zwischen
keine Anhaltspunkte dafür, während es klar ist, daß
den Männlichkeit an die Kehle springt, weil er das
ihm und seiner Frau, wobei er sich freilich auch des¬
Frau Genia die Liebe zu ihrem Manne innerlich
Er oder Ich im Auge des Anderen zu sehen glaubte,
halb belügt, weil er mit seinen Sinnen schon bei einer
nicht überwunden hat, auch wenn sie den Anderen
weil ihn das Chaos seiner eigenen Seele überwältigt
Anderen ist. Mit dieser Anderen kommt er auf seiner
erhört, selbst nicht, da sie sich von Friedrich ab¬
hat. Seine Kraft, seine Lebensgier sind bei diesem
Dolomitenfahrt zusammen, und die kleine Erna, die
wenden muß. Friedrich hat gerade ein Verhältniß
mit der Frau seines Bankiers gelöst, da erschießt ihn seit ihrem siebenten Jahre liebt, wird seine Ge= tödtlichen Schuß auf den Anderen zusammengebrochen.
Auch von Erna sagt er sich jetzt los. Niemandem
liebte, trotzdem er sie seinem besten Freunde weg¬
sich einer seiner besten Freunde aus unglücklicher
will er mehr angehören. Da hört er von draußen,
nehmen muß, der sie liebt. In einer Nacht kehrt er
Liebe zu Frau Genia. Und während Friedrich's
vom Garten her, die Stimme seines heimkehrenden
nach Baden zurück, geht sich vor den Fenstern seiner
Mund seiner Frau die Berechtigung zuerkennt, ihm
Söhnchens: Vater! Er wimmert auf und weiß nun, daß
Erna müde und sieht gleich darauf den Fähnrich
seine Treulosigkeit mit Gleichem zu vergelten, bäumt
die Kinder der einzig feste Punkt in diesem Chaos
Otto v. Aigner aus dem Schlafzimmerfenster seiner
sich sein Geckenegoismus dagegen auf, daß der
sind, die Einzigen, denen man angehören muß, ob
Todte ihm etwas von seinem ehelichen Besitz gefährdet Frau steigen. Wieder entbrennt der Kampf zwischen
man will oder nicht. Alle Freiheit, aller Cynismus,
habe. Die Frau wartet darauf, daß das Opfer,nüchterner Logik und Gerechtigkeitsgefühl einerseits
welches für diese Ehe in die Grube gesunken ist, ihr und des Gatten Eitelkeit andererseits. Scheinbar siegt alle Brutalität, aller Egoismus sind nun von diesem
den Gatten wenigstens zurückerobern werde; aberl zunächst die Vernunft. Da er mit dem festen Ent= Friedrich Hofreiter abgefallen und es bleibt nichts
Friedrich brennt schon wieder nach einer Anderen,kschlusse heimgekehrt ist, sich von seiner Frau scheiden übrig als das simple Philisterium der Vaterschaft.