II, Theaterstücke 24, Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten, Seite 586

24. Das weite Land
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Umschau
Aber sympathisieren wir mit ihnen? Ist
Josef Dannegger hatte das weite Land
dieser Hofreiter verständlich? Aus welchem
der ziemlich fahrig geführten Konver¬
Motive erwächst diesem Abgebrühten die
sation stark mit roten Strichen durchpflügt
heroische Gebärde? Was will Schnitzler
und viel getan, um dem Werke auf die
mit dieser Figur? Man hat den Gesamt¬
Beine zu helfen; aber es war im ganzen
eindruck eines Kerls, wenn man an den
doch verlorene Mühe.
sehnigen Sportsmann denkt, wenn man
Herr Marx und Fräulein Reiter¬
daran denkt, daß dieser eiskalte Betrüger
Forst gaben vortrefflich das Ehepaar Hof¬
ruhig in den Pistolenlauf seines Gegners
reiter. Herr Nevy charakterisierte den
hineinsehen kann. Seine heroische Maske
Bankier Natter schlagend, und Herr
wirkt aber wie ein Bluff, wie eine Laune,
Prasch, der in modernen Uniformen sehr
sie wirkt ärgerlich und komisch zugleich.
gute Figur macht, stellte einen sympathi¬
Daran liegt es, daß man unbefriedigt das
schen Marineoffizier auf die Bretter.
Theater verläßt. Die Mischung in diesem
(Schluß folgt.)
C. F. Wiegand
Charakter ist direktionslos; diese Mischung
Basler Theater. Schauspiel. Wie
von tönender Weitherzigkeit, Menschlich¬
ich schon in meiner letzten Besprechung er¬
keit, Phrase, Eitelkeit und Bestie ergibt
wähnte, führt das Schauspiel in unserer
keinen Kristall, keinen Zusammenschluß. Nicht
guten Stadt ein ziemlich klägliches Leben.
nur die Welt, in der er lebt, ist durch die¬
Immer mehr scheint die Theaterleitung in
sen Hofreiter genarrt, sondern auch der Zu¬
ihm eine lästige Unterbrechung des Opern¬
schauer. Und dies läßt sich das Publikum
repertoires zu erblicken, die man auf ein
nicht gefallen, auch wenn es die skrupellose
Mindestmaß beschränken muß. Zwei Auf¬
sittliche Verwirrung, die „weanerische Ge¬
führungen des „Egmont“, eine des „Kauf¬
mütlichkeit“ in allem Sittlichen (nicht Mora¬
manns von Venedig“ — das ist alles, was
lischen!) als gegeben anzunehmen bereit ist.
uns dieser Monat an ernst zu nehmenden
Eine wesentlich tiefer und scharf ge¬
Kunstgenüssen auf diesem Gebiet brachte.
sehene Gestalt als Hofreiter ist der Bankier
Daneben gab's noch zwei Vorstellungen der
Natter, dessen Frau jener verführte und
„fünf Frankfurter", einer zwar nicht bedeu¬
dann, wie alle ihres Geschlechtes, zur Seite
tenden, aber ganz netten neuen Komödie. Sie
stellte. Natter, der das Verhältnis Hof¬
führt uns in die Judengasse in Frankfurt,
reiters zu seiner Frau kennt, bleibt der
in das Haus Rotschild, in dem die alte
gute Bekannte Hofreiters, um seine glü¬
Frau Gudula, die Mutter der fünf Brüder,
hend geliebte Frau nicht zu verlieren, rich¬
in altgewohnter Schlichtheit lebt. Aber in
tet aber kaltblütig den Ruf Hofreiters in
den Brüdern, namentlich in Salomon, dem
der Öffentlichkeit zugrunde. Im übrigen
unternehmendsten, hat der Reichtum ehr¬
bieten die Figuren des Werks keine charak¬
geizige Pläne gezeitigt. Er will seine Toch¬
teristischen Neuwerte. Nur eine neuartige
ter an den Herzog von Taunus, einen jun¬
Situation bietet „Das weite Land“, im letz¬
gen, verschuldeten Lebemann und Duodez¬
#ten Akte nämlich, wenn Hofreiter, der vom
fürsten, verheiraten. Der junge Fürst
Zweikampf heimkommt, der ahnungslosen
teils aus Geldverlegenheit, teils aus einer
Mutter des von ihm erschossenen Gegners
gewissen Freude an der Unverfrorenheit
in einem konventionell geführten Gespräch
des Juden — geht darauf ein; aber nicht
die Hand reicht.
so die Tochter Salomons, Charlotte. Sie