S
23. Der Schlefer der pierrette
ADGLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN G. 27. BLUMEN-STRASSE 80-81.
2 Zeitung, Breslauer Zeitung
S Adresse: Breslan
Datum:
8
Dresden, 23. Januar.
„Der Schleier der Pierrette“ Pantomime in drei Bildern
von Arthur Schnitzler, Musik von Ernst v. Dohnänyi. —
Der Komponist, dessen neues Werk gelegentlich der Uraufführung im
KKönigl. Opernhause zu Dresden eine sehr warme Aufnahme fand, hat sich
bereits vor Jahren hier durch eine Symphonie günstig eingeführt. Er
ist Ungar von Geburt und lebt in Berlin als Lehrer an der Hochschule
für Musik. Seiner Pantomime liegen Szenen des Schnitzlerschen Schau¬
spiels „Der Schleier der Beatrice“ zugrunde, doch ist bei der Pantomime
die Handlung aus der Renaissancezeit in das Wien vom Beginn des
vorigen Jahrhunderts verlegt. Das Werk bietet Gelegenheit zur Vor¬
führung farbenprächtiger Bilder, vermeidet aber das Tragische, ja das
Grausige nicht. Pierrette, die ihrem Bräutigam untreu gewesen ist, wird
schließlich von diesem gezwungen, mit dem toten Geliebten zu Tische zu
sitzen, und ihm, wie kurz zuvor dem Lebenden, zuzutrinken. Darob ver¬
fällt Pierrette in Wahnsinn. Sie beginnt zu tanzen, immer leidenschaft¬
licher, bis sie endlich sterbend über dem toten Geliebten niedersinkt.
v. DohnAnyi erstrebt mit seiner Tondichtung eine Art Ausbau der kym¬
phonischen Dichtung, denn eine Pantomime alten Schlages ist sie nicht.
Alle Mittel moderner Instrumentierungskunst sind herangezogen, und die
Musik ist weit symphonischer gehalten, wie in den meisten älteren Stücker.
dieser Gattung. Mit der symphonischen Dichtung hat die Pantomime ja
das gemeinsam, daß sie der gesprochenen oder gesungenen Worte entbehrt.
daß sie aber dennoch bestimmte Vorgänge erklären und vertiefen will.
Dort hilft das gedruckte Wort, hier die Darstellung nach. Ob aber die
Verständlichmachung komplizierter Vorgänge, ohne deren Verbindung mit
dem Gesang, der Musik allein möglich ist, das ist immer noch offene Frage!
Jedenfalls ist v. Dohnányis illustrierende Musik der Ausfluß eines sehr
starken Talents, denn manches ist dem Tondichter erstaunlich gelungen.
Dennoch vermißt man auch hier das Wort oft schmerzlich. Zu voller
Wirkung kommt das Stück nur, wo die Geberde und der Tanz in seiner
edelsten Form es ganz beherrschen, wie in der Schlußszene mit ihrer
Schilderung des überhandnehmenden Wahnsinns der Pierrette. — Um
die Darstellung machten sich zumeist Sänger und Sängerinnen der Hof¬
oper verdient, ganz besonders Fräulein Terrani als Pierrette, Herr
Soot als Pierrot und Herr Trede als Pierrettes Bräutigam. Am
Schlusse der Vorstellung wurden der anwesende Komponist — auch
Schnitzler war zugegen — die Ausführenden und der temperamentvolle
Führer des Orchesters, Herr v. Schuch, wiederholt stürmisch gerufen.
Das Haus war vollbesetzt.
Prof. Albert Fuchs.
box 27/5
Telephon 12.891.
„ODSLNVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago. Cleveland, Chrtstiania.
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolls,
New-Vork. Paris. Rom, San Francisco, Stockholm. St. Peters¬
burg, Toronto.
aoelienengabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus
vom:
25. Jbamiiger Fremdenbian
Der Schleier der Pierrette.
Parcomime in 3 Bildern von Arthur Schnitzler.
Musik von Ernst v. Dohne
Dresden, 23. Januar.
Der Pautomime, deren gestrige Urauf¬
führung im Königl. Opernhause als eine
#urchaus wohlgelungene zu bezeichnen ist, liegen
Szenen des dritten, vierten und fünften Altes
des Schmhlerschen Schauspiels „Der Schleier¬
der Beatrice“ zugrunde, doch ist bei der
Pantomime die Handlung aus der Renaissance¬
zeit in das Wien vom Beginn des vorigen
Jahrhunderts verlegt. Die Vorgänge, die sich
auf der Bühne abspielen, zeigen farbenreiche¬
liebliche Bilder in Abwechslung mit Tragischem,
ja Gräusigem. Pierrene, die turz vor der Hoch¬
zeit ihrem Bräutigam die Treue bricht, wird
schließlich von diesem gezwungen, mit dem toten
Geliebten zu Tische zu sitzen und ihm, wie kurz
zuvor in der Schäferstunde, zuzutrinken. Daroh
verfällt Pierrette in Wahnsinn. Sie beginnt zu
tanzen, wild und wilder, vis sie sierbend über
dem toten Geliebten zusammenbricht. — In dem
neuen Werke ist der Versuch gemacht, die ganze
Skala der Empfindungen, Lust und Leid,
Heiteres und Tragisches, galante Tändelei und
Geisterspuk, lediglich durch Darstellung und die
sie begleitende und vertiefende Musik zum Aus¬
druck zu bringen, und zwar durch eine selbst¬
ständige symphonische, alle Mittel moderner In¬
strumentierungskunst heranziehende Musik. Da¬
durch unterscheidet sich diese Pantomime wesent¬
lich und in günstiger Weise von den meisten
älteren Werken dieser Gattung. Wie weit aber
derartige Stücke, die des gesprochenen oder ge¬
sungenen Wortes völlig entbehren, komplizierte
Vorgänge verständlich wiedergeben können, das
bleibt immer noch eine
offene
Frage.
Stets neue, ernste Versuche auf diesem Gebiete
beweisen, daß hier ein Ausbau der sympho¬
nischen Dichtung, die ja das gedruckte Wort zu
Hilfe nimmt, erstrebt wird.
Dohnänyis Musik ist die impo¬
nierende Probe eines starken Talents, dem
manches erstaunlich gelungen ist. Vieles wirkt
verblüffend lef, dennoch vermißt man auch hier
das Wort oft schmerzlich. Die Darstellenden
die in ihrei Erregung nur die Lippen be¬—
wegen, aber keinen Laut von sich geben können,
machen oft einen hilflosen Eindruck. Wo aber
die Gebärde, zumal der Tanz in seinen edelsten
Formen, völlig die Situation beherrschen, da
wächst das Werk zu wirklicher Größe heran.
Dies geschieht zumal in der Schlußszene mit
ihrer Darstellung des überbandnehmenden Wahn¬
sinns der Pierrette. Von packender Wirkung ist
auch die Musik des das zweite Bild einleiten¬
Die Altwiener Kostüme nach
den Walzers.
Entwürfen des Prof. Fauto waren entzückend.
Um die Darstellung machten sich zunächst Sänger
und Sängerinnen der Hofoper verdient; an
erster Stelle Fräulein Tervani als Pierrette,
Herr Soot als Pierrot und Herr Trede als
Bräutigam der Pierrette. Das Orchester unter
von Schuchs temperamentvoller Leitung hielt
sich vortrefflich. Am Schlusse des Werkes wurden
auch Schnitzler
der anwesende Komponist
war zugegen —, die Darsteller der Hauptrollen
und der Dirigent wiederholt gerufen. Das
Haus war vollbesetzt, der Erfolg also in jeder
Hinsicht ein über das Durchschnittsmaß weit
hinausgebender.
Prof. Albert Fuchs.
*
23. Der Schlefer der pierrette
ADGLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN G. 27. BLUMEN-STRASSE 80-81.
2 Zeitung, Breslauer Zeitung
S Adresse: Breslan
Datum:
8
Dresden, 23. Januar.
„Der Schleier der Pierrette“ Pantomime in drei Bildern
von Arthur Schnitzler, Musik von Ernst v. Dohnänyi. —
Der Komponist, dessen neues Werk gelegentlich der Uraufführung im
KKönigl. Opernhause zu Dresden eine sehr warme Aufnahme fand, hat sich
bereits vor Jahren hier durch eine Symphonie günstig eingeführt. Er
ist Ungar von Geburt und lebt in Berlin als Lehrer an der Hochschule
für Musik. Seiner Pantomime liegen Szenen des Schnitzlerschen Schau¬
spiels „Der Schleier der Beatrice“ zugrunde, doch ist bei der Pantomime
die Handlung aus der Renaissancezeit in das Wien vom Beginn des
vorigen Jahrhunderts verlegt. Das Werk bietet Gelegenheit zur Vor¬
führung farbenprächtiger Bilder, vermeidet aber das Tragische, ja das
Grausige nicht. Pierrette, die ihrem Bräutigam untreu gewesen ist, wird
schließlich von diesem gezwungen, mit dem toten Geliebten zu Tische zu
sitzen, und ihm, wie kurz zuvor dem Lebenden, zuzutrinken. Darob ver¬
fällt Pierrette in Wahnsinn. Sie beginnt zu tanzen, immer leidenschaft¬
licher, bis sie endlich sterbend über dem toten Geliebten niedersinkt.
v. DohnAnyi erstrebt mit seiner Tondichtung eine Art Ausbau der kym¬
phonischen Dichtung, denn eine Pantomime alten Schlages ist sie nicht.
Alle Mittel moderner Instrumentierungskunst sind herangezogen, und die
Musik ist weit symphonischer gehalten, wie in den meisten älteren Stücker.
dieser Gattung. Mit der symphonischen Dichtung hat die Pantomime ja
das gemeinsam, daß sie der gesprochenen oder gesungenen Worte entbehrt.
daß sie aber dennoch bestimmte Vorgänge erklären und vertiefen will.
Dort hilft das gedruckte Wort, hier die Darstellung nach. Ob aber die
Verständlichmachung komplizierter Vorgänge, ohne deren Verbindung mit
dem Gesang, der Musik allein möglich ist, das ist immer noch offene Frage!
Jedenfalls ist v. Dohnányis illustrierende Musik der Ausfluß eines sehr
starken Talents, denn manches ist dem Tondichter erstaunlich gelungen.
Dennoch vermißt man auch hier das Wort oft schmerzlich. Zu voller
Wirkung kommt das Stück nur, wo die Geberde und der Tanz in seiner
edelsten Form es ganz beherrschen, wie in der Schlußszene mit ihrer
Schilderung des überhandnehmenden Wahnsinns der Pierrette. — Um
die Darstellung machten sich zumeist Sänger und Sängerinnen der Hof¬
oper verdient, ganz besonders Fräulein Terrani als Pierrette, Herr
Soot als Pierrot und Herr Trede als Pierrettes Bräutigam. Am
Schlusse der Vorstellung wurden der anwesende Komponist — auch
Schnitzler war zugegen — die Ausführenden und der temperamentvolle
Führer des Orchesters, Herr v. Schuch, wiederholt stürmisch gerufen.
Das Haus war vollbesetzt.
Prof. Albert Fuchs.
box 27/5
Telephon 12.891.
„ODSLNVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago. Cleveland, Chrtstiania.
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolls,
New-Vork. Paris. Rom, San Francisco, Stockholm. St. Peters¬
burg, Toronto.
aoelienengabe ohne Gewähr.
Ausschnitt aus
vom:
25. Jbamiiger Fremdenbian
Der Schleier der Pierrette.
Parcomime in 3 Bildern von Arthur Schnitzler.
Musik von Ernst v. Dohne
Dresden, 23. Januar.
Der Pautomime, deren gestrige Urauf¬
führung im Königl. Opernhause als eine
#urchaus wohlgelungene zu bezeichnen ist, liegen
Szenen des dritten, vierten und fünften Altes
des Schmhlerschen Schauspiels „Der Schleier¬
der Beatrice“ zugrunde, doch ist bei der
Pantomime die Handlung aus der Renaissance¬
zeit in das Wien vom Beginn des vorigen
Jahrhunderts verlegt. Die Vorgänge, die sich
auf der Bühne abspielen, zeigen farbenreiche¬
liebliche Bilder in Abwechslung mit Tragischem,
ja Gräusigem. Pierrene, die turz vor der Hoch¬
zeit ihrem Bräutigam die Treue bricht, wird
schließlich von diesem gezwungen, mit dem toten
Geliebten zu Tische zu sitzen und ihm, wie kurz
zuvor in der Schäferstunde, zuzutrinken. Daroh
verfällt Pierrette in Wahnsinn. Sie beginnt zu
tanzen, wild und wilder, vis sie sierbend über
dem toten Geliebten zusammenbricht. — In dem
neuen Werke ist der Versuch gemacht, die ganze
Skala der Empfindungen, Lust und Leid,
Heiteres und Tragisches, galante Tändelei und
Geisterspuk, lediglich durch Darstellung und die
sie begleitende und vertiefende Musik zum Aus¬
druck zu bringen, und zwar durch eine selbst¬
ständige symphonische, alle Mittel moderner In¬
strumentierungskunst heranziehende Musik. Da¬
durch unterscheidet sich diese Pantomime wesent¬
lich und in günstiger Weise von den meisten
älteren Werken dieser Gattung. Wie weit aber
derartige Stücke, die des gesprochenen oder ge¬
sungenen Wortes völlig entbehren, komplizierte
Vorgänge verständlich wiedergeben können, das
bleibt immer noch eine
offene
Frage.
Stets neue, ernste Versuche auf diesem Gebiete
beweisen, daß hier ein Ausbau der sympho¬
nischen Dichtung, die ja das gedruckte Wort zu
Hilfe nimmt, erstrebt wird.
Dohnänyis Musik ist die impo¬
nierende Probe eines starken Talents, dem
manches erstaunlich gelungen ist. Vieles wirkt
verblüffend lef, dennoch vermißt man auch hier
das Wort oft schmerzlich. Die Darstellenden
die in ihrei Erregung nur die Lippen be¬—
wegen, aber keinen Laut von sich geben können,
machen oft einen hilflosen Eindruck. Wo aber
die Gebärde, zumal der Tanz in seinen edelsten
Formen, völlig die Situation beherrschen, da
wächst das Werk zu wirklicher Größe heran.
Dies geschieht zumal in der Schlußszene mit
ihrer Darstellung des überbandnehmenden Wahn¬
sinns der Pierrette. Von packender Wirkung ist
auch die Musik des das zweite Bild einleiten¬
Die Altwiener Kostüme nach
den Walzers.
Entwürfen des Prof. Fauto waren entzückend.
Um die Darstellung machten sich zunächst Sänger
und Sängerinnen der Hofoper verdient; an
erster Stelle Fräulein Tervani als Pierrette,
Herr Soot als Pierrot und Herr Trede als
Bräutigam der Pierrette. Das Orchester unter
von Schuchs temperamentvoller Leitung hielt
sich vortrefflich. Am Schlusse des Werkes wurden
auch Schnitzler
der anwesende Komponist
war zugegen —, die Darsteller der Hauptrollen
und der Dirigent wiederholt gerufen. Das
Haus war vollbesetzt, der Erfolg also in jeder
Hinsicht ein über das Durchschnittsmaß weit
hinausgebender.
Prof. Albert Fuchs.
*