II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 133

Und doch ist die spröde Komödie mit all ihren
Fehlern eine interessante Arbeit, die das Unter¬
haltungsbedürfniß der Klein Dorrit=Schwärmer nicht
ohne Schadenfrende unbefriedigt läßt. Wenn
Arthur Schnitzler auf der Bühne erscheint,
hat er immer etwas, manchmal sogar zu
viel zu sagen. Das ist sein Fehler. Am Thore des
Burgtheaters könnte jetzt eine Tafel angebracht
werden: „Dr. Arthur Schnitzler, Sprechstunde von
7 bis 10 Uhr Abends.“ Auf die Gefahr hin, ebenso
redselig zu werden, wie der Dichter und seine Gestalten,
wollen wir den Versuch machen, die dreiactige Debatte
im Auszuge wiederzugeben. Amadeus Adams lebt in
Wien als Kapellmeister, Componist und Neurastheniker.
Er führt mit seiner Frau, der berühmten Opern¬
sängerin Cäcilie Adams=Ortenburg, einen sieber jährigen
Ehefrieden. Er hat einen fünfjährigen Buben als
lebendigen Zeugen seines Glückes. Erst in den letzten
Wochen umwölkte sich der Ehehimmel. Es ist nicht
mehr Alles so, wie es war. Der Gatte hat was mit
einer pikanten Gräfin und mit der Gattin möchte der
junge Fürst Sigismund was haben. Es kommt
zu einer Spannung zwischen den Ehelenten, aber
sie gehen nicht, sie setzen sich auseinander. Diese
Auseinandersetzungen füllen die ganze Komödie aus.
Mann und Frau, wollen: in Zukunft gute
Kameraden sein, keine Geheimnisse haben und
sich immer die Währkeit# sagen. Sie wollen
miteinander umgehen; aber Zeinen Umgang
pflegen. Jede Hälfte soll ihre Freiheit haben,
thun können, was ihr beliebt. Er wird auch ferner
ihr Correpetitor und sie seine Muse bleiben, mag
sich darüber die Welt das Maul zerreißen nach
Herzenslust. Sie schließen einen einseitigen Möbel¬
pact auf Trennung vom Bett bei Aufrechterhaltung
des Tisches. Kann eine solche Art Ehe bestehen? Diese
Frage stellt der Dichter zur Discussion. Seine
Haupt= und Nebenfiguren sprechen sich darüber
gründlich aus. Sie thun das in entzückend geistreicher
Weise, freilich nicht wie Menschen von Fleisch und
Blut, sondern wie solche von Papier und Tinte.
Ehe die endgiltige Antwort auf die Frage erfolgt,
wird Alles besprochen, was für und wider das
neue Eheverhältniß zu sagen ist. Nur von Handlung
ist keine Rede. Wir erfahren alsbald, daß Cäcilie seit
jenem Uebereinkommen auf dem Lande war und
dann in Berlin große Triumphe feierte, und daß der
junge Fürst Sigismund überall auftauchte, wo die
begehrenswerthe Sängerin gerade mauerweilte. Wir
erfahren weiter, daß sie ihrem Gatten jeden Tag
acht bis zwölf Seiten geschrieben, und daß ein
Journal plötzlich die Nachricht von der bevorstehenden
Vermälung Cäciliens mit dem Fürsten in die Welt
posannte. Endlich geht der Stern wieder im Hause
des Kapellmeisters auf. Die Sängerin kommt aus
Berlin zurück, um einige Zeit mit ihrem Manne
zu leben.
laut Abmachung kameradschaftlich
die Enthebungs¬
gibt gewissermaßen
Sie
karte von ihren ehelichen Pflichten ab. In einer
Unterredung mit dem Gatten dementirt sie die Ver¬
mälungsnachricht, gibt aber zu, daß ein Berliner
Sänger mit fascinirender Persönlichkeit ihr nicht
ganz gleichgiltig war. „Geschehen ist Nichts,“ sagte
sie, „aber. wäre ichdortgeblieben, wer weiß!“
In diesem Augenblicke erscheint sie dem Manne als
eine Andere, in diesem Augenbücke fühlt er nur eins,
daß sie schön ist, schön wie sie niemals gewesen,
und er will ihr Geliebter sein. Und als sie sich
wehrt, will er der Mann sein, der sie einem
Anderen nimmt, einer, der ihr Seligkeit und
Sünde zugleich bedeutet. Keinem von ihnen wird,
so lang er lebt, ein schöneres Abenteuer auf dem
Wege blühen. Und er fängt, wie es im Volksmunde
heißt, ein Verhältniß mit seiner Frau an. Auf die
Nacht des Vertragsbruches folgt der Morgen der
Eifersucht. Der Kapellmeister ist plötzlich eifersüchtig
auf den Fürsten und läßt ihn zum Duell
fordern. Während die Cartellträger unterwegs sind,
kommt der Fürst und hält bei dem Gatten um die
Hand seiner Frau an. Und nun stellt sich heraus,
daß die Sängerin rein geblieben. Wohl haben sie
Wünsche durchglüht und in mancher Nähe hat ihr
Leib gebebt und geschmachtet, aber sie ist eine Frau und
irgend Etwas macht Frauen auch dann noch zögern,
wenn sie längst entschlossen sind. Das Abenteuer
jener Nacht sei vergessen, denn in jener Nacht
hätte sich dasselbe Glück vielleicht auch ein
Anderer holen können, wenn er nur dagewesen
wäre. „Wir lassen uns nicht scheiden,“ lautet ihr
letztes Wort, „wir scheiden. Der Versuch, in Freiheit
mißglückt und
ist
nebeneinander zu leben,
Ko¬
die

sie gehen auseinander. Das
mödie. Vieles, was gegen sie einzuwenden ist,
als Opernlibrettist
nimmt der Raisonneur, der
durch das Stück geht, der Kritik vorwea. Nur Eines
Wenn man bedenkt, raß jeder Aet zur gust
aus Duoscenen der Eheleute besteht, so kann man
sich beiläufig denken, wie das Künstlerpaar im
Schweiße seines Angesichts glänzte. Den Fürsten
Sigismund spielte Herr Korff mit dem nöthigen
wienerischen Einschlag. Seine elegante Sicherheit
rettete die Figur vor dem Umkippen. Herr Treßler,
der uns alle Einwände und Herrn Hartmann die
Rolle des Raisonneurs wegnahm, zog sich mit Humor
aus der Affaire. Frau Kallina war als ver¬
führerische Gräfin sehr gut. Ihren Namen
hat die Komödie von einem Zwischenspiel, das der
Kapellmeister componirt. Und ein Zwischenspiel war
auch das Abenteuer der Nacht, in welcher Mann
und Frau die selbstgeschiedene Ebe brachen. Schade,
daß Schnitzler zu der Geschichte ein so ernstes Gesicht
machte. Mit seiner Kunst des Fabulirens hätte
er daraus das Lustspiel formen können, das wir
längst ersehnen. So aber kam eine ausgetüftelte,
kalte Sache zu Stande. Und traurig summten wir
vor uns hin:
Es waren zwei Menschenkind¬,
Die hatten einander so lieb;
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Der Dichter war viel zu tief!