16.1. Lebendige Stunden—Zyklus
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 81
„JBSEKVEK
I. österr. behördl. cone. Burenn für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyele“¬
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf. London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Sche Voft
vom
Sar
eer engasielt zn werden.
72 Aus Berliner Theatern. Das Deutsche Theater hat
ein Samstag einen Schnitzlerabend veranstaltet mit der Erstauffüh¬
Rung des neuesten Einaktereyklus Lebendige Stunden. Der
Titel paßt eigentlich nur auf den ersten Einakter und auch auf diesen
nicht recht; wie man aber in neuerer Zeit nach der aus Frankreich
überkommenen Mode Novellensammlungen den Titel der in der Reihen¬
folge ersten Novelle als Gesamttitel giebt, so hat auch Arthur
Schnitzler anscheinend ohne tieferen Grund den Titel des ersten
Einakters als Gesammttitel gewählt. Der Inhalt dieses ersten Ein¬e
akters besteht in der Hauptsache aus einem Zwiegespräch zwischen
Für
einem jungen lyrischen Dichter und einem älteren Freunde seiner ver¬
storbenen Mutter. Letzterer enthüllt im Lause des Gespräches dem as
Dichter die furchtbare Thatsache, daß dessen Mutter, die jahrelang
an einem unheilbaren Leiden daniedergelegen war, nicht eines natür= das
„
lichen Todes gestorben ist, sondern sich vergiftet hat, um den Sohn den
von der niederdrückenden Sorge zu befreien und ihm die Stimmung
Abonm für seinen Dichterberuf wiederzugeben. Ob diese Wirkung auch wirk¬
Abonm lich eintreten wird, das vermag man aus den dunklen Redensarten, 1 die
mit denen der Sohn die Enthüllung aufnimmt, nicht zu ent=gen¬
nehmen. Ebenso erkünstelt und überspannt wie der erste und ng")
lnhal durch eine schwüle Erotik auch nicht schmackhafter gemacht ist der jeben
hlüt zweite Einakter Die Frau mit dem Dolche. Eine leicht= ungen
wodur fertige, verheiratete Frau hat mit ihrem Geliebten eine heimliche
d#s 1 Zusammenkunft in einer Gemäldegalerie verabredet, unmittelbar vor
werde einem alten Bilde, welches ein mänadenhaftes Weib mit gegen sich
selbst gezücktem Dolche darstellt. Vor der erhitzten Phantasie der auf
den Geliebten wartenden Frau spielt sich, den Zuschauern sichtbar als
wirkliche, traumartige Handlung auf der Bühne, die Entstehungs¬
geschichte des Bildes ab: die Gattin des Malers wurde von ihrem
Gatten überrascht, als sie ihm mit einem andern die Treue brach,
die Ungetreue erdolcht den Liebhaber vor den Augen des Gatten und
zückt dann den Mordstrahl gegen die eigene Brust, wird aber im
nämlichen Augenblick von einer Art kataleptischer Erstarrung befallen,
in welcher Pose der betrogene Gatte sie schuell — porträtiert. Die
Vision entschwindet, der moderne Liebhaber erscheint auf dem Plane,
und sein Werben ist erfolgreich — die Ungetreue hat in ihrem Herze..
beschlossen, im Falle der Entdeckung ebenso zu handeln wie die Frau
auf dem Bilde! Das dritte Stück: Die letzten Masken, spielt
im Krankensaale eines Spitales. Ein Journalist liegt auf dem
Totenbette. Er erwartet einen ehemaligen Jugendfreund, geger den er
einen grimmigen Haß gefaßt hat. Mit einem neben ihm liegenden schwind¬
süchtigen Schauspieler hält er vorher eine Probe der haßerfüllten
Sceue ab, die er gerne vor seinem Tode mit dem einstigen Freunde
erleben möchte. Als aber der Gehaßte nun wirklich kommt, da
erscheint er in seiner Armseligkeit dem Sterbenden zu klein für seinen
Haß, nicht ein Wort des Vorwurfes und der Erbitterung kommt über
seine Lippen, er stirbt voller Mitleid mit dem im Leben Zurück¬
bleibenden. Verständlicher als die drei vorhergegangenen Stücke ist
der letzte Einakter Litteratur, eine witzige Verspottung von aller¬
hand Litteratentum und eine lebenswarme Schilderung des Lebens
der Boheme. Dem Publikum brachte dieses letzte Stück eine wohl¬
verdiente Entschädigung für die vohergegangenen Enttänschungen
und den Dichter bewahrte es vor dem sonst un sbleiblich gewesenen,
Durchfall der Lebendigen Stunden.
— Ebnnsen ha4
box 21/2
Kor Goldsch
Bureau für 4
+
O
Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
BERLIN N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
Teiersunm Aürse
G0LDSCHMIDT. Auguststr. B7.
aus
Kölnische Volkszeitung
7 - JAn. 1900
GAus Berliner Theatern. Das Deutsche Theater hat
auf Samstag einen Schnitzlerabend ver#
affrach¬
#ing des neuesten Einaktercyklus Lebendige Stunden. Der
Titel paßt eigentlich nur auf den ersten Einakter und auch auf diesen
micht recht; wie man aber in neuerer Zeit nach der aus Frankreich
überkommenen Mode Novellensammlungen den Titel der in der Reihen¬
folge ersten Novelle als Gesamttitel giebt, so hat auch Arthur
Schnitzler anscheinend ohne tieseren Grund den Titel des ersten
uttitel gewählt. Der Inhalt dieses ersten Ein¬
akters besteht in der Hauptsache aus einem Zwiegespräch zwischen
einem jungen lyrischen Dichter und einem älteren Freunde seiner ver¬
storbenen Mutter. Letzterer enthüllt im Laufe des Gespräches dem
Dichter die furchtbare Thatsache, daß dessen Mutter, die jahrelang
an einem unheilbaren Leiden daniedergelegen war, nicht eines natür¬
lichen Todes gestorben ist, sondern sich vergiftet hat, um den Sohn
von der niederdrückenden Sorge zu befreien und ihm die Stimmung
für seinen Dichterberuf wiederzugeben. Ob diese Wirkung auch wirk¬
lich eintreten wird, das vermag man aus den dunklen Redensarten,
mit denen der Sohn die Enthüllung aufnimmt, nicht zu ent¬
nehmen. Ebenso erkünstelt und überspannt wie der erste und
durch eine schwüle Erotik auch nicht schmackhafter gemacht ist der
zweite Einakter Die Frau mit dem Dolche. Eine leicht¬
fertige, verheiratete Frau hat mit ihrem Geliebten eine heimliche
Zusammenkunft in einer Gemäldegalerie verabredet, unmittelbar vor
einem alten Bilde, welches ein mänadenhaftes Weib mit gegen sich
selbst gezücktem Dolche darstellt. Vor der erhitzten Phantasie der auf
den Geliebten wartenden Frau spielt sich, den Zuschauern sichtbar als
wirtliche, traumartige Handlung auf der Bühne, die Entstehungs¬
geschichte des Bildes ab: die Gattin des Malers wurde von ihrem
Gatten überrascht, als sie ihm mit einem andern die Treue brach,
die Ungetreue erdolcht den Liebhaber vor den Angen des Gatten und
zückt dann den Mordstrahl gegen die eigene Brust, wird aber ime
nämlichen Augenblick von einer Art kataleptischer Erstarrung befallen,
in welcher Pose der betrogene Gatte sie schnell — porträtiert. Die
Vision entschwindet, der moderne Liebhaber erscheint auf dem Plaue,
und sein Werben ist erfolgreich — die Ungetreue hat in ihrem Herzen¬
beschlossen, im Falle der Entdeckung ebenso zu handeln wie die Frau##
auf dem Bilde! Das dritte Stück: Die letzten Masken, spielt
im Krankensaale eines Spitales. Ein Journalist liegt auf dem
Totenbette. Er erwartet einen ehemaligen Jugendfreund, gegen den er
einen grimmigen Haß gesaßt hat. Mit einem neben ihm liegenden schwind¬
süchtigen Schauspieler hält er vorher eine Probe der haßerfüllten
Sceue ab, die er gerne vor seinem Tode mit dem einstigen Freunde
erleben möchte. Als aber der Gehaßte nun wirklich kommt,
erscheint er in seiner Armseligkeit dem Sterbenden zu klein für
Haß, nicht ein Wort des Vorwurfes und der Erbitterung kom
Pine Lippen, er stiret voller Mitleid mit dem im Leben
bleibenden. Verständlicher als die drei vorhergegangenen St
der letzte Einakter Litteratur, eine witzige Verspottung von
hand Litteratenlum und eine lebenswarme Schilderung des Lel
der Boheme. Dem Publikum brachte dieses letzte Stück eine wohll
verdiente Entschädigung für die vohergegangenen Enttäuschungen
und den Dichter bewahrte es vor dem sonst unausbleiblich gewesenen
Durchfall der Lebendigen Stunden.
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 81
„JBSEKVEK
I. österr. behördl. cone. Burenn für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyele“¬
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf. London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Sche Voft
vom
Sar
eer engasielt zn werden.
72 Aus Berliner Theatern. Das Deutsche Theater hat
ein Samstag einen Schnitzlerabend veranstaltet mit der Erstauffüh¬
Rung des neuesten Einaktereyklus Lebendige Stunden. Der
Titel paßt eigentlich nur auf den ersten Einakter und auch auf diesen
nicht recht; wie man aber in neuerer Zeit nach der aus Frankreich
überkommenen Mode Novellensammlungen den Titel der in der Reihen¬
folge ersten Novelle als Gesamttitel giebt, so hat auch Arthur
Schnitzler anscheinend ohne tieferen Grund den Titel des ersten
Einakters als Gesammttitel gewählt. Der Inhalt dieses ersten Ein¬e
akters besteht in der Hauptsache aus einem Zwiegespräch zwischen
Für
einem jungen lyrischen Dichter und einem älteren Freunde seiner ver¬
storbenen Mutter. Letzterer enthüllt im Lause des Gespräches dem as
Dichter die furchtbare Thatsache, daß dessen Mutter, die jahrelang
an einem unheilbaren Leiden daniedergelegen war, nicht eines natür= das
„
lichen Todes gestorben ist, sondern sich vergiftet hat, um den Sohn den
von der niederdrückenden Sorge zu befreien und ihm die Stimmung
Abonm für seinen Dichterberuf wiederzugeben. Ob diese Wirkung auch wirk¬
Abonm lich eintreten wird, das vermag man aus den dunklen Redensarten, 1 die
mit denen der Sohn die Enthüllung aufnimmt, nicht zu ent=gen¬
nehmen. Ebenso erkünstelt und überspannt wie der erste und ng")
lnhal durch eine schwüle Erotik auch nicht schmackhafter gemacht ist der jeben
hlüt zweite Einakter Die Frau mit dem Dolche. Eine leicht= ungen
wodur fertige, verheiratete Frau hat mit ihrem Geliebten eine heimliche
d#s 1 Zusammenkunft in einer Gemäldegalerie verabredet, unmittelbar vor
werde einem alten Bilde, welches ein mänadenhaftes Weib mit gegen sich
selbst gezücktem Dolche darstellt. Vor der erhitzten Phantasie der auf
den Geliebten wartenden Frau spielt sich, den Zuschauern sichtbar als
wirkliche, traumartige Handlung auf der Bühne, die Entstehungs¬
geschichte des Bildes ab: die Gattin des Malers wurde von ihrem
Gatten überrascht, als sie ihm mit einem andern die Treue brach,
die Ungetreue erdolcht den Liebhaber vor den Augen des Gatten und
zückt dann den Mordstrahl gegen die eigene Brust, wird aber im
nämlichen Augenblick von einer Art kataleptischer Erstarrung befallen,
in welcher Pose der betrogene Gatte sie schuell — porträtiert. Die
Vision entschwindet, der moderne Liebhaber erscheint auf dem Plane,
und sein Werben ist erfolgreich — die Ungetreue hat in ihrem Herze..
beschlossen, im Falle der Entdeckung ebenso zu handeln wie die Frau
auf dem Bilde! Das dritte Stück: Die letzten Masken, spielt
im Krankensaale eines Spitales. Ein Journalist liegt auf dem
Totenbette. Er erwartet einen ehemaligen Jugendfreund, geger den er
einen grimmigen Haß gefaßt hat. Mit einem neben ihm liegenden schwind¬
süchtigen Schauspieler hält er vorher eine Probe der haßerfüllten
Sceue ab, die er gerne vor seinem Tode mit dem einstigen Freunde
erleben möchte. Als aber der Gehaßte nun wirklich kommt, da
erscheint er in seiner Armseligkeit dem Sterbenden zu klein für seinen
Haß, nicht ein Wort des Vorwurfes und der Erbitterung kommt über
seine Lippen, er stirbt voller Mitleid mit dem im Leben Zurück¬
bleibenden. Verständlicher als die drei vorhergegangenen Stücke ist
der letzte Einakter Litteratur, eine witzige Verspottung von aller¬
hand Litteratentum und eine lebenswarme Schilderung des Lebens
der Boheme. Dem Publikum brachte dieses letzte Stück eine wohl¬
verdiente Entschädigung für die vohergegangenen Enttänschungen
und den Dichter bewahrte es vor dem sonst un sbleiblich gewesenen,
Durchfall der Lebendigen Stunden.
— Ebnnsen ha4
box 21/2
Kor Goldsch
Bureau für 4
+
O
Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
BERLIN N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III. No. 3051.
Ausschnitt
Teiersunm Aürse
G0LDSCHMIDT. Auguststr. B7.
aus
Kölnische Volkszeitung
7 - JAn. 1900
GAus Berliner Theatern. Das Deutsche Theater hat
auf Samstag einen Schnitzlerabend ver#
affrach¬
#ing des neuesten Einaktercyklus Lebendige Stunden. Der
Titel paßt eigentlich nur auf den ersten Einakter und auch auf diesen
micht recht; wie man aber in neuerer Zeit nach der aus Frankreich
überkommenen Mode Novellensammlungen den Titel der in der Reihen¬
folge ersten Novelle als Gesamttitel giebt, so hat auch Arthur
Schnitzler anscheinend ohne tieseren Grund den Titel des ersten
uttitel gewählt. Der Inhalt dieses ersten Ein¬
akters besteht in der Hauptsache aus einem Zwiegespräch zwischen
einem jungen lyrischen Dichter und einem älteren Freunde seiner ver¬
storbenen Mutter. Letzterer enthüllt im Laufe des Gespräches dem
Dichter die furchtbare Thatsache, daß dessen Mutter, die jahrelang
an einem unheilbaren Leiden daniedergelegen war, nicht eines natür¬
lichen Todes gestorben ist, sondern sich vergiftet hat, um den Sohn
von der niederdrückenden Sorge zu befreien und ihm die Stimmung
für seinen Dichterberuf wiederzugeben. Ob diese Wirkung auch wirk¬
lich eintreten wird, das vermag man aus den dunklen Redensarten,
mit denen der Sohn die Enthüllung aufnimmt, nicht zu ent¬
nehmen. Ebenso erkünstelt und überspannt wie der erste und
durch eine schwüle Erotik auch nicht schmackhafter gemacht ist der
zweite Einakter Die Frau mit dem Dolche. Eine leicht¬
fertige, verheiratete Frau hat mit ihrem Geliebten eine heimliche
Zusammenkunft in einer Gemäldegalerie verabredet, unmittelbar vor
einem alten Bilde, welches ein mänadenhaftes Weib mit gegen sich
selbst gezücktem Dolche darstellt. Vor der erhitzten Phantasie der auf
den Geliebten wartenden Frau spielt sich, den Zuschauern sichtbar als
wirtliche, traumartige Handlung auf der Bühne, die Entstehungs¬
geschichte des Bildes ab: die Gattin des Malers wurde von ihrem
Gatten überrascht, als sie ihm mit einem andern die Treue brach,
die Ungetreue erdolcht den Liebhaber vor den Angen des Gatten und
zückt dann den Mordstrahl gegen die eigene Brust, wird aber ime
nämlichen Augenblick von einer Art kataleptischer Erstarrung befallen,
in welcher Pose der betrogene Gatte sie schnell — porträtiert. Die
Vision entschwindet, der moderne Liebhaber erscheint auf dem Plaue,
und sein Werben ist erfolgreich — die Ungetreue hat in ihrem Herzen¬
beschlossen, im Falle der Entdeckung ebenso zu handeln wie die Frau##
auf dem Bilde! Das dritte Stück: Die letzten Masken, spielt
im Krankensaale eines Spitales. Ein Journalist liegt auf dem
Totenbette. Er erwartet einen ehemaligen Jugendfreund, gegen den er
einen grimmigen Haß gesaßt hat. Mit einem neben ihm liegenden schwind¬
süchtigen Schauspieler hält er vorher eine Probe der haßerfüllten
Sceue ab, die er gerne vor seinem Tode mit dem einstigen Freunde
erleben möchte. Als aber der Gehaßte nun wirklich kommt,
erscheint er in seiner Armseligkeit dem Sterbenden zu klein für
Haß, nicht ein Wort des Vorwurfes und der Erbitterung kom
Pine Lippen, er stiret voller Mitleid mit dem im Leben
bleibenden. Verständlicher als die drei vorhergegangenen St
der letzte Einakter Litteratur, eine witzige Verspottung von
hand Litteratenlum und eine lebenswarme Schilderung des Lel
der Boheme. Dem Publikum brachte dieses letzte Stück eine wohll
verdiente Entschädigung für die vohergegangenen Enttäuschungen
und den Dichter bewahrte es vor dem sonst unausbleiblich gewesenen
Durchfall der Lebendigen Stunden.