II, Theaterstücke 16, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Lebendige Stunden. Vier Einakter, Seite 698

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AusSchhfr
Wien. I I. TIIIeSIiSSe 12.
Filiale in Budapest: „Figyelö“ -
Nr. 62
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Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stoch
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edee Wierer Jburgl
vom (9/ 2 142.
Ausschnitt aus:
vom:77 2—
Zu Schnitzlers „Literatur“. In den letzten Heften der
2
„Deutschen Dichtung“ veröffentlicht Karl Emil Franzos
Kritische Tagebuchzeilen,
eine Rückschau über die wichtigsten Ereignisse der Berliner
Von Oskar Blumenthal.?)
Theatersaison, und kommt dabei auch eingehend auf den Ein¬
„Es lebe das Leben!“
aktercyklas „Lebendige Stunden“ von Arthur Schnitzler zu
sprechen, dessen Schlußstück „Literatur“ bekanntlich den Stoff
Ich hörte das Werk mit tiefer Bewegung,
behandelt, daß eine Schriftstellerin und ein Schriftsteller die von
Ich folgte mit steigender Erregung —
ihnen gewechselten Liebesbriefe dann gleichzeitig wörtlich in ihren
Und mit mir nach Hause nahm ich fort
Für
Romanen abdrucken. Franzos bemerkt hierzu: „Daß eine und
Manch geistreiche Spitze, manch sinnvolles Wort.
dieselbe Liebesgeschichte von den Betheiligten selbst oder
Nur als die Gräfin am offenen Grab
ihren Angehörigen erzählt wird, wissen wir aus dem be¬
Noch gastlich ein Selbstmordfrühstück gab,
rühmten Beispiel Sand=Musset. Und auch die Benutzung
Da rief ich murrend: Es ist nicht wahr —
Dies Déjeuner digiteloire!“
von wirklich geschriebenen Briefen zu literarischen Zwecken hathe
sich, wenn man dem Klatsch oder sagen wir der Legende glauben!
Ab
50
will, mehr als einmal ereignet. Mindestens einmal aber ist dier
Für
Ab
Die Verkannten.
100
Geschichte, die Schnitzler vorführt, sogar ganz und gar inkus.
Wirklichkeit dagewesen. Ich erzähle sie hier, weil dies heute
Dies ist das Schlagwort jedes weidischen Wichts:
200 keinerlei Schaden für die Betheiligten bewirken kann; sie sind
„Du hast Erfolg, und also taugst Du nichts““

das
1000
500 nun Beide todt. Im Herbst 1885 reichte mir — ich lebte
Worauf die Stümver dann geschmeichelt lallen:

den
damals in Wien und war Herausgeber der „Neuen Illustrirten
„Wir sind Gemes, denn wir sind durchgefallen!“
Im Ztg. —
ein nicht eben bekannter, aber auch (damals!) nicht
Abonnem ganz unbekannter Schriftsteller, der sich der Literatur nur ins 1 dle
„Die Frau mit dem Dolch.“
Abonnen seinen Mußestunden widmete, eine Novelle ein, die iust keini gen¬
Der Dichter weiß Kluges und Tiefes zu sagen,
Kunstwerk, jedoch brauchbar war, und ich acceptirte sie um sol ang")
Nur seine Absicht verschleiert sich,
lieber, weil sie Wiener Lokalkolorit hatte, was damals einesstliche
Inhalts Seltenheit war, und weil ich demselben Autor bereits anderej# Mit¬
Und schließlich mochte ihn Mancher fragen:
hlätt Arbeiten wiederholt hatte zurücksenden müssen. Die Novelle be¬
„Was wolltest Du mit dem Dolche, sprich?“
wodure handelte eine Liebesgeschichte zwischen einem unfreien Paar —
M
Leben

theilunge
D'Annunzio's „Francesca da Rimini“.
der Held wie die Heldin waren verheirathet — und war zum
Sie griffen noch dem Buch mit freudiger Eile.
großen Theil in Briefform geschrieben; namentlich die Briefe des
Sie hofften Scenen, stark und inhaltsschwer.
Mannes athmeten wirkliches Leben. Als ich ihm mittheilte, daß
ich die Novelle bringen wolle, und namentlich auch dieses
Sie fanden Wortmusik und Langeweile
letzteren Umstandes gedachte, lächelte er geheimnißvoll und meinte,
„In jener Stunde lasen sie nicht mehr".
das habe seine guten Gründe. Was dies bedeutete, sollte mir
etwa einen Monat später klar werden. Da erschien bei mir,
Den Romanbearbeitern.
durch die Empfehlung eines mir befreundeten Gelehrten ein¬
Ein Stück mit Tinte und Feder verfassen? ...
geführt, eine nicht; hr junge, aber höchst elegante Dame und
Das dürft Ihr den Thoren überlassen,
überreichte mir ihr Lestlingswerk, eine Novelle in Briefen.
Dieweil Ihr mit glänzender Meisterschaft
Ich las und war zunächst sehr erstaunt, dann sehr belustigt,
Ein Stück mit Scheere und Kleister schafft.
denn die Briefe waren dieselben wie in der von mir
acceptirten Geschichte, und zwar die Briefe des Mannes
fast bis aufs Wort dieselben, wogegen die der Frau
Genie und Wahnsinn.
viel breiter, schwulstiger und stilistisch ungelenker waren; hier
Seit durch Lombroso Jedem es bekannt ist,
also hatte der Dichter das Material retouchirt. Aber was nun
Wie eng dem Wahnsinn das Genie verwandt ist,
thun? Die Arbeit der Dame war keinesfalls für ein sorgfüiltig
Wird schon beargwöhnt jede dreiste Buntheit,
redigirtes Blatt brauchbar: ich hätte sie ablehnen müssen, auch
Und nur die Plattheit gilt noch als Gesundheit.
wenn der Dichter nicht früher gekommen wäre als die Dichterin.
Aber durfte ich mich mit der Ablehnung begnügen?! Dann ließ
die Dame die Geschichte anderswo drucken, und — der Skandal,
Wasein Cabaretist.
der mit zwei Scheidungen enden mußte, war fertig! Dies zu
Ein Cabaret heißt eine bunte Schüssel,
verhüten, schien mir Menschenpflicht; ich ließ die Dame kommen
Auf der uns Viel geboten wird.
und sagte ihr die Wahrheit. Die Scene wird mir unvergeßlich
Doch hat das Wort noch einen zweiten Schlüssel —
bleiben; solche Ausbrüche der Entrüstung habe ich selten mit an¬
Und daß Ihr die Begriffe nicht verwirrt:
gehört; daß sie genau ebenso gehandelt hatte, wie der einstige
Ein Cabaret heißt jetzt auch eine Bühne,
Geliebte, übersah die Frau. Und schließlich erklärte sie, indem
Auf der uns Nichts geboten wird.
sie das Manuskript zurückverlangte, sie lasse ihre Arbeit jeden¬
falls drucken; wenigstens dies wolle sie von der ganzen traurigen
Geschichte haben; daß der Schriftsteller gleichzeitig oder voryer
Die Macht des Namens.
das Gleiche thue, darauf lasse sie es getrost ankommen. „Aber
Schmückt sich ein reicher Mann mit falschen Steinen,
sagen sie ihm“, rief sie mir zu, „daß er dann geradezu ein Lump
Sie werden dennoch Jedem echt erscheinen.
wäre!“ Damit ging sie. Wer A gesagt hat, muß nun im
Und bringt uns ein Berühmter seichte Gaben,
Alphabet weiter, und zudem wollte ich dem sympathischen Mann
Sie werden dennoch viel Bewund'rer haben.
Herzeleid ersparen, ich besprach die Sache auch mit ihm. Er
benahm sich ganz verständig, und bat mich, der Dame mitzutheilen,
Recept.
daß er bereit sei, seine Novelle ungedruckt zu lassen, wenn sie
das Gleiche zusichere. Auch dieser Mission unterzog ich mich
Nimm hundert derbste Worte von der Gasse,
aber ohne Erfolg; die Dame erwiderte, sie verzichte ihrerseits auf
Ein Häuflein Koth vom nächsten Straßenrand.
die Veröffentlichung unter keinen Umständen, es komme, was da
Zerreib's auf Druckpapier mit fester Hand
wolle. Ich rieth dem Schriftsteller, nun seine Arbeit jedenfalls
Und gieß ein Tröpfchen Tiefsinn in die Masse: —
ins Feuer zu werfen und im Uebrigen darauf zu bauen, daß
Als Würze dann ein Kraftwort neu'ster Richtung;
die Novelle seiner früheren Geliebten zu schlecht sei, um von
Das Alles klug geknetet und gemischt ...
irgend einem verständigen Redakteur gedruckt zu werden; an¬
Und fertig hast Du eine Bühnendichtung,
Die heute Jung und Alt erfrischt.
genommen aber, daß dies geschehe, so sei ja das Unglück nicht
so groß; dann gebe es eben nur eine gedruckte schlechte Novelle
mehr: ein Skandal jei jedenfalls vermieden. Nun, so kam es
Demortuis.
auch. Die Novelle ist erschienen, aber — in Buchform und auf
„Dies stolze Haus gehört allein den Todten,
Kosten der Verfasserin! Ich besitze noch heute das Büchlein
Lebendigen ist der Eintritt streng verboten ...!
und schätze es als einen der merkwürdigsten Beiträge zur Psy¬
So las ich einst — auf dem Begräbnißorte?
chologie des Frauenherzens, die mich das Leben hat kennen
lernen lassen.“
Nein — auf der Anerkennung Tempelpforte.