II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 7

das literarische Wien verstimmt hat, dafür zeugt nach¬
ihn und seine Werke. seien sie nun gut oder mi߬
stehende Erklärung, die uns mit der Bitte um Ver¬
lungen, in einer Weise gehandhabt werde, die jede
öffentlichung gestern zugekommen ist. Diese von einer
Willkür, Schädigung und nachtheilige Unklarheit aus¬
Anzahl hervorragender Wiener Theaterkritiker gefertigte
schließt.
„Erklärung“ hat folgenden Wortlaut:
In dem Falle, der uns beschäftigt, hat der Direktor
„Die bereits vor mehreren Tagen verbreitet ge¬
des Burgtheaters unserer Meinung nach durch sein!
wesene Nachricht, das Schauspiel „Der Schleier
Verfahren dem Autor in einer unstatthaften Weise
der Beatrice“ von Arthur Schnitzler sei vom
begegnet, und gegen dieses Verfahren sehen wir uns um so
Burgtheater abgelehnt worden, hat mit
dringender genöthigt, Protést einzulegen, als nach
Rücksicht darauf, daß dieses Werk bereits durch längere
den heute am Burgtheater geltenden
Zeit für angenommen galt, zu verschiedenen be¬
amtlichen Bestimmungen die dramati¬
fremdlichen Vermuthungen Anlaß gegeben. In Folgesschen Schriftsteller jeder wie immer ge¬
weiterer, einander widersprechender Mittheilungen fanden jarteten direktorialen Entscheidung wehr¬
wir uns bestimmt, uns mit diesem Falle näher zu be=slos gegenüberstehen.
schäftigen. Wir sehen uns nun genöthigt, zur prinzi¬
Das Unstatthafte dieses Verfahrens besteht zunächst
piellen Wahrnehmung der Autorenrechte
darin, daß Herr Direktor Schlenther durch seine Zu¬
in der vorliegenden Angelegenheit das Wort zu er¬
schrift vom 13. Februar Herrn Arthur Schnitzler in den
greifen und den Sachverhalt darzulegen.
festen Glauben versetzte, der Allsihme stires Stückes
Zu Anfang des Dezember 1899 hat Herr Arthur
stünden keine sachlichen Gründe mehr im Wege.
Schnitzler sein eben vollendetes Werk noch in Manuskript¬
Das Unstatthafte dieses Verfahrens
form dem Burgtheater eingereicht. Der Direktor des
besteht weiter darin, daß der Direktor des Burgtheaters.
Burgtheaters, Herr Dr. Paul Schlenther, hat nach
trotz seines hier angeführten Schreibens vom 13. Februar
der ersten Lektüre des Stückes keine Bedenken gegen
den Autor vier Monate lang ohne jede Ant¬
dessen Aufführbarkeit erhoben, vielmehr eine vorläufige
wort gelassen und es vermieden hat, eine wieder¬
Rollenbesetzung eigenhändig in das Manuskript einge¬
holt angesuchte, die schwebende Angelegenyeit betreffende
tragen und einige ihm nöthig erscheinende Striche ange¬
Unterredung herbeizuführen.
bracht.
Das Unstatthafte dieses Verfahrens. besteht ferner
Bei einer bald darauf erfolgten Begegnung dankte
darin, daß Herr Direktor Dr. Schlenther den Autor
Herr Direktor Schlenther dem Verfasser mündlich für
erst am 16. Juni mit seinen so völlig veränderten!
die Uebersendung des Stückes, besprach einige Be=Absichten überraschte, und endlich spricht sich das
setzungsfragen, doch nahm er auch in dieser rein
Unstatthafte dieses Verfahrens darin aus, daß Herr
privaten Unterredung keinen Anlaß, ein Bedenken gegen
Direktor Dr. Schlenther auf die Anfrage des Antors

die Aufführbarkeit des Stückes am Burgtheater zu äußern.
vom 1. September nicht nur den von ihm selbst als
Hierauf erfolgte die Uebergabe der gedruckten
möglich bezeichneten Termin, Frühjah: 1901, fallen ließ,
Exemplare und beiläufig sechs Wochen später empfing
sondern auch für die ganze, ihm vom Autor freigestellte
Herr Arthur Schnitzler unter dem Datum des
Saison einen Termin verweigerte und schließlich das
13. Februar 1900 nachstehenden Bescheid von der Hand
Stück mit dieser einzigen Begründung abwies.
des Herrn Dr. Schlenther:
Mit Rücksicht darauf, daß der Direktor des Burg¬
„Lieber Dr. Schnitzler! Anbei das Resultat meiner
theaters in seinem Brief vom 13. Februar d. J. das
ersten, flüchtigen Durcharbeitung. Nicht alle meine
Erstaufführungsrecht für den „Schleier der Veatrice“
Striche sind mir selbst schon zweifelsohne. Am strittigsten
verlangte und spontan erklärte, nur das Burg¬
wohl die Weglassung des Andrea. Freundschaftlich
theater könne dieses Stück spielen; mit Rücksicht
warnen möchte ich Sie vor dem Deutschen Theater, das
darauf, daß sich aus diesen und den übrigen in der er¬
bei seinem jetzigen Personale, ohne Kainz und Sorma,
wähnten Zuschrift enthaltenen Mittheilungen'ergibt, der
der Riesenaufgabe nicht gewachsen ist. Uebrigens würde
Direktor des Burgtheaters habe sich bereits am 13. Fe¬
ich die Erstaufführung am Burgtheater zur Vorbedin¬
gung der Annahme machen. Ich glaube, nur das
bruar über das ihm vorliegende Werk vollständig
Burgtheater kann dieses Stück spielen. In Berlin allen¬
orientirt und beschlußfähig gezeigt, mit fernerer Rück¬
falls die Hofbühne. Filippo Christians, Herzog Mat¬
sicht darauf, daß keine Veranlassung besteht, die Worte
kowski, Beatrice Poppe. Unsere relativ beste Beatrice
eines auf so verantwortungsvollem Posten befindlichen
wäre doch wohl Fräulein Witt. Mit herzlichem
Theaterleiters in einem so wesentlichen Fall als nicht
Gruß 2c. 2c.“
seriös anzusehen, ist ein sachlicher Zusammenhang
In
Erwiderung darauf ertheilte Herr Arthur
zwischen seinen Verlautbarungen vom 13. Februar und
Schnitzler wenige Tage später dem Burgtheater, nebst
17. Juni nicht auffindbar. Dieser sachliche Zusammen¬
seinem prinzipiellen Einverständniß zu Strichen und
hang wäre auch mit der etwaigen Erklärung nicht
Aenderungen, das gewünschte Recht der Erstaufführung
gegeben, es hätten sich Bedenken gegen das Stück erst
und erbat, wie sich das in solchen Fällen von selbst ver¬
nach dem 13. Februar geregt, weil es in der hier
steht, einen Aufführungstermin, vor Allem aber, behufs
zitirten, Anfangs Juni eingelangten Karte ausgesprochen
Erledigung der zur Darstellung des Werkes nöthigen
erscheint, daß sich Herr Direktor Dr. Schlenther erst um
Besetzungs= und Aenderungsfragen, eine baldige Unter¬
diesen Zeitpunkt wieder mit dem „Schleier der Beatrice“
redung mit dem Direktor.
beschäftigt habe.
Vier Monate lang ist Herr Arthur Schnitzler auf
Darauf deutet auch der Umstand hin, daß Herr
dieses in der Zwischenzeit erneuerte Ansuchen ohne
Direktor Dr. Schlenther in der ganzen Zeit vom
Antwort geblieben, mit Ausnahme einer einzigen, erst
13. Februar bis zum 17. Juni nicht das Bedürfniß
Anfangs Juni eingelangten Karte, in welcher der
fühlte, sich über das eingereichte Stück nochmals zu
Direktor mittheilt, er werde sich „dieser Tage zum
äußern, zu welcher Aeußerung er, falls ihm Bedenken
drittenmal an das Studium des Stückes machen", und
in dieser Zwischenzeit ausgestiegen wären, aus nahe¬
den Autor ersucht, „seine hart auf die Probe gestellte
liegender Rücksicht gegen den Autor verpflichtet gewesen
Geduld noch einige Tage laufen zu lassen“.
wäre.
Erst am 18. Juni erhielt Herr Arthur Schnitzler
Wir erheben Einsprache dagegen, daß es dem
ein Schreiben des Direktors, worin dieser nunmehr Be¬
Direktor des Burgtheaters gestattet sein soll, sich in so
denken gegen die Erfolgsmöglichkeit des Stückes erhebt
auffallender Weise zu widersprechen, und im September
und nach ausführlicher Darlegung derselben dem Ver¬
ein Stück abzulehnen, dessen Erstaufführung er im
fasser proponirt: „Warten bis zum Frühjahr! Sehen,
Februar gewünscht hat. Denn es ist klar, daß es einem
wie dann die Konstellation am Burgtheater ist.“
Schriftsteller, der nur die nöthige Geduld aufbringt, ge¬
Das vier Monate innegehabte Recht der ersten
lingen kann, im Wechsel der „Konstellationen“ binnen
Aufführung wurde in diesem Schreiben zurückgelegt mit
wenigen Jahren ebenso oft angenommen als abgelehnt
dem Beisatze: „Ich müßte es mir selbstverständlich ge¬
zu werden.
fallen lassen, daß eventuell Berlin oder München vor¬
Wir erachten es im Interesse der Autorität des
angehen.“
Direktors des Burgtheaters für geboten, daß sein in
Diese für das Schicksal des Stückes so wichtigen
Ausübung des Amtes hinausgegebenes
Eröffnungen entzogen sich, eben durch den Umstand, daß
Wort einer gewissen Verläßlichkeit nicht
sie erst inapp vor Eintritt der Ferien an den Verfasser
entbehre, und wir sahen uns genöthigt, in dem
gelangten, einer sachgemäßen Entgegnung, weshalb Herr
vorliegenden Fall das Wort zu ergreifen, weil das
Arthur Schnitzler erst zu Beginn des neuen, gegen¬
Verfahren, das hier gegen einen bekannten Schriftsteller
wpärtigen Spieljahres an die Direktion des Burgtheaters
geübt wurde, uns mit aufrichtiger Besorgniß für die
inen Brief richtete, in welchem er im Zusammenhalte
Behandlung erfüllt, die heranwachsenden, noch nicht
der beiden ihm vermittelten Bescheide vom 13. Februar
beglaubigten Talenten am Burgtheater zu Theil
und vom 17. Juni die Anfrage stellte, ob sein Stück
werden mag.
innerhalb der jetzt laufenden Saison, also über den
Hermann Bahr. Julius Bauer.
proponirten Zeitpunkt der zu erwartenden „Konstellation“[David. Solten. Ludwig Speidel.
Dr. Robert Hirschfeld. Felir
hinaus, angenommen sei oder nicht.