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14. Der SchleienderBeatrice
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
1103
„JBSERVEN Nr. 61
I. ö terr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien. IX Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelé“ —
Vertretungen in Berlin. Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
119.
Wa PW
Ausschnitt aus:
N## 4.194900
„Der Schleier der Beatriee.“
Director Schlenther veröffentlicht in der Angelegenheit
des Schnitzler'schen Stückes „Der Schleier der Beatrice“ nach¬
stehende Gezenerklärung:
„Sechs namhafte Schriftsteller haben sich verbündet, um einem
Unrecht zu wehren, das ihrem Berufsgenossen Arthur Schnitzler
durch mich in meiner Eigenschaft als Director des Burgtheaters
zugefügt sei. Es wird mir vorgeworfen, ich hätte das Drama
„Der Schleier der Beatrice“ im Februar fürs Burgtheater ange¬
nommen, im September hingegen abgelehnt: darin liege ein Wider¬
Für
spruch, welcher Gefahren für den Schriftstellerstand berge. Diesem zive
1 Vorwurf gegenüber kann ich erklären, daß „Der Schleier der to
2 Beatrice“ von mir nie „angenommen“ worden ist und daß par
er erst „abgelehnt“ werden mußte, als mich Arthur Schnitzler raus.
10 vor eine unerfüllbare Bedingung stellte.
Ich äußere mich zunächst zur vermeintlichen „Annahme“. #t das
Abonne Arthur Schnitzler hat den sechs protestirenden Collcun#uing es den
Abonnegrien zur Veroffentlichung überlassen, den ich ihm am 13. Februar
schrieb. Der vertrauliche, freundschaftliche Charakter dieser Zeilen nd die
stritt ebenso deutlich in der Form hervor wie ihr zurückhaltender, egen¬
Tahalt völlig unverbindlicher Charakter im Inhalte. Hätte ich geahnt, jrung")
brüt daß dieses Brieschen je das Licht der Oeffentlichkeit erblicken würde, (Leben
wollur so wäre ich dem weisen Rathe jenes jungen Mannes aus
des
lungen
Schnitzler's „Liebelei“ gefolgt, der den Freund nach der Entdeckung
Werd
seiner Liebesbriefe warnt: „Ich sag' es immer, man soll nicht
Briefe schreiben.“ Die Methode des vertraulichen Privatverkehres
zwischen Autor und Theater=Director, die so oft beiden Theilen
Nutzen schuf und schaffen wird, ist hier leider einmal gescheitert.
Andererseits ist gerade aus meinen nun veröffentlichten Zeilen vom
13. Februar klar ersichtlich, wie weit ich damals noch von dem
Entschluß zur Annahme des Stückes entfernt war; ich spreche
von einer „ersten flüchtigen Durcharbeitung“; ich äußere Bedenken
gegen meine eigenen Kürzungsversuche; die Besetzungsfrage erregt
bei mir ebenso starke Zweifel wie beim Auter; ich spreche von
der „Riesenaufgabe“ der mir selbst das gegenwärtig, hauptsächlich
auf modern=realistische Stücke gerichtete Kunstpersonal eines aller¬
ersten Privattheaters nicht gewachsen schien, und verstehe darunter
die ungewöhnlich mühsame, kostspielige und zeitraubende Vor¬
bereitung zur Aufführung gerade dieses Stückes. Alle Bedenken
steigerten sia, als ich nach einer zweckmäßigen Pause im
April nochmals an das Studium des Werkes ging. Und sie
steigerten sich bei einer dritten Durchsicht im Juni
erst recht. Darauf schrieb ich am 17. Juni an Arthur
Schnitzler, der bis dahin nicht den geringsten Grund hatte, die
Annahme des Stückes für gesichert zu halten. So gern ich dem
Beispiel der sechs protestirenden Herren Collegen folgen und die
Qualitäten des neuen Schnitzler'schen Werkes außer Discussion
stellen möchte, so bin ich zur Begründung meines Zögerns doch
genöthigt, hierauf einzugehen. Dem Urtheil einer Bühnen=Direction
bieten sich wie dem Urtheil der Kritik drei Kategorien von
Stücken dar: Bei den einen steht die Unannehmbarkeit von vorn¬
herein fest; es sind weitaus die meisten. Bei den anderen sieht die An¬
nehmbarkeit von vornherein fest; es sind die wenigsten. Bei der dritten
Kategorie kann man zweiseln, und das Urtheil kann und wird nicht nur
bei der Gesammtheit der Leser, sondern auch beim Einzelnen
schwanken. Man hat Beispiele, daß die Autoren selbst, im Laufe
der Wochen und Monate, über ihre eigenen Stücke zu einer anderen
Meinung gelangten und die Stücke zurückzogen oder umarbeiteten.
Man hat Beispiele, daß auch Kritiker nach der ersten Bühnen¬
anfführung ein Stück verdammten. dess
14. Der SchleienderBeatrice
Telefon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
1103
„JBSERVEN Nr. 61
I. ö terr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien. IX Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelé“ —
Vertretungen in Berlin. Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
119.
Wa PW
Ausschnitt aus:
N## 4.194900
„Der Schleier der Beatriee.“
Director Schlenther veröffentlicht in der Angelegenheit
des Schnitzler'schen Stückes „Der Schleier der Beatrice“ nach¬
stehende Gezenerklärung:
„Sechs namhafte Schriftsteller haben sich verbündet, um einem
Unrecht zu wehren, das ihrem Berufsgenossen Arthur Schnitzler
durch mich in meiner Eigenschaft als Director des Burgtheaters
zugefügt sei. Es wird mir vorgeworfen, ich hätte das Drama
„Der Schleier der Beatrice“ im Februar fürs Burgtheater ange¬
nommen, im September hingegen abgelehnt: darin liege ein Wider¬
Für
spruch, welcher Gefahren für den Schriftstellerstand berge. Diesem zive
1 Vorwurf gegenüber kann ich erklären, daß „Der Schleier der to
2 Beatrice“ von mir nie „angenommen“ worden ist und daß par
er erst „abgelehnt“ werden mußte, als mich Arthur Schnitzler raus.
10 vor eine unerfüllbare Bedingung stellte.
Ich äußere mich zunächst zur vermeintlichen „Annahme“. #t das
Abonne Arthur Schnitzler hat den sechs protestirenden Collcun#uing es den
Abonnegrien zur Veroffentlichung überlassen, den ich ihm am 13. Februar
schrieb. Der vertrauliche, freundschaftliche Charakter dieser Zeilen nd die
stritt ebenso deutlich in der Form hervor wie ihr zurückhaltender, egen¬
Tahalt völlig unverbindlicher Charakter im Inhalte. Hätte ich geahnt, jrung")
brüt daß dieses Brieschen je das Licht der Oeffentlichkeit erblicken würde, (Leben
wollur so wäre ich dem weisen Rathe jenes jungen Mannes aus
des
lungen
Schnitzler's „Liebelei“ gefolgt, der den Freund nach der Entdeckung
Werd
seiner Liebesbriefe warnt: „Ich sag' es immer, man soll nicht
Briefe schreiben.“ Die Methode des vertraulichen Privatverkehres
zwischen Autor und Theater=Director, die so oft beiden Theilen
Nutzen schuf und schaffen wird, ist hier leider einmal gescheitert.
Andererseits ist gerade aus meinen nun veröffentlichten Zeilen vom
13. Februar klar ersichtlich, wie weit ich damals noch von dem
Entschluß zur Annahme des Stückes entfernt war; ich spreche
von einer „ersten flüchtigen Durcharbeitung“; ich äußere Bedenken
gegen meine eigenen Kürzungsversuche; die Besetzungsfrage erregt
bei mir ebenso starke Zweifel wie beim Auter; ich spreche von
der „Riesenaufgabe“ der mir selbst das gegenwärtig, hauptsächlich
auf modern=realistische Stücke gerichtete Kunstpersonal eines aller¬
ersten Privattheaters nicht gewachsen schien, und verstehe darunter
die ungewöhnlich mühsame, kostspielige und zeitraubende Vor¬
bereitung zur Aufführung gerade dieses Stückes. Alle Bedenken
steigerten sia, als ich nach einer zweckmäßigen Pause im
April nochmals an das Studium des Werkes ging. Und sie
steigerten sich bei einer dritten Durchsicht im Juni
erst recht. Darauf schrieb ich am 17. Juni an Arthur
Schnitzler, der bis dahin nicht den geringsten Grund hatte, die
Annahme des Stückes für gesichert zu halten. So gern ich dem
Beispiel der sechs protestirenden Herren Collegen folgen und die
Qualitäten des neuen Schnitzler'schen Werkes außer Discussion
stellen möchte, so bin ich zur Begründung meines Zögerns doch
genöthigt, hierauf einzugehen. Dem Urtheil einer Bühnen=Direction
bieten sich wie dem Urtheil der Kritik drei Kategorien von
Stücken dar: Bei den einen steht die Unannehmbarkeit von vorn¬
herein fest; es sind weitaus die meisten. Bei den anderen sieht die An¬
nehmbarkeit von vornherein fest; es sind die wenigsten. Bei der dritten
Kategorie kann man zweiseln, und das Urtheil kann und wird nicht nur
bei der Gesammtheit der Leser, sondern auch beim Einzelnen
schwanken. Man hat Beispiele, daß die Autoren selbst, im Laufe
der Wochen und Monate, über ihre eigenen Stücke zu einer anderen
Meinung gelangten und die Stücke zurückzogen oder umarbeiteten.
Man hat Beispiele, daß auch Kritiker nach der ersten Bühnen¬
anfführung ein Stück verdammten. dess