II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 64

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14. Der Schleier der Beatrice
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* Vor acht Tagen machte ein ing die Oesseutlichkeit
getragener Streit zwischen Arthur Schnitzler, dem
Dichter der „Liebelei“ und des „Grünen Kakadu“,
und Panl Schlenther, dem Director des Burg¬
theaters, großes Aufsehen. Sie haben schon von der
Affaire kurz Notiz genommen, und ich darf sie in
ihren=wesentlichen Zügen als bekannt voraussetzen.
Schnitzler hatte sein neues Stück: „Der Schleier
der Berenice“ im vorigen Winter bei der Direction

des Burgtheaters eingereicht, Schleuther hatte an= har nicht Schnitzler, mit dem das Burg=Theater schonf
so viele Erfolge hatte, der sich mit den drei Einactern#
fänglich halb und halb zugegriffen. Allmählich waren
ihm jedoch Bedenken gekommen, und das Ende war,
„Paracelsus“, „Die Gefährtin" und „Der grüne
Kakadu“ in die vorderste Reihe der modernen
daß er am 2. September d. J. das Werk unzwei¬
deutig ablehnte. Darob ward der Dichter empört. deutschen Dramatiker gestellt hat, ein gutes Recht zk
Er hatte das anfängliche Entgegenkommen Schleuthersfordern, daß nicht ein einzelner Mann, sondern das!
Für
Ffür mehr gehalten, als es war, und ein Publikum über sein neues Werk urtheile? Hat denn
1 Reihe von Burgtheaterkritikern ergriff für Schnitzler der Director sonst in allen Fällen die untrügliche
2 Partei, indem sie in einer öffentlichen Erklärung Sicherheit, daß ein von ihm angenommenes Stück
Schleuther Hinterhältigkeit, Wankelmuth, Zweidentig= vom Publikum günstig beurtheilt werden wird?

keit zum Vorwurf machten, und überhaupt die salalen Riskirt er nicht zumeist alles? Wenn man nun oben¬
Verhältnisse im Burgtheater anklagten: es habe alle drein, wie Schreiber dieses Briefes, das Schnißzer'sche
Abonn Rechte, aber keine Pflichten; die Dichter seien seiner
Werk ebenso wie Director Schleuther gelesen hat —
Abonn
auch ich will die gebotene Discretion nicht über¬
Willkür vollständig ausgeliefert, da das Burgtheater
schreiten und nichts mehr als absolut nöthig davon
bei Annahme neuer Stücke sich niemals zu einem
ausplaubern — dann stellt man sich vollends auf
bestimmten Termine der Aufführung verpflichten
Inhalt
blät wolle. Schleuther blieb darauf die Antwort nicht Seiten des Dichters, denn Schlenthers drama¬
wodure schuldig und veröffentlichte eine Erklärung, in der er turgische Bedenken sind für den Kenner der
des Inssein Zögern mit einem unzweideutig klaren Bescheid Dichtung durchaus nicht stichhaltig. Das Stück hat
werdemmit seinem (nie bezweifelten) Wohlwollen für wohl seine Schwächen, aber am allerwenigsten, an
jenen Stellen, die Schlenther hervorhob, wenn er
Schnitzler rechtiertigte, seine Ablehnung des „Schlriers
sagt: „Im „Schleier“ zersplittert und zerstreut sich
der Berenice" aber mit rein dramaturgischen Bedenken
das Interesse an dem Dualismus der beiden Contrasts
gegen die Wirksamkeit des Stückes auf dem Hofburg¬
figuren, Dichter und Fürst, weil diese beide zu wenig
Stheater begründete. So ist der Sachverhalt.
Die Wirkung dieser zwei Erklärungen auf unser plebendig werden. Sie sind Begriffe, aus dem#
Publikum war nun ganz merkwürdig: genau ent-#theoretischen Contrast geboren. Damit aber ist dems
Drama das Rückgrat gebrochen, und das, wovon ein
gegengesetzt den Erwartungen, welche die Unterzeichner
der ersten Erklärung gehegt haben mögen. Allgemein
Bühnenerfolg leben konnte, liegt im Reiz des
Details". .. Das ist absolut nicht richtig, die ek¬
wurde ihr Vorgehen verurtheilt und die Freiheit des
wähnten Gestalten sind voll dichterischen Lebens, der
Theaterdirectors in der Wahl der aufzuführenden
Stücke in Schutz genommen. Das Ueberraschendste Einwand überhaupt so subjectiv als nur möglich!
trat zu Tage: Schlenther, der von allen litera= Die Gefahr des Stückes liegt einzig und allein in
rischen Gegner so vielsach angegriffen wird, dem seit der kühn gezeichneten weiblichen Hauptfigur selbst, in
der Berenice, sie allein ist sein „Rückgrat". Ihret¬
seiner Berufung das Leben hier so sauer als möglich
wegen ist das Stück aber geschrieben worden. Das!
gemacht wird, besitzt jetzt schon zweifellos die Gunst
fällt schon bei der ersten Lectüre auf! Und als
des Publikums. Die Zähigktit, mit der er sich allen
Ganzes bezeugt diese Tragödie einen so großen
Intrignen zum Trotz festhält und beispielsweise auch
weiteren Fortschritt Schnitzlers über sein bisheriges
einflußreichen, aber allernden Schauspielerinnen, die
seine Rathschläge verschmähen und gegen ihn intri= Schaffen hinaus, daß man in der That nicht umhin
fguiren. Widerstand leistet, hat ihm, scheint es, diese kann, Schleuthers Ablehnung zu bedauern.
So sehr ich Schleuther die jetzt erwachten Sympa¬
Sympathieen erworben. Das Publikum ist ander¬
thien des Wiener Publikums für ihn gönne, da mir
seits der wetterwendischen Rezensentenlaunen salt,
von denen manches Stücklein noch in Aller Er¬
das Kessektreiben der Kritik gegen ihn stets als eine
Gefahr mehr für das Burgtheater, als für seine Person
innerung iebt und stellt sich auf Seiten des Directors,
der aus eben denselben Gründen von seiner höheren
erschien, so wenig kann ich ihm diesmal Recht geben.
Behörde gehalten und unterstützt wird...
Ich bin fest überzeugt, daß sein Urtheil von der nahe
Und dennoch, wenn man mit ruhiger Sachlichkeit
bevorstehenden Aufführung der „Verenice“ in Breslau
den Streit zwischen Dichter Jund Direktor betrachtet, und anderwärts desavouirt werden wird. Sollte es
muß man sich auf Schnitzler's Seite stellen. Denn den erwarleten Erfolg nicht haben, so wird es gewiß nicht
aus den von Schleuther angeführten Gründen dls
Tschehen.