14. Der Schleier der.
eatrice box 20/1
Noch wirken in unverminderter Frische die - Erpresser-,
die sich zu Beginn der Neunzigerjahre in die erste
Reihe der Wiener Kritiker drängten. Und die namen¬
losen Angriffe des Herrn Bahr werden keinen von
ihnen hindern, ihn im nächsten Jahr zum Präsidenten
der -Concordias zu wählen. Schlussfolgerung: Der
unpersönliche Anticorruptionismus dient der Wiener
Journalistik als Deckmantel für eigene, bereits vor¬
handene oder erst noch zu übende Corruption. Der
sachliche Kampf gegen die Corruption ist aber in
Wahrheit der persönliche, den ich in der „Fackel“
führe.
Der Reinigungskampf, den die antisemitische
Tagespresse auf dem Gebiete der Wiener Theaterwirt¬
schaft führt, ist ein -principieller-. Im Einzelfalle sind
die Herren mit den -verjudeten: Theatern zumeist
geradeso versippt wie ihre liberalen Collegen. Das
kann man an dem Kunsttheile des „Deutschen Volks¬
blattes fast täglich controlieren. Offener Freikartenbettel,
wie ich ihn letzthin erwähnt habe, liebevolle Schonung
just der anrüchigsten Mitglieder jener Gilde, die bei uns
jahraus jahrein die Bretter verseucht. In allgemeinen
Entrüstungsphrasen, die niemandem wehe thun, wird
hin und wieder von der kunstverheerenden Tyrannis
der Concordiaclique gesprochen, aber wenn’s den
„Deutschen Volksblatt“ ein Lob, das kaum schwächer
klingt als das der befreundeten Presse und seines
eigenen Blattes. Im Feuilletontheile oder in einer
Jahresübersicht über die Wiener Theater wird das
Walten der jüdischen Kritik, die den Kanzleien ihre
Stücke aufdrängt, beklagt und selbst die Aufführung
einer Arbeit von Arthur Schnitzler — dem man, man mag
ihn, wie man will, werten, schwerlich zumuthen kann,
dass er sich von Concordiasitzungen seine Inspirationen
holt — als eine dem arischen Empfinden zugefügte
7
Mei-Roppaport den Vorschlag inachte, miien in den Ausschuss des:
Jüdischen Handwerkervereins zu wählen; es ist unwahr, dass der
Verein das ablehnte; wahr ist, dass in einer Vorbesprechung für die
eatrice box 20/1
Noch wirken in unverminderter Frische die - Erpresser-,
die sich zu Beginn der Neunzigerjahre in die erste
Reihe der Wiener Kritiker drängten. Und die namen¬
losen Angriffe des Herrn Bahr werden keinen von
ihnen hindern, ihn im nächsten Jahr zum Präsidenten
der -Concordias zu wählen. Schlussfolgerung: Der
unpersönliche Anticorruptionismus dient der Wiener
Journalistik als Deckmantel für eigene, bereits vor¬
handene oder erst noch zu übende Corruption. Der
sachliche Kampf gegen die Corruption ist aber in
Wahrheit der persönliche, den ich in der „Fackel“
führe.
Der Reinigungskampf, den die antisemitische
Tagespresse auf dem Gebiete der Wiener Theaterwirt¬
schaft führt, ist ein -principieller-. Im Einzelfalle sind
die Herren mit den -verjudeten: Theatern zumeist
geradeso versippt wie ihre liberalen Collegen. Das
kann man an dem Kunsttheile des „Deutschen Volks¬
blattes fast täglich controlieren. Offener Freikartenbettel,
wie ich ihn letzthin erwähnt habe, liebevolle Schonung
just der anrüchigsten Mitglieder jener Gilde, die bei uns
jahraus jahrein die Bretter verseucht. In allgemeinen
Entrüstungsphrasen, die niemandem wehe thun, wird
hin und wieder von der kunstverheerenden Tyrannis
der Concordiaclique gesprochen, aber wenn’s den
„Deutschen Volksblatt“ ein Lob, das kaum schwächer
klingt als das der befreundeten Presse und seines
eigenen Blattes. Im Feuilletontheile oder in einer
Jahresübersicht über die Wiener Theater wird das
Walten der jüdischen Kritik, die den Kanzleien ihre
Stücke aufdrängt, beklagt und selbst die Aufführung
einer Arbeit von Arthur Schnitzler — dem man, man mag
ihn, wie man will, werten, schwerlich zumuthen kann,
dass er sich von Concordiasitzungen seine Inspirationen
holt — als eine dem arischen Empfinden zugefügte
7
Mei-Roppaport den Vorschlag inachte, miien in den Ausschuss des:
Jüdischen Handwerkervereins zu wählen; es ist unwahr, dass der
Verein das ablehnte; wahr ist, dass in einer Vorbesprechung für die