II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 131


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14. Der Schleier der Beatrice
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Tage später dem Burgtheater, nebst seinem prinzipiellen Ein¬
kann glücklich werden nach seiner eigenen Fagon, und wenn die
illeton.
verständniß zu Strichen und Aenderungen, das gewünschte Recht
bisherige Thätigkeit des Herrn Direktors Schlenther am Burg¬
(Nachdruck verboten.)
der Erstaufführung und erbat, wie sich das in solchen Fällen von
theater seinen dortigen Gönnern zu schönen Hoffnungen für die
selbst versteht, einen Aufführungstermin, vor Allem aber, behnfs
Zukunft Veranlassung giebt, so sind wir Berliner die Letzten, die
all Schleuther.
Erledigung der zur Darstellung des Werkes nöthigen Besetzungs¬
sich zu einem Einspruch berufen fühlen. Anders jedoch als mit
dem künstlerischen, steht es mit dem menschlichen point d’honneur.
und Aenderungsfragen, eine baldige Unterredung mit dem
eit ausgebrochen, der weder mit der
Direktor. Vier Monate lang blieb Arthur Schnitzler auf dieses
Der kümmert uns bei Herrn Schlenther gerade so viel wie die
munalen Politik etwas zu schaffen hat,
in der Zwischenzeit erneuerte Ansuchen ohne Antwort, mit
Athem hält. Die Direktion des Burg¬
Wiener und wir möchten fast sagen, noch mehr, denn indem
Ausnahme einer einzigen, erst Anfangs Juni eingelangten Karte,
Schwanken das neueste Werk eines der
Dr. Schleuther nach Wien ging, um dort als Direktor in einer
in welcher der Direktor mittheilt, er werde sich „dieser Tage zum
darob ist heiße Fehde entbrannt. Die
der höchsten Stellungen, die Oesterreich zu vergeben hat, auf
Kritik und dramatischen Produktion haben
dritten Male an das Studium des Stückes machen“ und den
einem der exponirtesten Posten also, Berlinerthum zu vertreten,
Autor ersucht, „seine hart auf die Probe gestellte Geduld noch
kinen flammenden Protest gegen das Vor¬
muß er sich's wohl auch gefallen lassen, daß wir Berliner
einige Tage laufen zu lassen“. Erst am 18. Juni erhielt Arthur
terzeichnen, und in sämmtlichen Wiener
nicht leiden mögen, wenn er uns Unehre macht als Mensch, als
Schnitzler ein Schreiben des Direktors, worin dieser nunmehr Be¬
Berliner, um von seiner Kunst ganz zu schweigen. Darum können
dkument mit trotziger Ausführlichkeit an
denken gegen die Erfolgsmöglichkeit des Stückes erhebt und nach
der Parlamentsauflösung, der China¬
wir den Protest der Wiener Schriftsteller nicht mit einem über¬
ausführlicher Darlegung derselben dem Verfasser proponirt: „Warten
eachtet, was sonst die Welt bewegt. Die
legenen Lächeln abthun. Er treibt uns vielmehr die Schamröthe
ins Gesicht. „Wir erachten es“ —
bis zum Frühjahr! Sehen, wie dann die Konstellation am Burg¬
austrande hallen wieder von dem Klirren
so sagt der Protest
— „im
theater ist.“ Das vier Monate inne gehabte Recht der ersten Aufführung
it dem „Schleier der Beatrice“ — so
Interesse der Autorität des Direktors des Burgtheaters für ge¬
wurde in diesem Schreiben zurückgelegt mit dem Beisatze: „Ich
hat sich Vindobona (ist man ver¬
boten, daß sein in Ausübung des Amtes hinausgegebenes Worl
müßte es mir selbstverständlich gefallen lassen, daß eventuell
einer gewissen Verläßlichkeit nicht entbehre ..
upt verhüllt, und für den Augenblick
Daß ein
Berlin oder München vorangehen.“ Diese für das Schicksal des
Wort einer gewissen Verläßlichkeit nicht entbehre! Es braucht in
ihrem Antlitz nichts zu sehen,
Stückes so wichtigen Eröffnungen entzogen sich eben durch den
Phäakenstadt! So sehr ist der Spott
Deutschland viel, viel weniger, damit man seine Zeugen schicke.
Umstand, daß sie erst knapp vor Eintritt der Ferien an den Ver¬
Natur geworden, daß er, wenn man ihm
Hat denn Herr Direktor Schlenther die Traditionen, in denen er
fasser gelangten, einer sachgemäßen Entgegnung, weshalb Herr
ß, warum er eigentlich spottet. So viel
zum Doktor aufwuchs, schon ganz vergessen?
Arthur Schnitzler erst zu Beginn des neuen, gegenwärtigen Spiel¬
Theaterstück! Aber ist es wirklich nur
Leider aber ist es mit den Folgerungen, die sich schon für einen
jahres an die Direktion des Burgtheaters einen Brief richtete, in
m das es sich handelt? Vielleicht wird
Dritten, sei er auch nur ein Gentleman und im Uebrigen mit den
welchem er im Zusammenhalte der beiden ihm vermittelten Be¬
er Betrachtung vergehen, und am Ende
Verhältnissen gar nicht vertraut, aus der nackten Darlegung des
scheide vom 13. Februar und vom 17. Juni die Anfrage steute, ob
ir uns nicht Wiener, sondern Berliner
Sachverhöltes ergeben, gar nicht abgethan. Wir hier in Berlin,
sein Stück innerhalb der jetzt laufenden Saison, also über den
Aus das wäre möglich. Sehen wir zu.
die wir keinst Herrn Dr. Schlenther ebenso kannten, wie jetzt die
proponirten Zeitpunkt der zu erwartenden „Konstellation“ hinaus,
zember 1899 reichte der Wiener Autor
Wiener den Herrn Direktor, haben mit diesem noch ein besonderes
angenommen sei oder nicht. Auf dieses Schreiben vom 1. Sep¬
#r unsern Lesern nicht erst vorzustellen
Sträußchen zu pflücken, und zwar um des Briefes willen, den wir oben
tember erfloß am folgenden Tage vomn Herrn Direktor Dr. Paul
Detes Drama Der Schleier der Beatrice“
im Wortlauke reproduzirten. „Freundschaftlich warnen möchte ich Sie
Schlenther ein ablehnender Bescheid.
eißt noch in Manuskriptform, dem Burg¬
vor dem Deutschen Theater, das bei seinem jetzigen Personal,
Das ist der Sachverhalt und wir denken, schon dieser allein,
hitze seit Jahr und Tag bekanntlich unser
ohne Kainz [Kainz, den Schleuther selber dem Deutschen Theater
schlicht nacherzählt, wie's sine ira et studio der Protest der
herer Exkollege, Herr Dr. Paul Schleuther,
genommen hat!) und Sorma, der Riesenaufgabe nicht gewachsen
Wiener Schriftsteller thut, muß genügen, uns das spöttische Lächeln
ob nach der ersten Lesung des Stückes
ist.“ Es giebi in unserer Sprache nur ein Fremdwort, um das
von den Lippen zu scheuchen, mit dem wir die Wiener bedenken
asselbe, trug vielmehr eigenhändig eine
zu bezeichnen, dessen Schlenther sich mit dieser „Warnung“ schuldig
wollten. Es ist doch mehr als doß ein bischen Theaterstück, das
ins Manuskript ein und nahm im
gemacht hat: Felonie. Wie? Herr Schlenther wagt es, dem
da auf dem Spiele steht. Herr Direktor Dr. Paul Schlenther hat
Deutschen Theater in den Rücken zu fallen, dem er sich
Aufführung einige Streichungen vor.
mit dem Rufe, der ihn von dem Berliner Redaktionsstuhle fort an
Folgten Begegnung dankte Herr Direktor
einst mit Leib und Seele verschrieb, das er einst
die vornehmste Stätte deutscher Bühnenkunst holte, doch zugleich
nicht genug in den Himmel
noch mündlich für die Uebersendung des
heben, nicht genug
auch die moralische Verpflichtung angenommen,
seiner
sechs Wochen später empfing Arthur
sich aneignen konnte, da er auf dessen Erfolgen selber emporstieg
Heimath und seiner Vergangenheit Ehre zu machen. Inwieweit
des 13. Februar 1900 nachstehenden
und sich das Piedestal zu bauen wußte, auf dem ihn später die
er das auf künstlerischem Felde gethan hat, muß dahingestellt
erschauten, die ihn nach Wien beriefen? Wie Herr Schleuther
Hand des Herrn Direktors Dr. Paul
bleiben.
Wir hier in Berlin hätten uns überhaupt nie
Schnitzler! Anbei das Resultat meiner
entblödet sich nicht, die Schöpfung, auf die er selbst die Deutschen
träumen lassen, daß Herr Dr. Paul Schlenther, wie sehr wir ihn
eitung. Nicht alle meine Striche sind
stolz sein hieß, die Stätte seiner eigenen Erfolge nicht minder wie
auch als Kritiker schätzen mochten, das Zeug zu einem Theater¬
ne. Am strittigsten wohl die Weglassung
der Triumphe des Deutschen Theaters selbst so in den Koth zu
direktor, besonders aber zu einem Burgtheaterdirektor in sich trage.
lich warnen möchte ich Sie vor dem
ziehen? Und, was das Schlimmste ist, in aller Heimlichkeit, hinterrücks,
Allein nemo propheta in patria, und wir geben ja zu, daß
bei seinem jetzigen Personal, ohne Kainz
statt wie ein Mann mit offenem Visir, in einem Schreiben das
Fernerstehende den Werth eines Menschen, dem wir selber zu nahe
aufgabe nicht gewachsen ist. Uebrigens
nur Dank dem beleidigten Rechtsgefühle einer wackeren Schaar
stehen, um seine Größe voll ermessen zu können, oft viel besser er¬
von Rittern der Feder, ritterlicheren Rittern als Herr Schlenther
kung am Burgtheater zur Vorbedingung
fassen als wir, obgleich dann freilich dieser Erfahrungssatz auch
einer ist, aus Licht der Oeffentlichkeit gekommen ist? Nein, Felonie
Ich glaube, nur das Burgtheater kann
uns zu Gute kommen und man umgekehrt uns gestatten
Berlin allenfalls die Hofbühne. Filippo
ist noch gar nicht das Wort. Es giebt ein gutes deutsches Wort,
müßte, jetzt von den Leistungen des Herrn Direktors
pski, Beatrice Poppe. Unsere relativ beste
das besser paßt.
Direktor Schleuther bringt uns an die
Schlenther im fernen Wien eine geriugere Meinung zu
räulein Witt. Mit herzlichem Gruß 2c. 2c.“
Grenze unseres Sprachvorraths. Wir brechen ab und der Rest ist
ertheilte Herr Arthur Schnitzler wenige haben als die, die ihn dort unterstützen. Jeder aber Schweigen...
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