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14. Der Schleier der beatrice
rk, Paris, Rom, Stockholm.
V. Jed.
Wres Gu
rüsteten Theaterbesuchern den Vorwurf gegen den in Breslau an= Herzog einander verkörpert gegenüber, und ihr beider Schicksal
wesenden Dichter aussprechen, er hätte doch eher sein Stück zurück¬
wird es, daß sie beide zusammen treffen müssen in der Liebe zu
atrice.“
ziehen als eine solche Aufführung dulden sollen. Und in der
demselben Mädchen, dem erst seelenlosen, zu spät erwachten Weibe,
er Muse der Zutritt zur
That, je mehr man die Größe und Schönheit des Werkes dank
einem Kinde,
ibseligen Deutschland gar
der Leiftungen von Herrn Jessen, Herrn Lettinger und Fräulein
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte,
schlossen oder äußern ihn
Nolewska empfand, um so empörter mußte man über die
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Räthsel,
ilweise in weniger harm¬
unentschuldbaren Mängel der Aufführung sein.
Mit eines Jünglings Herzen, weil's dir just
gelangenden Stücke ihrer
Geschenkt war?
Vom Heere des fürchterlichen, für unwiderstehlich geltenden
erer vielleicht mag die
Cesare Borgia, dessen treulos unternommener Versuch, sich Bolognas
Der größte Dramatiker dürfte stolz sein, einen Charakter gleich
Erstlingswerken Bühnen¬
zu bemächtigen, in Wirklichkeit im Jahre 1501 fehlschlug, schildert dieser Schnitzler'schen Beatrice geschaffen zu haben. Wie sie Filippo
die Theaterpforten gerade
der Dichter uns Bologna eingeschlossen. Ein Weltuntergang
ihren ehrgeizigen Traum so harmlos erzählt, ohne Ahnung, daß sie
in Schaffen zu höherem
scheint seinen Bewohnern durch den mitleidlosen Feind bevorzu¬
damit den um sie gewobenen Schleier seinerPhantasie zerreißt, wie sie
ärklich großen Werke fort¬
stehen, und um so voller, zügelloser entflammen in der einen
kindlich unbefangen von dem um eine Liebesnacht werbenden
ergeschichte des 19. Jahr¬
Nacht — Schnitzler hat seine reiche Handlung mit meisterhaftem
Herzog die Che fordert, ihre Lebenssehnsucht, als sie sich vergiftet
gischer Schärfe, als der
Geschick in strengster Zeiteinheit zusammengedrängt — die Leiden¬
glaubt, und ihr Entsetzen vor Filippo's kalter Leiche — wahrlich, es
ohengrin“ umsonst von
schaften. Leidenschaftliche Kraftnaturen, wie die italienische
wird wenige dankbarere und zugleich poesievollere Rollen geben!
Es musikalisch gewaltigsten
Renaissance sie erzeugte, sind sie fast alle, die in Bolognas
Aber ihre Ausführung verlangt auch eine ungewöhnliche Dar¬
Wagner's „Tristan und
Straßen wie am Hofe des Herzogs uns entgegentreten, vom Herzog
stellerin. Wenn der Dichter sich Beatrice sechzehnjährig denkt, so
schen Oper abgesetzt wurde.
Lionardo Bentivoglio (Herr Jessen) und dem Dichter Filippo
ist es doch eine sechzehnjährige Italienerin, keineswegs eine deutsche
Dichter von „Liebelei und
Loschi (Herr Lettinger) bis zu dem Hauptmann Ribaldi, dessen
Kindergestalt, und eine ängstliche Forderung nach Jugendlichkeit
gt, die Bühnen würden
Gespräch mit dem Herzog an Götz von Berlichingen's Anwerbung
der Darstellerin würde nur von Unverständniß für den Charakter
eben, nicht zurückweisen,
des kampflustigen Lerse erinnert. Die ungezügeltste Lebens= und
der Rolle zeigen. Von Agnes Sorma muß man sie sich gespielt
achwerk wie sein „Ver¬
Sinnenluft, ein Drang nach Schönheit und Genießen eint sich
denken. Da Breslaus vereinigte Bühnen das Unicum bieten, daß
In den Versen seines
mit Geringschätzung des eigenen und des fremden Lebens. Wie
unser Schauspiel auf den drei Monopolbühnen sich diese Theater¬
bilde aus der französischen
Schnitzler ohne jede archäologische Aufdringlichkeit das Zeitcolorit
spielzeit hindurch ohne erste Liebhaberin behelfen muß, so hatten
r ja bereits den Beweis
in glühenden Farben zu entwerfen vermag, das allein wäre schon
wir keine ganz geeignete Vertreterin. Aber gerade die ungeeignetste
nöthigen Eigenschaften
eine große dichterische Leistung. Verbietet ihm die dramatische
unter den möglichen Vertreterinnen herauszusuchen und damit das
ien bürgerlichen Prosa¬
Rücksicht auch die breite Ausmalung von Einzelzügen, wie Graf
Stück zu Grunde zu richten, das gereicht unseren Dramaturgen und
die, zum freien Fluge
Gobineau sie in den historischen Dialogscenen seiner wunder¬
Regisseuren zu besonderem Ruhme. Frl. Konrad muß man freilich
Schnitzler's „Schleier
vollen „Renaissance" (Paris 1877) als feiner Geschichts= und
gegen die unwilligen Stimmen aus dem Zuschauerkreise in Schutz
sagen, das bedeutendste
Seelenkundigen so geistvoll und wirklichkeitsgetreu dargestellt hat,
nehmen. Sie hat mit voller Hingebung ihr Bestes gethan und ver¬
elleicht länger hinaus in
so lebt doch auch in Schnitzler's Schauspiel die ganze, von Kunst¬
dient persönlich dafür Anerkennung. Ihr selbst ist durch diese
Ein Werk voll echter
sinn und Gewaltthätigkeit, überschäumender Kraft und Kühnheit
unbegreifliche Besetzung das größte Unrecht zugefügt worden, vor
von Fleisch und Blut,
einzige Zeit vor uns auf. In der Schilderung, die Benvenuto
dem die an richtigem Platze so sympathisch wirkende Künstlerin
g, daß man nicht müde
Cellini von seinem eigenen Leben uns hinterlassen, Goethe uns
hätte bewahrt bleiben müssen. Ueber reiche Modulationsfähigkeit
nden, tief und wahr in
verdeutscht hat, lesen wir fast auf jeder Seite von der uns kaum
des Organs, lebhaftes Mienenspiel und vor allem einen geheimni߬
edanken, die in wunder¬
mehr faßbaren, blinden Macht der Leidenschaft, der sich jene
voll von ihr ausgehenden Zauber der Persönlichkeit, alles der
n. Die Handlung selbst
italienischen Künstler und Tyrannen des 15. und 16. Jahrhunderts
Beatrice unentbehrliche Eigenschaften, verfügt Frl. Konrad nicht.
und mit meisterhafter
in allem hinzugeben pflegten, der sie wahllos folgen mußten.
Sie würde die Rolle der Beatrice nicht bewältigen können, auch
de gewaltige Stoff be¬
Solche dämonische Macht hat den Dichter Filippo Loschi beim
wenn es sich blos um ein Nachspielen, nicht um eine völlige
ebenso die Forderungen
Anblick der jugendlichen Beatrice Nardi ergriffen. Die Ehren¬
Neuschaffung gehandelt hätte.
hon Schiller meinte, so
pflicht gegen seine Braut, die Schwester seines edelsten Freundes
An dieser Aufgabe des Neuschaffens ist auch Herrn Runge's
r Weise erfüllt, ist vom
Graf Andrea Fantuzzi, Freundschaft und Vaterlandsliebe, selbst
Regie gescheitert. Sie hat Ausgezeichnetes geleistet, als es sich in
heater zu Berlin zurück¬
seine eigene Kunft, alles will er verrathen und mit Füßen treten,
„Ueber unsere Kraft“ darum handelte, das von Alfred Halm,
isung hätte dem Dichter
um mit jenem Kinde, dem schönsten Mädchen des auf seine
dem trefflichen Leiter unserer trefflichen Sommerbühne, im Berliner
schaden vermocht als die
schönen Töchter stolzen Bologna, zu entfliehen. Filippo ist der
Theater aufgestellte Vorbild zu übertragen. Einer Inscenirung
breslauer Theaterleitung
Phantasiemensch, der Dichter, der nicht das Vorhandene sieht,
ohne Vorbild, wie sie im vorigen Jahre Otto Vischer wiederholt
her das Werk im Lobe¬
sondern je nach Stimmung die Wirklichkeit nach seinen Phantasie¬
mit Erfolg ausgeführt hatte, zeigte sich Herr Runge im zweiten
daß die dramaturgischen
vorstellungen umdichtet. Ebenso sieghaft unwiderstehlich wirkt der
und vierten Acte des Schnitzler'schen Stückes nicht gewachsen.
wenig schmeichelhaften
die Wirklichkeit der Dinge in den Goldglanz der Poesie tauchende
Unser Mangel an Personal, durch den eine ganze Reihe kleinerer
Verlassen des Theaters
Filippo auf Weib und Mann, wie es die Kraftnatur des im
Rollen entstellt wurde, zwang unsere beiden Regisseure, Herrn
wunderbare Besetzung
Irdischen wurzelnden Herzogs in ihrem Kreise thut. Der Phan¬
Runge im Lobetheater, Herrn Niedt am Sonntag im Thaliatheater,
hörte man von den ente tasiemensch und der Thatenmensch stehen in Filippo und dem
selbst mitzuspielen. Nach der Härte und Sprödigkeit von Herrn¬
Runge's Organ und der Steifheit seines Spiels kann man die
die
öftere Anwendung dieses Hülfsmittels nicht empfehlen. Die Schuld
über
für die mangelhafte Inscenirung darf man freilich nur zum
zule
kleineren Theile der Regie zur Last legen. Ein mit großen
muß
Massenscenen ausgestattetes Stück gehört auf die größere Bühne
zeigt