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E
Der Schleier deratrice
der Censur zu denken hätte, die Bilder, die sich aus einer,
solchen Situation ergeben, naturgemäß nur in ganz ver¬
schwimmenden Umrissen wiedergeben. Wie aus dem Buche
hervorgeht, hat Schnitzler, der Dichter des „Reigen“, vor seinem!
inneren Ange hier Szenen des wildesten Bacchantismus gesehen.
Iumitten der taumelnden Lust fehlt Beatrice. Wir Zuschauer
wissen den Grund schon aus dem vorhergehenden Akt, der
damit die Spannung löst, ehe sie erzeugt ist. Mit des Herzogs
Brautschleier geschmückt, von neuem anderen Sinnes ge¬
worden, fliehend vor der fürstlichen Zärtlichkeit, ist sie z
Philippo Loschi geeilt. Sie wolle mit ihm sterben, in seinen!
Kusse hinüberschlummern. Und Loschi ist bereit. Doch ach,
er muß den Gistbecher allein leeren. Beatricens Lebensdrang
bäumt sich auf, sie sieht nur noch die grausen Verzerrungen
des Sterbens, und ihr lyrisches Getändel mit dem Tode ver¬
geht rasch. Diese Szene, auch darstellerisch vortrefflich aus¬
z#unutzen, ist in ihrer reichen Bewegtheit die beste des Stückes.
Veatrice stürzt davon, nicht ohne den Schleier zu vergessen.
Und nun erschrecken wir: Wie? Dieser Schleier, der dem
Ist kein Sym¬
Stück den Titel gab, ist nur ein Requisit?
bol? Kein Schleier, aus dem wir uns irgend eine dichterische
Wahrheit herauslösen können?
Er ist wirklich nur ein Requisit. Denn als Beatrice in
das Schloß zurückkehrt, vermißt der fürstliche Gemahl sofort
das kostbare Gewebe. Sie will nicht verraten, wo es ge¬
blieben ist, und erst mit Todesmartern bedroht, entschließt sie
sich, den Gatten an die Stätte zu führen, wo sie den Schleier
verlor. So kommen sie zusammen in dunkler Nächt in
Philippi Loschis Haus. Dort will nun der Herzog in
stürmischer Lust Hochzeit feiern. Da stößt sein Fuß an den
Leichnam des Dichters. Nun erst ahnt er den wahren
Zusammenhang, nun erst weiß er, daß Loschi um Beatricens
willen gestorben ist, und daß Beatrice diesen geliebt hat, so
wie sie eben zu lieben verstand. Auch jetzt ist er zum Ver¬
zeihen bereit. Aber Beatricens Bruder übt rasche Justiz. Er
tötet die ewig untreue Schwester, die nun plötzlich, in einer
uns rätselhaften jähen Umwandlung ihrer Natur, zum Sterben
bereit ist.
Loschi tot: Beatrice tot; auch Vittorino, den sie hatte
heiraten wollen, hat sich aus Gram entleibt; der Tag
dämmert, und der Herzog wird den Tod zwingen, ihn zu
finden. Teresina, die erste Braut Loschis, ist in Wahnsinn
verfallen und Andrea, ihr Bruder, bereits in einem Vorposten¬
gefecht umgekommen. So hat Schnitzler und mit ihm die
Brahm=Bühne die so oft bespöttelte Schlußwirkung des großen
Massenmordes wieder ausgenommen. Umkehr und Rene auf
allen Seiten. Die Tempel der alten Götter tragen das rote
Plakat: „Neu eröffnet!“ Auch die verpönten Monologe
werden wieder gesprochen, und niemand wundert sich darüber.
Schnitzler aber, wenn ich ihn recht kenne, hätte seine
Beatrice wohl gern leben lassen wollen. Nur im Zwange
seines Strebens, große heroische Kunst zu machen, hat er sie
hingeschlachtet. Er schwärmt ja doch im Innersten für diese
kleinen Mädchen, die den Männern Hörner aussetzen. Immer
hat er sie geliebt, hat sie stets triumphieren lassen. Und wenn
er es tat, war er der echte und rechte Schnitzler, der Mann
mit der außerordentlichen Beobachtungsgabe, mit dem leisen
Lachen hinter parfümiertem Taschentuch. Ein Dichter des
Tatsächlichen, das er wie kaum einer versteht, künstlerisch zu
heben und mit seinem geistreichen Temperament zu durch¬
leuchten. Kein Dichter der frei waltenden Phantasie und der
Fritz Engel.
großen Linien.
box 20/3
Gelegesheit zu geben, sich
Pynosophen Gaetano Filangieri, dem Verfasser der „Seienza uella
hiesigen Stadthauptkasse
legislazione“ verkehrte. Wo die Tafel aber auch hinkommen wird:
gelegt worden.
auf alle Fälle haben wir Deutsche allen Grund, uns über diese auf¬
Theaterchronik.
abend (nicht am Freitag)
merksame und herzliche Initiative des Neapeler Blattes und seines
Aufführung in Bei
Redakteurs zu freuen.
des spanischen
Hierbei sei die fast unglaubliche, aber wahre Tatsache erwähnt,
genossen von Le
daß eine vollständige italienische Uebersetzung von Goethes „Italienischer
Komödie in de
Reise“ nicht vorhanden ist. Warum beschenkt uns Professor Zaniboni
moderne Bühne
Im Bunte
nicht mit einer solchen?
gastspiel von
das Theater de
Ein Telegramm unseres römischen Korrespendenten meldet uns
Ende April sei
Theodor L
noch: Der „Pungolo“ veröffentlicht einen enthusiastischen Leitartikel
1897 der Oberregiss
über Goethe und Deutschland und teilt mit, der deutsche General¬
gestern in Niederlößnitz
konful sowie der Präsident des deutschen Vereins in Neapel hätten
burtstag gefeiert.
namens der deutschen Kolonie eine Teilnahme an der Subfkription
Im Carl Wei߬
für den Denkstein angeboten. Der „Pungolo“ lehnt jedoch das Auer¬
arme Heinrich“
bieten namens des neapolitanischen Komitees dankend ab, erbittet
Schultes, zur ersten?
aber die Mitwirkung der Deutschen an der bevorstehenden Ent¬
Der Stuttgarter
abend eine Einakterauff
hüllungsfeier.
sänger“ (mit dem Auf
222 Richard Strauß geht nach Amerika? Wir erhalten
dringling" und Mir
aus Newyork die folgende telegraphische Nachricht, die wir unter allem
Vorstellung hatte nur ein
„Beethoven und
Vorbehalt wiedergeben: Dem Vernehmen nach ist das Engagement von
Heinemann, wird
Richard Strauß für das Metropolitan Opera House in
Brannschweig zum
Newyork gesichert. — Gleichzeitig mit diesem Kabeltelegramm geht
uns die Mitteilung zu, daß auch Felix Mottl für das gleiche
— Wissenschaftlich
amerikanische Unternehmen gewonnen sein soll.
fessor in der philosophisch
Dr. Otto Gerlach wur
222 Freivorstellungen von Heyses „Maria von B gdala“.
Hanburgische Senat ver
Der Verstand des Goethe=Bundes veranstaltet in nächster Zeit
schrieben wird, zu Ehre
Vorstellungen von Heyses „Maria von Magdala“ im
warte, Geheimen Admir
am 12. d. M. ein Festuch
[Lessing=Theater vor geladenem Publikum, ohne Eintritts¬
lehrten Einladungen er
geld zu erheben. Neben Mitgliedern des Goethebundes werden Reichs¬
und Landtagsabgeordnete, Beamte der Aufsichtsbehörden und litterarische bereits aus München, in
in Hamburg eingetroffe
Persönlichkeiten eingeladen werden.
E
Der Schleier deratrice
der Censur zu denken hätte, die Bilder, die sich aus einer,
solchen Situation ergeben, naturgemäß nur in ganz ver¬
schwimmenden Umrissen wiedergeben. Wie aus dem Buche
hervorgeht, hat Schnitzler, der Dichter des „Reigen“, vor seinem!
inneren Ange hier Szenen des wildesten Bacchantismus gesehen.
Iumitten der taumelnden Lust fehlt Beatrice. Wir Zuschauer
wissen den Grund schon aus dem vorhergehenden Akt, der
damit die Spannung löst, ehe sie erzeugt ist. Mit des Herzogs
Brautschleier geschmückt, von neuem anderen Sinnes ge¬
worden, fliehend vor der fürstlichen Zärtlichkeit, ist sie z
Philippo Loschi geeilt. Sie wolle mit ihm sterben, in seinen!
Kusse hinüberschlummern. Und Loschi ist bereit. Doch ach,
er muß den Gistbecher allein leeren. Beatricens Lebensdrang
bäumt sich auf, sie sieht nur noch die grausen Verzerrungen
des Sterbens, und ihr lyrisches Getändel mit dem Tode ver¬
geht rasch. Diese Szene, auch darstellerisch vortrefflich aus¬
z#unutzen, ist in ihrer reichen Bewegtheit die beste des Stückes.
Veatrice stürzt davon, nicht ohne den Schleier zu vergessen.
Und nun erschrecken wir: Wie? Dieser Schleier, der dem
Ist kein Sym¬
Stück den Titel gab, ist nur ein Requisit?
bol? Kein Schleier, aus dem wir uns irgend eine dichterische
Wahrheit herauslösen können?
Er ist wirklich nur ein Requisit. Denn als Beatrice in
das Schloß zurückkehrt, vermißt der fürstliche Gemahl sofort
das kostbare Gewebe. Sie will nicht verraten, wo es ge¬
blieben ist, und erst mit Todesmartern bedroht, entschließt sie
sich, den Gatten an die Stätte zu führen, wo sie den Schleier
verlor. So kommen sie zusammen in dunkler Nächt in
Philippi Loschis Haus. Dort will nun der Herzog in
stürmischer Lust Hochzeit feiern. Da stößt sein Fuß an den
Leichnam des Dichters. Nun erst ahnt er den wahren
Zusammenhang, nun erst weiß er, daß Loschi um Beatricens
willen gestorben ist, und daß Beatrice diesen geliebt hat, so
wie sie eben zu lieben verstand. Auch jetzt ist er zum Ver¬
zeihen bereit. Aber Beatricens Bruder übt rasche Justiz. Er
tötet die ewig untreue Schwester, die nun plötzlich, in einer
uns rätselhaften jähen Umwandlung ihrer Natur, zum Sterben
bereit ist.
Loschi tot: Beatrice tot; auch Vittorino, den sie hatte
heiraten wollen, hat sich aus Gram entleibt; der Tag
dämmert, und der Herzog wird den Tod zwingen, ihn zu
finden. Teresina, die erste Braut Loschis, ist in Wahnsinn
verfallen und Andrea, ihr Bruder, bereits in einem Vorposten¬
gefecht umgekommen. So hat Schnitzler und mit ihm die
Brahm=Bühne die so oft bespöttelte Schlußwirkung des großen
Massenmordes wieder ausgenommen. Umkehr und Rene auf
allen Seiten. Die Tempel der alten Götter tragen das rote
Plakat: „Neu eröffnet!“ Auch die verpönten Monologe
werden wieder gesprochen, und niemand wundert sich darüber.
Schnitzler aber, wenn ich ihn recht kenne, hätte seine
Beatrice wohl gern leben lassen wollen. Nur im Zwange
seines Strebens, große heroische Kunst zu machen, hat er sie
hingeschlachtet. Er schwärmt ja doch im Innersten für diese
kleinen Mädchen, die den Männern Hörner aussetzen. Immer
hat er sie geliebt, hat sie stets triumphieren lassen. Und wenn
er es tat, war er der echte und rechte Schnitzler, der Mann
mit der außerordentlichen Beobachtungsgabe, mit dem leisen
Lachen hinter parfümiertem Taschentuch. Ein Dichter des
Tatsächlichen, das er wie kaum einer versteht, künstlerisch zu
heben und mit seinem geistreichen Temperament zu durch¬
leuchten. Kein Dichter der frei waltenden Phantasie und der
Fritz Engel.
großen Linien.
box 20/3
Gelegesheit zu geben, sich
Pynosophen Gaetano Filangieri, dem Verfasser der „Seienza uella
hiesigen Stadthauptkasse
legislazione“ verkehrte. Wo die Tafel aber auch hinkommen wird:
gelegt worden.
auf alle Fälle haben wir Deutsche allen Grund, uns über diese auf¬
Theaterchronik.
abend (nicht am Freitag)
merksame und herzliche Initiative des Neapeler Blattes und seines
Aufführung in Bei
Redakteurs zu freuen.
des spanischen
Hierbei sei die fast unglaubliche, aber wahre Tatsache erwähnt,
genossen von Le
daß eine vollständige italienische Uebersetzung von Goethes „Italienischer
Komödie in de
Reise“ nicht vorhanden ist. Warum beschenkt uns Professor Zaniboni
moderne Bühne
Im Bunte
nicht mit einer solchen?
gastspiel von
das Theater de
Ein Telegramm unseres römischen Korrespendenten meldet uns
Ende April sei
Theodor L
noch: Der „Pungolo“ veröffentlicht einen enthusiastischen Leitartikel
1897 der Oberregiss
über Goethe und Deutschland und teilt mit, der deutsche General¬
gestern in Niederlößnitz
konful sowie der Präsident des deutschen Vereins in Neapel hätten
burtstag gefeiert.
namens der deutschen Kolonie eine Teilnahme an der Subfkription
Im Carl Wei߬
für den Denkstein angeboten. Der „Pungolo“ lehnt jedoch das Auer¬
arme Heinrich“
bieten namens des neapolitanischen Komitees dankend ab, erbittet
Schultes, zur ersten?
aber die Mitwirkung der Deutschen an der bevorstehenden Ent¬
Der Stuttgarter
abend eine Einakterauff
hüllungsfeier.
sänger“ (mit dem Auf
222 Richard Strauß geht nach Amerika? Wir erhalten
dringling" und Mir
aus Newyork die folgende telegraphische Nachricht, die wir unter allem
Vorstellung hatte nur ein
„Beethoven und
Vorbehalt wiedergeben: Dem Vernehmen nach ist das Engagement von
Heinemann, wird
Richard Strauß für das Metropolitan Opera House in
Brannschweig zum
Newyork gesichert. — Gleichzeitig mit diesem Kabeltelegramm geht
uns die Mitteilung zu, daß auch Felix Mottl für das gleiche
— Wissenschaftlich
amerikanische Unternehmen gewonnen sein soll.
fessor in der philosophisch
Dr. Otto Gerlach wur
222 Freivorstellungen von Heyses „Maria von B gdala“.
Hanburgische Senat ver
Der Verstand des Goethe=Bundes veranstaltet in nächster Zeit
schrieben wird, zu Ehre
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warte, Geheimen Admir
am 12. d. M. ein Festuch
[Lessing=Theater vor geladenem Publikum, ohne Eintritts¬
lehrten Einladungen er
geld zu erheben. Neben Mitgliedern des Goethebundes werden Reichs¬
und Landtagsabgeordnete, Beamte der Aufsichtsbehörden und litterarische bereits aus München, in
in Hamburg eingetroffe
Persönlichkeiten eingeladen werden.